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„Wohnen ist ein Armutsrisiko“

Mieterbund fordert einen Kurswechsel in der Wohnungspolitik

Von Jasmin Kalarickal

Wenn der Präsident des deutschen Mieterbunds auf die Wohnungspolitik der letzten zwei Jahrzehnte zurückschaut, kann er nur die Schulnote mangelhaft vergeben. Wohnen sei nicht bezahlbarer geworden, im Gegenteil. „Die Situation hat sich verschärft“, sagt Lukas Siebenkotten im Vorfeld des 71. Deutschen Mietertages, der von Donnerstag bis Samstag in Rostock-Warnemünde stattfindet.

Jeder dritte Mieterhaushalt sei mittlerweile mit Wohnkosten überlastet. 3,1 Millionen Haushalte geben sogar mehr als 40 Prozent ihres Einkommens für die Miete aus. „Wohnen ist für viele Menschen im Jahr 2025 zum Armutsrisiko geworden“, sagt Siebenkotten.

Auf dem Mietertag wollen rund 400 Delegierte diskutieren, wie ein wohnungspolitischer Kurswechsel gelingen kann. Auch die neue Bauministerin, Verena Hubertz (SPD), und der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, werden am Freitag erwartet. Inhaltliche Schwerpunkte sind die Mietenbegrenzung, der Bau und Erhalt bezahlbaren Wohnraums sowie klimagerechtes Wohnen.

Es reiche nicht, nur die Mietpreisbremse zu verlängern, wie es der Bundestag am Donnerstag beschließt, sagt Siebenkotten. Man müsse sie auch verbessern und sich mit den Ausnahmen befassen. Zudem brauche es auch bessere Regelungen für bestehende Mietverhältnisse.

Momentan dürfen Mieten, die noch unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen, in einem angespannten Wohnungsmarkt um 15 Prozent in 3 Jahren steigen. Siebenkotten fordert: In der derzeitigen Lage sollte es Ver­mie­te­r:in­nen gar nicht möglich sein, die Miete zu erhöhen oder höchstens um 1 bis 2 Prozent – so lange, bis mehr bezahlbare Wohnungen vorhanden sind.

Doch so weit wird die jetzige Regierung nicht gehen. Schwarz-Rot will zunächst eine Expertengruppe aus Mieter- und Vermieterorganisationen einsetzen, die sich mit möglichen Verbesserungen der Bremse befassen soll und berät, wie etwa mit möbliertem Wohnraum, Indexmieten oder Mietwucher umgegangen werden soll. Ein Ergebnis soll erst Ende 2026 präsentiert werden. „Das kommt uns wie eine Verzögerung vor“, sagt Siebenkotten.

Wichtig für die Zukunft sei auch der Bau bezahlbarer Wohnungen, sagt die Bundesdirektorin des Deutschen Mieterbunds, Melanie Weber-Moritz. Dafür brauche es unter anderem eine Stärkung der neuen Wohngemeinnützigkeit, die nichtprofitorientierte Akteure unterstützen soll. Bis 2030 sollte die Zahl der Sozialwohnungen auf 2 Millionen erhöht werden – was in etwa einer Verdoppelung entspricht. Daneben brauche es pro Jahr 60.000 neue Mietwohnungen, die auch für Normalverdienende erschwinglich sind.

2025 stellt der Bund 3,5 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau bereit. Diese Mittel werden in den kommenden Jahren schrittweise erhöht. Die Regierung bezeichnet das als Rekordsumme. Für den Mieterbund ist es zu wenig. „Nötig sind aus unserer Sicht 12,5 Milliarden pro Jahr“, sagt Weber-Moritz. Eine weitere Herausforderung sei die Sanierung alter Gebäude. Über die Hälfte der 21 Millionen Mieterhaushalte gehöre zum unterem Einkommensdrittel. Die Menschen lebten häufig in schlecht gedämmten Häusern. Die Wärmewende müsse sozial und bezahlbar gestaltet werden.

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