Wissensportal für LGBTI-Personen: Bundesregierung klärt auf
Die Familienministerin stellt das „Regenbogenportal“ zu geschlechtlicher Vielfalt vor – und überrascht mit einer Reform des Transsexuellengesetzes.
Die Inhalte wurden vom Verein ABqueer erstellt, der im Bereich Bildungsarbeit und Beratung zu den Themenfeldern Geschlecht und Sexualität angesiedelt ist. „Der Bundesadler auf dem Projekt bringt eine Seriosität, die ein Verein vielleicht nicht erreichen kann“, so Giffey, die bei der Veranstaltung Schuhe in Regenbogenfarben trug. „Für uns liegt die Seriosität darin, dass wir Partner haben, die sich täglich mit diesen Themen beschäftigen.“
Auch Sascha Rewald von Lambda betont, wie wichtig es sei, dass das Portal von der Bundesregierung angeboten wird: „Die Beratungsstellen sind vollkommen überlastet. Einige Fragen, die Betroffene und Unterstützer haben, können durch das Portal schon abgedeckt werden.“ Er fordert mehr Kapazitäten für LGBTI-Beratungsstellen.
Bislang sind 90 Texte auf der Homepage verfügbar. Einige Themen sind dabei deutlich unterrepräsentiert. Lässt man sich Informationen und Materialien zum Thema Bisexualität anzeigen, sind die allermeisten angezeigten Texte die, in denen Bisexuelle lediglich zusätzlich zu Schwulen und Lesben genannt werden. Ein einziger Text mit dem Titel „Bisexuelle – nicht homo, nicht hetero, nicht sichtbar?“ behandelt knapp die spezifische Situation von Bisexuellen. Darin wird eine „geringe Präsenz von Bi-Themen in den meisten LSBT-Organisationen“ angeprangert. Ansonsten wird lediglich eine Studie zur Arbeitssituation von bisexuellen Beschäftigten in Deutschland verlinkt.
Die psychologische Begutachtung entfällt
Die „geringe Präsenz von Bi-Themen“ schlägt sich also auch auf dem Regenbogenportal nieder. Über die Themen Lesbisch- und Schwulsein sowie Trans- und Intergeschlechtlichkeit sind deutlich mehr Wissensressourcen abrufbar als über Bi-Themen. Giffey verspricht: „Das Portal ist nie so richtig fertig, es wird mehr Material dazukommen.“ Positiv ist, dass zentrale Inhalte der Seite ebenfalls auf Englisch, Arabisch, Türkisch und Spanisch sowie in Leichter Sprache verfügbar sind und so auch nicht Deutsch sprechende Menschen erreicht werden können. Demnächst sollen auch in deutsche Gebärdensprache übersetzte Informationen zur Verfügung gestellt werden.
Von der taz auf konkrete Gesetzesvorhaben zur Verbesserung der Lebenssituation von LGBTI-Personen angesprochen, überrascht Giffey die Anwesenden mit der Ankündigung, dass es bereits in diesem Monat einen Kabinettsbeschluss zur Reform des Transsexuellengesetzes (TSG) geben soll. „Wir sind ganz schön weit, es sieht sehr sehr gut aus.“ Federführend ist das Justizministerium, auch Seehofers Innenministerium ist an der Neuregelung beteiligt. Details zu den konkreten Inhalten wollte Giffey noch nicht nennen.
Das Onlinemagazin Buzzfeed veröffentlichte am späten Mittwochabend jedoch einen internen Referentenentwurf des Justiz- und des Innenministeriums, der zuvor an mehrere Fachverbände versandt wurde. Für die Änderung des Geschlechtseintrags und des Vornamens ist laut Entwurf weiterhin ein gerichtlich geführtes Verfahren notwendig. Die psychologische Begutachtung entfällt, eine Beratung ist allerdings verpflichtend.
Die Bundesvereinigung Trans* kritisiert den Gesetzentwurf daher gegenüber Buzzfeed scharf: „Mit Selbstbestimmung hat dieses Gesetz gar nichts zu tun. Laut Gesetzesbegründung bleiben die Berater*innen die gleichen wie zuvor – inhaltlich ändert sich kaum etwas.“
Mit Kritik rechnet Giffey auch für das Regenbogenportal – allerdings von anderen Akteuren. „Bestimmt werden manche Gleichstellungsgegner einen Shitstorm lostreten, das ist im Netz hemmungslos und ätzend.“ Ihre Strategie: Aushalten und vorbeiziehen lassen. „Wir wissen, wofür wir stehen und werden uns nicht beirren lassen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern