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Wissenschaftsbeziehungen zu RusslandHeimlich weiter kooperiert?

Der Medizinprofessor Axel Haverich soll ein Forschungsprojekt in Russland angestrebt haben. Die Medizinische Hochschule Hannover prüft das nun.

Herzensthema Herzmedizin: Axel Haverich von der Medizinischen Hochschule Hannover im Jahr 2017 Foto: Holger Hollemann/dpa

Hamburg taz | Schmerzhaft, aber leider nötig: So war vor einem knappen Jahr die sehr einhellige Meinung in der deutschen Wissenschaftsszene, als nach dem russischen Überfall auf die Ukraine jegliche Kooperationen mit der russischen Wissenschaft eingefroren wurden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) beendete Kooperationen und gemeinsame Forschungsprogramme, Wissenschaftsorganisationen, wie etwa die Leopoldina, erklärten, ihre institutionellen Beziehungen zu Russland gestoppt zu haben.

Und auch die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) teilte ihren Mitarbeitenden mit, dass die aktiven Kooperationen zu unterbrechen und keine neuen zu schließen sind. Doch ein Professor ausgerechnet aus Hannover, ausgerechnet aus dem Bekanntenkreis von Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD), soll sich an die Direktive seines Arbeitgebers nicht gehalten haben.

Wie am Montag die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtete, soll sich der Herzchirurg Axel Haverich in Russland um eine Forschungsförderung von mehr als einer Million Euro beworben und diese Mitte vergangenen Jahres auch zugesagt bekommen haben. Die MHH wie auch das niedersächsische Wissenschaftsministerium, das ebenfalls Kooperationen untersagt hatte, erfuhren davon erst durch die FAZ.

Aufmerksam geworden ist die FAZ auf Haverich, weil sich die Universität St. Petersburg in einer Mitteilung darüber gefreut hatte, drei der begehrten „Mega-Grants“ gewonnen zu haben. Diese russischen Auszeichnungen honorieren anvisierte Forschungsprojekte und statten sie mit Preisgeld in Millionenhöhe aus. Haverich werde in Russland ein Labor zur Erforschung von Arteriosklerose aufbauen, hieß es.

Langjährige Verbindung mit Russland

Der 69-jährige Haverich ist ein vielfach ausgezeichneter Chirurg und Spezialist für Herztransplantationen. Schon sein Medizinstudium absolvierte er an der MHH, seit 1996 ist er Direktor der dortigen Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie.

Auch von langer Dauer sind Haverichs Kontakte nach Russland: Involviert war er 1996 an der Herz-OP des russischen Präsidenten Boris Jelzin, 2018 erhielt er eine Auszeichnung der russischen Akademie der Wissenschaften, auch publizierte Haverich gemeinsam mit russischen Wis­sen­schaft­le­r:in­nen Aufsätze – und tat das der FAZ zufolge auch noch nach Beginn des russischen Angriffskriegs.

Zwar erklärte Haverich, dass er die Zusammenarbeit abgelehnt habe. Ob das stimmt, zieht der Bericht aber in Frage. Da er aber kommenden Monat in Rente gehe, würde er, so Haverich, dann vielleicht als externer Berater das Forschungsprojekt betreuen. Die MHH jedenfalls erklärte bereits, die Vorwürfe prüfen zu wollen.

Mit Haverich steht nun ein weiterer Hannoveraner wegen seiner Verbindung nach Russland in der Kritik. Ex-Kanzler Schröder, zu dem Haverich ebenso wie zum Ministerpräsidenten Stephan Weil einen guten Draht haben soll, ist da mittlerweile nur der bekannteste Hannoveraner, bei dem ein Umdenken nach dem russischen Überfall kaum stattgefunden hat.

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1 Kommentar

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  • Ich halte es für falsch, sämtliche wissenschaftlichen Kooperationen mit russischen Organisationen zu beenden. Natürlich soll man die beenden, die militärisch nutzbar sind oder wo die Gefahr besteht, dass Forschungsgelder ins Militär fließen. Beim beschriebenen medizinischen Projekt sehe ich das nicht.

    Besonders wichtig wäre eine weitere wissenschaftliche Kooperation auch bei der Untersuchung und Beobachtung der riesigen sibirischen Landfläche bezüglich ihres Einflusses auf die Klimaentwicklung. Das Auftauen des sibirischen Permafrostbodens könnte einer der wichtigen Klimakipppunkte sein. Dies sollte unbedingt in Kooperation mit Forschen und Aktivisten vor Ort beobachtet werden.