Wohnungsbau auf einem Friedhof: Früher war das alles unmöglich
In der Prenzlauer Allee 7 gehen Kirche und Baugruppe neue Wege. Das Grundstück auf dem Gottesacker wurde nur minimal bebaut und lässt viel Raum für Gärten.
Jetzt, im Sommer, sind die Gärten ein Segen. „Mein Sohn nutzt die Parzelle für Fotoshootings“, sagt Björn Ohlert. Andere feiern Geburtstage oder ziehen sich nach einer Ausstellungseröffnung ins grüne Dickicht hinter der Prenzlauer Allee 7 zurück. „Wir sind zehn Minuten vom Alex weg“, meint Ohlert, „aber wenn du hinters Haus gehst, zack, ist einfach Ruhe.“
Björn Ohlert arbeitet in der „P7 Gallery“ seines Sohnes und hat, wie die meisten Mitglieder der Baugruppe in der Prenzlauer Allee 7, eine Gartenparzelle auf ehemaligem Friedhofsgelände. Werkgärten nennen sie die grünen Oasen, weil sie ein Mittelding sein sollen zwischen einem öffentlich zugänglichen Park und einem privaten Schrebergarten. So wollte es der Evangelische Friedhofsverband Berlin, der den ehemaligen Eingang zu den Friedhöfen St. Marien und St. Nikolai II 2013 zum Verkauf ausgeschrieben hat. Björn Ohlert hat seine eigene Formel dafür: „Werkgarten heißt für mich, mit den Toten zu arbeiten.“
Ein Friedhofsgrundstück zu privatisieren, gar zu bebauen, das war 2013 so gut wie unmöglich. In der Heinrich-Roller-Straße hatte der Friedhofsverband bereits 2007 eine Fläche von 6.600 Quadratmetern verkaufen wollen, um Wohnungen bauen zu lassen. Doch die Anwohnerinnen und Anwohner liefen gegen die Pläne Sturm, gründeten die Bürgerinitiative „Roller“ und machten der evangelischen Kirche einen Strich durch die Rechnung. Schließlich kaufte das Land Berlin den nicht mehr genutzten Friedhof für 1,9 Millionen Euro und errichtete an dieser Stelle den seit 2012 geöffneten „Leisepark“.
„Bei der Prenzlauer Allee 7 hat es der Friedhofsverband anders gemacht und den Sanierungsträger Stattbau mit einem Konzeptverfahren für das Grundstück beauftragt“, erinnert sich Architektin Gudrun Sack. 40 Architekten und Baugruppen haben sich beworben, unter ihnen war Sack mit ihrem Büro Nägeliarchitekten. „Werk Stadt Garten Wohnungen“, hieß das Projekt, mit dem sie nach anderthalb Jahren aus dem Wettbewerb schließlich als Siegerin hervorgegangen ist.
Kirche wollte keinen klassischen Bauherrn
Inzwischen sind auch die Architekten mit ihrem Büro in die Prenzlauer Allee 7 gezogen. Gudrun Sack steht im Hof, zeigt auf den Park und auf das Wohnhaus, das anstelle des schmalen Eingangs zu den Friedhöfen steht. „Die Kirche wollte keinen klassischen Bauherrn“, sagt sie, „aber auch eine Wohnungsbaugesellschaft hätte hier nicht bauen können, weil das Grundstück sehr schmal ist.“ Die Lösung für Sack bestand darin, ein „Haus zu bauen, das nicht den normalen Standards entspricht“.
Das betrifft vor allem die Wohnungsgrößen. Insgesamt 25 sogenannte Minimalwohnungen haben Gudrun Sack und Kompagnon Walter Nägeli an der Prenzlauer Allee realisiert, viele von ihnen als Maisonettewohnungen mit einer Fläche von 31 bis 90 Quadratmeter. „Die Wohnungen sind teilweise so klein, dass wir die Auflage hatten, weißes Licht und weiße Wände zu schaffen“, sagt Sack. Die Grundrisse sind flexibel, weil die Wohnungen würfelartig aneinandergeschachtelt sind. „So kann das Haus auf Veränderungen in den Lebensphasen reagieren“, sagt Sack. „Man kann sich sowohl vergrößern als auch verkleinern.“
Doch die Beschränkung auf der einen Seite wird mit viel Platz auf der anderen Seite des Grundstücks wieder gutgemacht. Denn den größten Teil des verwunschenen ehemaligen Friedhofs haben die Nägeliarchitekten frei gelassen. Hier befinden sich auf 5.000 Quadratmetern die Werkgärten der Bewohnerinnen und Bewohner, darunter auch der von Björn Ohlert. Was aber wird, wenn die Hitzeperiode nachlässt und Herbst und Winter kommen? Ist der eigene Garten dann immer noch der Ausgleich für eine kleine Wohnung?
„Ursprünglich haben wir kleine Schuppen auf den Parzellen errichten wollen“, sagt Ohlert, „doch das hat der Bezirk nicht genehmigt.“ Nun tragen sich die Nutzer, die die Gartengrundstücke vom Kirchenverband gepachtet haben, mit dem Gedanken, Zirkuswagen oder Bauwagen auf ihre Parzellen zu stellen. „Wenn wir die alle drei Monate mal bewegen, ist das erlaubt“, schmunzelt Ohlert und meint scherzhaft: „Vielleicht wird da sogar eine Wagenburg draus.“
Gudrun Sack, Architektin
„Friedhofsverband unterstützt uns“
Aber auch die ursprüngliche Idee mit den Schuppen haben Ohlert und Sack nicht aus den Augen verloren. Derzeit läuft eine Klage gegen den Bezirk, solche Gebäude auf ehemaligem Friedhofsgelände doch noch zu genehmigen. „Der Friedhofsverband unterstützt uns dabei“, erklärt Gudrun Sack. Verwunderlich ist das nicht, denn langfristig möchte die Kirche weitere Friedhofsgrundstücke vermarkten. Etwas mehr Rechtssicherheit kann da nicht schaden.
Die Anwohner sind in der Prenzlauer Allee, anders als in der Heinrich-Roller-Straße, nicht Sturm gelaufen. Vom Idyll, das sich hinter der Nummer 7 verbirgt, haben sie allerdings nichts, im Gegenteil: Der ehemalige Weg, der zur Greifswalder Straße über die Friedhöfe führte, ist nun geschlossen. Gudrun Sack wollte ihn für die Anwohner offen halten. Doch auch das wurde nicht genehmigt.
Ein öffentlicher Park in der Heinrich-Roller-Straße und ein privates Idyll in der Prenzlauer Allee – das ist bisher die Bilanz der Friedhofsprivatisierung.
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