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Wochen der Proteste in ItalienLila Leute gegen Berlusconi

Lautstark demonstrieren die Menschen gegen die Sex-Exzesse ihres alternden Premiers Silvio Berlusconi. Heftig und mächtig soll es in den nächsten Wochen weiter gehen.

Unzufriedenheit: die Italiener in Florenz ertragen den eigenen Staatschef nicht mehr. Bild: dpa

ROM taz | Italien steht eine mächtige Welle öffentlichen Protests gegen Silvio Berlusconi ins Haus. Für die nächsten zwei Wochen sind im ganzen Land Kundgebungen und Demonstrationen angesetzt, um den wegen Nötigung und Sex mit einer Minderjährigen Angeschuldigten aus dem Amt zu jagen.

Einen ersten Vorgeschmack gab es am Wochenende, als in Florenz hunderte Menschen, bewaffnet mit Töpfen und Kochlöffeln, einen Heidenlärm veranstalteten; das Transparent an der Zugspitze verkündete: "Italien ist kein Bordell." In Mailand demonstrierten mehrere tausend Personen, die als Zeichen der Trauer weiße Schals trugen.

Doch die eigentliche Woche des Zorns wird am nächsten Samstag beginnen. Unter dem Motto "Tritt zurück: für ein gerechteres Italien" wird in einem Mailänder Sportpalast eine Großkundgebung stattfinden, zu der Zehntausende kommen dürften. Als Redner sind unter anderem die Schriftsteller Roberto Saviano und Umberto Eco angekündigt. Am Sonntag will das "Popolo viola" – die vor einem Jahr entstandene Anti-Berlusconi-Bewegung der "Lila Leute" – in Arcore demonstrieren, direkt vor der Villa, in der der Ministerpräsident seine Sexpartys veranstaltete. Mit einem Wortspiel, das den Namen des Orts aufnimmt, spricht das Popolo viola von der "letzten Haltestelle Hard-core", die für Berlusconi erreicht sei.

Für den 13. Februar haben die bekannten Journalisten Marco Travaglio und Michele Santoro zu einem Sit-in vor dem Mailänder Justizpalast aufgerufen. Und ebenfalls für den 13. hat ein Komitee zahlreicher Frauen aus Medien, Wissenschaft, Kultur und Politik zu Großdemonstrationen im ganzen Land unter dem Slogan "Wenn nicht jetzt, wann dann?" aufgerufen. "Das von einem der höchsten Repräsentanten des Staats zur Schau gestellte Modell der Beziehung zwischen Frauen und Männern legitimiert Verhaltensweisen, die die Würde der Frauen ebenso wie die Würde der Institutionen verletzen", heißt es in seinem Appell.

Berlusconi scheint zu merken, dass der Wind sich dreht. Von Neuwahlen will er plötzlich nichts mehr wissen; stattdessen bietet er der Opposition jetzt einen Pakt für Stabilität und Wachstum an, ohne Aussicht auf Erfolg. Auch von den Bürgern missbilligt eine Mehrheit den Orgienpremier, wie eine Umfrage von La Repubblica zeigt. Nur die Untergruppe der strammen Katholiken hält noch zu ihm - trotz seines übervollen Sündenregisters.

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6 Kommentare

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  • N
    neuhaus

    die wirtschaft wächst wie frankreich etwa, im schatten noch mehr, in italien haben jugendliche meist einen schwarzjob, also ist die jugendarbeitslosigkeit gering. in italien gründen viele ausländer unternehmen, schaffen jobs, sie sind nicht häufiger arbeitslos als der schnitt, sie sind gut in schulen integriert. das alles nach wenigen jahren. in deutschland, im sarrazinland, werden sie in die sozialhilfe abgeschoben, obwohl sie hier geboren sind. es sieht also in italien ganz gut aus. zudem ist diese regierung nicht berlusconi allein, es gibt einen tüchtigen finanzminister, italien nährt sich neben deutschland am schnellsten wieder an die masstrichtkriterien an, einen guten außenminister, der vor jahren schon , allerdings allein, programme organisiert hat um nordafrika , gerade die jugend, zu unterstützen.

     

    es waren italiens richter, die vor 20 jahren ermittelt haben, meist wurde freigesprochen, also unschuldig. das wurde nie so fair aufgenommen, die dc verschwand, das ergebnis eben dieser spassvogel.

    mir wärde damals mehr nüchternheit und fairness lieb gewesen, dann gebe es noch die dc statt berlusconi.

     

     

    bg

     

     

    bg

  • T
    Thomas

    Das mit dem Privatleben stimmt für jeden Nicht-Politiker.

    Politiker allerdings können nicht den gleichen Anspruch auf Privatleben erheben wie irgendwer anders, ganz einfach weil ihre ganze Existenz (d.h. auch ihr Privatleben) zu ihrem Beruf zählt und Spiegel ihrer politischen Haltung ist. Das wussten schon Marc Aurel, Seneca und sogar der olle Sokrates-Platon.

    Da kommt man als Politiker nicht drumherum, so wie man als Inhaber einer Machtposition noch nie um die Ver-Öffentlichung des eigenen Privatlebens herum gekommen ist (und das ist verdammt gut so!), ganz einfach weil man ja keine private, sondern eben eine öffentliche Macht inne hat. Die hat man sich nicht selbst gebaut oder irgendwo gewonnen, denn selbst in Diktaturen waren diese Machtpostitionen schon vorher da. Und weil die schon vorher da waren und auch hinterher noch da sein sollen, gibt es machtvolle Interessen an der Bewahrung und Kontrolle dieser Positionen und d.h. auch: Interesse an ihrer würdevollen Nutzung, ihrer Nicht-Beschmutzung und ihrer Wahrung. Ein wesentliches Kontrollelement ist dabei eben das Privatleben des Positionsinahbers und das ist auch recht und billig, denn so wie Inhaber politischer Positionen das Privatleben aller beeinflussen, beeinflusst das Innehaben politischer Positionen eben auch das (Politiker-eigene) Privatleben und zwar tutti completti.

     

    Kurz gesagt kann man als Politiker nicht verlangen, daß Leben aller steuern zu dürfen und sich gleichzeitig privat immunisieren zu wollen. Der privat-immunisierte Politker ist nämlich eben der schlimmste Tyrann (mindestens potentiell, denn man weiß ja nicht, was er privat macht) und Spiegel einer total isolierten Gesellschaft: ein Volk, das sagt "ist mir egal, daß der Herr/ die Frau Präsident zum Vergnügen Menschen erniedrigt/ausbeutet/erschießt usw." ist demenstsprechend eine nicht weniger tyrannische und un-öffentliche Gesellschaft; vor allem aber eine Gesellschaft, deren Öffentlichkeit ziemlich armselig sein dürfte.

  • R
    Rom98

    Ich lebe seit 12 Jahren in Italien und bin am Privatleben des Herrn B in keiner Weise interessiert. So, wie mich im uebrigen auch das Privatleben anderer Leute nicht interessiert.

    Problematisch wird es aber dann, wenn das Private und das Oeffentliche nicht mehr sauber getrennt oder gar voellig vermischt werden, und eben das ist im Falle der juengsten Skandale eingetreten. Diese Vermischung wurde nicht von der boesen Presse oder den boesen Staatsanwaelten vorgenommen, sondern von Herrn B selbst:

    1. Er rief persoenlich, aber in seiner Eigenschaft als Regierungschef, die Polizeistation in Mailand an, um die wegen Diebstahls festgesetzte Ruby Rubacuori (uebers. Herzensbrecherin)freizulassen.

    2. Er selbst hat sich der Erpressung durch 17 bis 25jaehrige Prostituierte ausgesetzt. Die jungen Damen praesentieren naemlich jetzt das Konto (oder auch die Konten). Das pikante dabei, es geht garnicht nur um Geld (das koennte Herr B ja noch aus eigener Tasche zahlen), sondern um Sitze im Parlament oder, fuer die besonders ambitionierten, um ein Ministerpoestchen. Zwei der Damen waren vor den letzten Europawahlen schon fats am Ziel: Herr B wollte sie als Kandidatinnen auf den voderen Plaetzen seiner Liste, damals verhinderte nur der Zorn der Noch-Ehefrau, dass die Erpressung Fruechte trug.

    Also nicht nur Sex fuer Geld sondern Sex fuer oeffentliche Posten. Na, Neuhaus, immer noch der Meinung das sei Privatsache?

     

    Uebrigens, beweisen kann man natuerlich alles immer erst in einem Prozess. Solange Herr B sich eben diesem Prozess verweigert (dem Sie, Herr Neuhaus, sich nie verweigern koennten, man wurde Sie mit Polizeigewalt hinschleppen), ist es uebrfluessig sich staendig darueber zu erregen, dass nichts bewiesen ist.

  • K
    kopfschüttler

    @neuhaus

     

    Berlusconi hat für sein Land gutes geleistet?

    Was konkret meinen Sie denn damit?

     

    Wenn ich zurück denke fallen mir spontan keine positiven Errungenschaften unter dem "Cavaliere" ein.

     

    Und man sollte schon klar differenzieren zwischen einem Clinton, der eine angeblichen Affäre mit seiner erwachsenen Praktikantin gehabt haben soll und einem Greis der seine Machtposition ausnutzt um sich minderjährige Mädchen auf Parties bringen zu lassen um dann nachher auch noch frech zu behaupten, Geld habe er ihnen nur gezahlt, weil er so Mitleid mit ihnen hatte.

     

    Da wird mir schlecht. Und mit Privatleben hat das meiner Meinung nach nichts mehr zu tun. Nicht, wenn ein ganzes Land darunter zu leiden hat.

     

    Hexenjäger...ich kann´s ja immer noch nicht glauben!

  • L
    Lilalustig

    Nichts bewiesen? Seit Jahren verschleppt, Mister B, Gerichtsverfahren wegen Korruption, Mafiagschäften und Steuerhinterziehungen. Das es nun sein Privatleben ist, das ihm Probleme macht bzw. Angreifbar macht, kann zwar als nicht die feine politische Art bewertet werden, aber immernoch besser, als das er noch weiter regiert.

     

    Politisch Erfolge hat Berlo auch nicht zu verbuchen, die Wirtschaft stakniert, Arbeitslosigkeit (besonders unter Jugendlichen) steigt, rassistischen Übergriffe nehmen zu. Ausländer werden massiv diskriminiert.

     

    Ich sehe hier jedenfalls keine gute leistung, wie neuhaus.

     

    Es wird Zeit, dass Berlusconi zum Rücktritt gezungen wird, und endlich die Verfahren abgeschlossen.

  • N
    neuhaus

    nicht bewiesen. braunsches krudes rechtsverständnis. hexenjäger. berlusconi hat für sein land gutes geleistet, gute leute aufgestellt, tremonti, frattini etc. wenn fakten und nicht ideologien interessieren weiß das.

     

    privatleben bleibt zudem privatleben, clinton war auch ein guter präsiden trotz....

     

    bg