Wohnen vor Gericht: Mietspiegel wird zur Hängepartie
Senat sieht nach Urteil keine Folgen für neuen Mietspiegel. CDU hingegen kritisiert SPD-geführte Stadtentwicklungsverwaltung.
Einen Tag nach dem Mietspiegel-Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg mühte sich der Senat, den Ball flach zu halten. Der Mietspiegel sei nur in einem Einzelfall berührt und nicht generell außer Kraft gesetzt, sagte Vize-Senatssprecher Bernhard Schodrowski am Dienstag. Zudem sei das Urteil noch nicht rechtskräftig.„Keine Panik“, empfahl auch der Grünen-Abgeordnete Andreas Otto. Der Eigentümerverband Haus & Grund forderte als Folge einen Stopp der ab Juni bundesweit möglichen Mietpreisbremse.
Das Gericht hatte am Montag den aktuellen, seit 2013 geltenden Mietspiegel mit der Begründung gekippt, er sei nicht nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt. Das ist für die Mietpreisbremse, auf die der Senat große Hoffnungen setzt, deshalb von Bedeutung, weil der Mietspiegel Auskunft über die ortsübliche Vergleichsmiete gibt. Sie ist in dem neuen Gesetz die Bezugsgröße für eine auf zehn Prozent begrenzte Mieterhöhung bei Neuvermietungen.
Der nun gekippte Mietspiegel hätte allerdings nur noch bis zur Vorstellung des künftigen gegolten, die für nächsten Montag geplant ist. Unterschiedlich fallen die Einschätzungen aus, inwieweit die Neuausgabe von dem Urteil betroffen und ob sie in gleicher Weise beklagbar ist. Nein, meint Sprecher Schodrowski: Der neue sei in dem kritisierten Punkte verändert „und ist deshalb rechtssicher“. Grünen-Politiker Otto ist weniger zuversichtlich, weil die grundlegende Systematik die gleiche sei.
Die Linksfraktion wertete das Urteil als „Generalangriff der Immobilienlobby“ und forderte den Senat auf, sich auf die Seite der Mieter zu stellen und die Konsequenzen der Entscheidung zu klären. CDU-Generalsekretär Kai Wegner wiederum hält der Stadtentwicklungsverwaltung des Senats Versäumnisse vor. Ein Gutachten habe bereits vor einem Jahr beim Mietspiegel „statistische Ungereimheiten“ aufgedeckt – die damals noch vom jetzigen Regierungschef Michael Müller geführte Behörde habe das ignoriert. Sein Nachfolger Andreas Geisel müsse jetzt für einen gerichtsfesten Mietspiegel sorgen, fordert der CDU-Mann.
Reiner Wild, Geschäftsführer der Berliner Mietervereins nannte das Urteil „falsch“ und nicht nachvollziehbar. Für ihn ist entscheidend, wie nun Landgerichtskammern als Berufungsinstanz die Lage beurteilen.
„Haus & Grund“ hingegen nimmt das jüngste Urteil zum Anlass, einen generellen Stopp der Mietpreisbremse zu forden. „Sie darf nicht eingeführt werden, weil bundesweit vergleichbare Urteile zu erwarten sind“, sagte Verbandschef Kai Warnecke.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen