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Wohlfühlen am Hamburger HauptbahnhofSecurityfirma macht Sozialarbeit

Für Sicherheit und Ordnung am Hauptbahnhof setzt der Hamburger Senat „Sozialraumläufer“ ein. Die arbeiten bei einer privaten Sicherheitsfirma.

Viel Bedarf an Sozialarbeit: Hamburger Hauptbahnhof Foto: Miguel Ferraz

Hamburg taz | In blauer Weste steht das Dreier-Team vor dem Ausgang des Hamburger Hauptbahnhofs. Vorn auf der Weste steht der Name einer Sicherheitsfirma, hinten steht: „Sozialraumläufer“. Die Farbe der Arbeitskleidung sei vielleicht nicht ganz so glücklich gewählt, sagt einer der drei. Manche Menschen dächten, sie seien von der Polizei. Das stimmt aber nicht. „Wir sollen Ansprechpartner für alle sein, die sich in der Umgebung des Bahnhofs aufhalten“, erklärt er.

Die So­zi­al­raum­läu­fe­r:in­nen sind Teil des Maßnahmenpakets zur Verbesserung der Situation am Hauptbahnhof, das die Stadt Ende Februar vorgestellt hat. Seit Anfang März ist jeweils ein aus drei Personen bestehendes Team in zwei Schichten im Einsatz, insbesondere auf der Achse zwischen dem Bahnhof, dem Zentralen Omnibusbahnhof und dem August-Bebel-Park. Hier befindet sich auch die Kontakt- und Beratungsstelle Drob Inn mit einem Konsumraum für suchtkranke Menschen.

Die Aufgabe der So­zi­al­raum­läu­fe­r:in­nen ist es, zwischen allen zu vermitteln, die diesen öffentlichen Raum nutzen wollen, und dabei für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Sie sollen beispielsweise obdachlose und suchtkranke Menschen über umliegende Hilfsangebote informieren, sie aber auch auffordern, bestimmte Regeln einzuhalten. Doch So­zi­al­ar­bei­te­r:in­nen sind die So­zi­al­raum­läu­fe­r:in­nen nicht – die Stadt beauftragte stattdessen eine private Sicherheitsfirma.

Daran gibt es Kritik. Die sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Olga Fritzsche, befürchtet, dass der Einsatz einer Sicherheitsfirma zur weiteren Verdrängung marginalisierter Menschen führe. „Eine Security-Firma kann nicht die Aufgabe von So­zi­al­ar­bei­te­r:in­nen übernehmen“, sagt sie. Fritzsche zweifelt daran, dass die Menschen bei den Hilfsangeboten ankommen, wenn sie vom Bahnhof weggeschickt werden. Dadurch werde es für die Stra­ßen­so­zi­al­ar­bei­te­r:in­nen schwieriger, ihre Kli­en­t:in­nen zu finden.

Lieber eine Telefonhotline

Außerdem kritisiert Fritzsche die Kosten der Maßnahme. Das Projekt ist zunächst auf acht Monate angesetzt, kann aber bis auf 18 Monate verlängert werden. Die maximalen Kosten würden dann 740.000 Euro betragen. „Für das Geld hätte man mehr Notfallschlafplätze einrichten können“, sagt Fritzsche.

Auch von der Hamburgischen Landesstelle für Suchtfragen kommt Kritik. „Ich bin nicht sicher, wie effektiv diese Maßnahme ist“, sagt Sarah Kessler, Geschäftsführerin des Vereins. Eine weitere Gruppe von Akteuren am Bahnhof sorge eher für Verwirrung und nicht für ein besseres Zusammenspiel, vermutet sie. Der alternative Vorschlag der Landesstelle: eine Telefonhotline. Dorthin könnten sich An­woh­ne­r:in­nen bei Fragen oder Beschwerden wenden.

Gerade steht das Team vor einem der Bahnhofsausgänge. Zweimal sprechen Pas­san­t:in­nen die Männer in den blauen Westen an und fragen, wie man zu einem Gleis kommt. Freundlich erklären sie den Weg. „Ganz klar steht bei dieser Aufgabe der soziale Aspekt im Vordergrund und nicht die klassische Security­arbeit“, sagt einer der Sozialraumläufer.

Alle drei möchten ihre Namen nicht in der Zeitung lesen. Ihm mache die neue Aufgabe Spaß, sagt der eine, aber nicht allen Kol­le­g:in­nen falle die Umstellung leicht. Die Schichten am Bahnhof seien nur ein Teil ihrer Tätigkeiten – in den anderen Schichten arbeiteten sie weiter normal für die Sicherheitsfirma.

Eine Security-Firma kann nicht die Aufgabe von So­zi­al­ar­bei­te­r:in­nen übernehmen

Olga Fritzsche, Abgeordnete der Hamburger Linksfraktion

Die Sozialbehörde teilt auf taz-Anfrage mit, dass die So­zi­al­raum­läu­fe­r:in­nen an einer Schulung teilgenommen hätten. Dort sei ihnen unter anderem der Umgang mit Menschen aus dem Drogen- und Obdachlosenmilieu näher gebracht worden. Außerdem seien sie über die Hilfestrukturen der Stadt informiert worden.

Die Sozialraumläufer bestätigen, dass es zwei Vorbereitungstreffen gegeben habe. Dabei hätten sich aber vor allem die Akteure wie Polizei, Bahnhofmission und das Drob Inn vorgestellt. Um den richtigen Umgang mit den Menschen vor Ort sei es weniger gegangen.

Als Vorbild für die Maßnahme gilt unter anderem die Stadt Wien, die seit Jahren mehrere mit ähnlichen Aufgaben betraute Interventionsteams am Bahnhof und an Verkehrsknotenpunkten einsetzt. Auch dabei ist das Ziel, zwischen allen Interessengruppen zu vermitteln. Anders als in Hamburg haben die Mitarbeitenden aber Berufe mit psychosozialem Hintergrund.

„Klar muss man sich hier gegenseitig erst kennenlernen“, sagt einer der Sozialraumläufer. Noch hätten manche Menschen Berührungsängste mit ihnen. „Aber wir versuchen, die passende Hilfe für jeden zu finden.“ Der Hauptbahnhof sei wie ein Mikrokosmos, da müsse man sich als Neuer erst mal einfügen.

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3 Kommentare

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  • Zugang zu Bahnsteigen nur für Reisende mit Fahrscheinen, Reisezentrum von außen zugänglich und diese unsäglichen Shopping-Mall-Imitationen wegnehmen.

  • Damit hatte es in Berlin das Bezirksamt mal im Görlitzer Park versucht.

    Dort lief es auch nicht.

  • Ich finde, das klingt nach einem guten Ansatz, den man zumindest ausprobieren sollte. Ein Bahnhof ist in erster Linie ein Ort für Bahnreisene, der für diese sicher und angenehm sein sollte, und nicht ein Ort an dem Trinker und Konsumenten anderer Drogen offen ihrer Sucht nachgehen können oder ein Schutzraum für Obdachlose. Wer die Verkehrswende will, wer wirklich will, dass mehr Menschen vom Auto oder Flugzeug auf die Bahn umsteigen, der muss auch wollen, dass sich Reisende an Hauptbahnhöfen wohler fühlen, als das derzeit der Fall ist. Dafür muss man neue Wege gehen. Und wenn das bedeutet, dass Junkies, Trinker oder Obdachlose freundlich auf Hilfsangebote außerhalb hingewiesen werden und anderen geholfen wird, statt sie mit martialischer Security zu vertreiben, dann kann das ein guter Weg sein. Dafür braucht man keine Sozialarbeiter, die werden dort benötigt, wo den Betroffenen wirklich geholfen werden kann, aber dafür ist ei sowieso schon überlastet Bahnhof nicht der richtige Ort.