piwik no script img

WissenschaftsethikEinsatz für ein ziviles Bremen

Die Trennung ziviler und militärischer Forschung fordert eine Initiative von der Uni. Linkspartei: Senat soll sich positionieren.

Fundstücke, die von Flüchtlingskatastrophen an den EU-Grenzen zeugen, werden in der Uni ausgestellt. Bild: Anna Gras

Eine klare Trennung zwischen ziviler und militärischer Forschung fordert die Initiative "Ziviles Bremen" in einer Erklärung, die sie vergangene Woche herausgebracht hat. 50 UnterzeichnerInnen hätten sich bereits angeschlossen, darunter auch ProfessorInnen der Uni, so ein Sprecher der Initiative, der nicht namentlich genannt werden möchte.

Wie Bremen zur technischen Perfektionierung von Grenzüberwachung und Flüchtlingsabwehr beiträgt, zeigt "Ziviles Bremen" mit einer Ausstellung in der Glashalle der Uni. Die Exponate: Fetzen eines Schlauchboots, Schwimmwesten, einzelne Schuhe - Fundstücke vom Strand der griechischen Insel Lesbos. Die Insel liegt auf einer der Hauptrouten, auf der Bootsflüchtlinge in die Europäische Union gelangen wollen. Beim Versuch überzusetzen, sterben jährlich Tausende Flüchtlinge.

Die Ausstellung informiert zudem über Bremer Akteure aus dem Luft- und Raumfahrtbereich, die die Forschung zur satellitengestützten Erdbeobachtung vorantreiben. Und damit auch die Möglichkeiten der Grenzüberwachung, so die Initiative. Die Liste reicht von Unternehmen wie EADS und OHB Technology, der gemeinnützigen Gesellschaft für Angewandten Umweltschutz und Sicherheit im Seeverkehr (GAUSS), der Koordinierungsstelle für EU-Raumfahrtprogramme CEON, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt bis zu ZARM, Hochschule und Uni.

An der Uni hatte im Juni die Ernennung der OHB-Geschäftsführer Christa und Manfred Fuchs zu "Ehrenbürgern und Förderern" zu Protesten geführt. Sie widerspricht dem so genannten Anti-Militär-Beschluss des Akademischen Senats von 1992: OHB produziert zivile und militärische Satelliten, die unter anderem vom deutschen Militär genutzt werden.

Als Reaktion auf die Proteste hatte das Rektorat vor einem halben Jahr eine "intensive Diskussion" der Frage, wie militärische und zivile Forschung zu trennen sind, angekündigt. Die Uni-Leitung plane für das Frühjahr eine Sondersitzung des Akademischen Senats, versicherte Uni-Sprecher Eberhard Scholz am Freitag. Die grundsätzliche Haltung sei aber eindeutig: "Militärische Forschung findet an der Uni nicht statt."

Positionieren muss sich nun auch der Bremer Senat. Die Linkspartei hat eine Anfrage zum EU-Satellitennetzwerk GMES eingereicht. Senat, Uni-, Hochschulinstitute und Bremer Unternehmen sind an dem EU-Projekt beteiligt. GMES soll Daten zur Umweltbeobachtung, aber auch zur Grenzüberwachung liefern. Nutzen will diese unter anderem die EU-Grenzschutzagentur Frontex. Die steht bei Flüchtlingsinitiativen wie Pro Asyl unter anderem für das Zurückweisen von Flüchtlingsbooten in der Kritik. Ob Bremen an dieser "menschengefährdenden Grenzsicherung eine Teilverantwortung trägt", will die Linksfraktion in ihrer Anfrage wissen.

GMES zeige, dass "Umweltforschung zunehmend zum Feigenblatt für Belange von Militär und Grenzüberwachung wird", so die Initiative "Ziviles Bremen". Um das zu verhindern, brauche es ein Bewusstsein darüber, wozu Technologien tatsächlich genutzt werden, so der Initiativen-Sprecher. Dieses Bewusstsein wachse bereits: "Wir haben auch zu Mitarbeitern von Unternehmen und Instituten Kontakt, die unser Unbehagen teilen."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!