Wohlfühlen am Hamburger Hauptbahnhof: Securityfirma macht Sozialarbeit
Für Sicherheit und Ordnung am Hauptbahnhof setzt der Hamburger Senat „Sozialraumläufer“ ein. Die arbeiten bei einer privaten Sicherheitsfirma.
Die Sozialraumläufer:innen sind Teil des Maßnahmenpakets zur Verbesserung der Situation am Hauptbahnhof, das die Stadt Ende Februar vorgestellt hat. Seit Anfang März ist jeweils ein aus drei Personen bestehendes Team in zwei Schichten im Einsatz, insbesondere auf der Achse zwischen dem Bahnhof, dem Zentralen Omnibusbahnhof und dem August-Bebel-Park. Hier befindet sich auch die Kontakt- und Beratungsstelle Drob Inn mit einem Konsumraum für suchtkranke Menschen.
Die Aufgabe der Sozialraumläufer:innen ist es, zwischen allen zu vermitteln, die diesen öffentlichen Raum nutzen wollen, und dabei für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Sie sollen beispielsweise obdachlose und suchtkranke Menschen über umliegende Hilfsangebote informieren, sie aber auch auffordern, bestimmte Regeln einzuhalten. Doch Sozialarbeiter:innen sind die Sozialraumläufer:innen nicht – die Stadt beauftragte stattdessen eine private Sicherheitsfirma.
Daran gibt es Kritik. Die sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Olga Fritzsche, befürchtet, dass der Einsatz einer Sicherheitsfirma zur weiteren Verdrängung marginalisierter Menschen führe. „Eine Security-Firma kann nicht die Aufgabe von Sozialarbeiter:innen übernehmen“, sagt sie. Fritzsche zweifelt daran, dass die Menschen bei den Hilfsangeboten ankommen, wenn sie vom Bahnhof weggeschickt werden. Dadurch werde es für die Straßensozialarbeiter:innen schwieriger, ihre Klient:innen zu finden.
Lieber eine Telefonhotline
Außerdem kritisiert Fritzsche die Kosten der Maßnahme. Das Projekt ist zunächst auf acht Monate angesetzt, kann aber bis auf 18 Monate verlängert werden. Die maximalen Kosten würden dann 740.000 Euro betragen. „Für das Geld hätte man mehr Notfallschlafplätze einrichten können“, sagt Fritzsche.
Auch von der Hamburgischen Landesstelle für Suchtfragen kommt Kritik. „Ich bin nicht sicher, wie effektiv diese Maßnahme ist“, sagt Sarah Kessler, Geschäftsführerin des Vereins. Eine weitere Gruppe von Akteuren am Bahnhof sorge eher für Verwirrung und nicht für ein besseres Zusammenspiel, vermutet sie. Der alternative Vorschlag der Landesstelle: eine Telefonhotline. Dorthin könnten sich Anwohner:innen bei Fragen oder Beschwerden wenden.
Gerade steht das Team vor einem der Bahnhofsausgänge. Zweimal sprechen Passant:innen die Männer in den blauen Westen an und fragen, wie man zu einem Gleis kommt. Freundlich erklären sie den Weg. „Ganz klar steht bei dieser Aufgabe der soziale Aspekt im Vordergrund und nicht die klassische Securityarbeit“, sagt einer der Sozialraumläufer.
Alle drei möchten ihre Namen nicht in der Zeitung lesen. Ihm mache die neue Aufgabe Spaß, sagt der eine, aber nicht allen Kolleg:innen falle die Umstellung leicht. Die Schichten am Bahnhof seien nur ein Teil ihrer Tätigkeiten – in den anderen Schichten arbeiteten sie weiter normal für die Sicherheitsfirma.
Olga Fritzsche, Abgeordnete der Hamburger Linksfraktion
Die Sozialbehörde teilt auf taz-Anfrage mit, dass die Sozialraumläufer:innen an einer Schulung teilgenommen hätten. Dort sei ihnen unter anderem der Umgang mit Menschen aus dem Drogen- und Obdachlosenmilieu näher gebracht worden. Außerdem seien sie über die Hilfestrukturen der Stadt informiert worden.
Die Sozialraumläufer bestätigen, dass es zwei Vorbereitungstreffen gegeben habe. Dabei hätten sich aber vor allem die Akteure wie Polizei, Bahnhofmission und das Drob Inn vorgestellt. Um den richtigen Umgang mit den Menschen vor Ort sei es weniger gegangen.
Als Vorbild für die Maßnahme gilt unter anderem die Stadt Wien, die seit Jahren mehrere mit ähnlichen Aufgaben betraute Interventionsteams am Bahnhof und an Verkehrsknotenpunkten einsetzt. Auch dabei ist das Ziel, zwischen allen Interessengruppen zu vermitteln. Anders als in Hamburg haben die Mitarbeitenden aber Berufe mit psychosozialem Hintergrund.
„Klar muss man sich hier gegenseitig erst kennenlernen“, sagt einer der Sozialraumläufer. Noch hätten manche Menschen Berührungsängste mit ihnen. „Aber wir versuchen, die passende Hilfe für jeden zu finden.“ Der Hauptbahnhof sei wie ein Mikrokosmos, da müsse man sich als Neuer erst mal einfügen.
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