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Wirtschaftsschäden durch VirusCrash nach Corona-Schock

Erst Corona, dann stürzt der Ölpreis ab, dann brechen die Kurse ein. Das ist keine Verkettung unglücklicher Umstände, sondern eine Krise der Ölbranche.

What the...! Wertpapierhändler an der Wall Street in New York am 9. März Foto: Timothy A. Clary/afp

Berlin taz | Am Montag durften die Computer an der Wall Street für 15 Minuten ihre Rechnerei einstellen: Nach Panikverkäufen am Beginn des Handelstags der wichtigsten Börse der Welt brachen die Kurse um mehr als 7 Prozent ein. Bei dem Wert gibt es eine automatische Zwangspause, damit sich die Gemüter beruhigen, wie die Analystin Jill Schlesinger auf CBS News kurz darauf erklärte. Am Montagvormittag gab es ähnliche Einbrüche auf anderen Börsenplätzen rund um die Welt, auch in Deutschland.

Am Dienstag haben sich die Märkte weltweit stabilisiert. US-Präsident Donald Trump hat ein Maßnahmenpaket gegen die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise angekündigt. Vorerst ein rein psychologischer Effekt, der allein schon ausreicht, weitere Panik zu verhindern. Für die breite Mehrheit der Menschen, die keine Wertpapiere besitzen, hat das Auf und Ab der Börsen und anderer Papiere wie Staatsanleihen ohnehin keine Auswirkungen.

Der Absturz am Montag hat mehrere Gründe, an deren Beginn das Coronavirus steht. Besonders China verbraucht seitdem deutlich weniger Öl, weil Fabriken stillstehen und der Verkehr vielerorts ruht. Die Ölförderer der Opec-Staaten drosselten deshalb die Förderung, Russland wollte am Wochenende nicht mitziehen, also platzte die Absprache. Am Montagmorgen war der Ölpreis so um 30 Prozent eingebrochen, das gab es zuletzt 1991 in so kurzer Zeit. Der saudische Konzern Saudi Aramco kündigte an, die Preise zu senken und noch mehr Öl zu fördern. Analysten sprachen von einem bewussten „Ölpreis-Krieg“ zwischen Russland und Saudi-Arabien.

Medien spekulierten, Russlands Präsident Wladimir Putin wolle sich an den USA für Sanktionen rächen und habe deshalb die Gespräche scheitern lassen: ein niedriger Ölpreis schade den US-Ölfirmen am meisten, die besonders teuer fördern und an Absprachen nicht gebunden wären. Eine sehr unwahrscheinliche Analyse, Putins Staatshaushalt hing 2014 zu 44 Prozent am Verkauf von Öl und Gas.

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Für den Crash an den Märkten kursierten unterschiedliche Erklärungen, die alle eine Rolle spielen dürften: „Es gibt keinen Zweifel, dass automatisierte Verkäufe durch Computer den Ausverkauf beschleunigt haben“, sagte etwa Marktanalyst Jeffrey Halley von der Handelsplattform Oanda. Außerdem ist es wohl schlicht Unverständnis; für die aktuelle Disruption des Welthandels aufgrund des Coronavirus gibt es kein historisches Beispiel, keine Schablone, nach der sich handeln ließe. „Die Leute werden verrückt. Sie verstehen die ökonomischen Einflüsse des ­Virus nicht und verkaufen einfach alles“, sagte Analystin Schlesinger.

Die Finanzanalystin Kathy Hipple vom Institute for Energy Economics and Financial Analysis in Cleveland, USA, geht einen Schritt weiter. Sie sieht auch ein strukturelles Problem der Ölindustrie. So sei die gesamte Fracking-Industrie in den USA in einer schrecklichen ökonomischen Verfassung. „Das Geschäftsmodell Fracking hat sich nie ausgezahlt“, sagt sie. Bereits vor dem Ölschock sei eine Welle von Pleiten unter den Firmen zu verzeichnen gewesen.

Es drohen Arbeitsplatzverluste

Ihr Institut analysierte die 30 wichtigsten Firmen, die in den USA seit zehn Jahren Öl und Gas fracken und maßgeblich dazu beigetragen haben, dass das Land heute von Ölimporten fast unabhängig ist. Bis auf wenige Ausnahmen würden alle diese Firmen permanent Verlust machen.

Allein der Ölgigant ExxonMobil habe 2019 11,7 Milliarden Dollar investiert. Alle hätten mit stabilen oder steigenden Ölpreisen gerechnet. Jetzt sinken sie. Die Auswirkungen seien noch nicht abzusehen. Vermutlich werde es aber zu Arbeitsplatzverlusten kommen, darunter in politisch umstrittenen Regionen, die in den kommenden US-Wahlen besonders umkämpft sein werden.

In Deutschland reagierten immerhin die Benzinpreise bereits auf das Überangebot. Der Durchschnittspreis für Super E10 in den 100 größten Städten hat in den vergangenen Tagen nachgegeben. Fachleute erwarten nun noch weiter fallende Preise. „Die Marktentwicklung macht sich auch beim Kunden an der Zapfsäule bemerkbar“, sagt ein Sprecher des Mineralölwirtschaftsverbands MWV. Die Kraftstoffsteuern bilden zwar einen unveränderlichen Sockel, doch die Ölkonzerne geben die Einkaufspreise ansonsten an die Verbraucher weiter.

Für die Aktienmärkte wagt derzeit angesichts der eskalierenden Coronakrise niemand eine Prognose. Nach ähnlich hohen Verlusten im Februar gab es ein paar Tage später aber wieder Rekordgewinne.

Mitarbeit: Finn Mayer-Kuckuk

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12 Kommentare

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  • EZB testete lt. AFP 9.3.2020 Heimarbeit all ihrer 3.700 Beschäftigten, auch für sensiblen Bereich Marktoperationen, Zahlungsverkehr. Angesichts dessen, was 9.3. 2020 an den Börsen geschah, keimt Vermutung, die EZB habe das aus anderen Beweggründen denn dem Coronavirus veranlasst. Vorteil dieser EZB Maßnahme. sie ist entlastet, wenn, angesichts massiven Aktienverkaufs durch die Saudis, diese verwundert anfragen, warum EZB monetär nicht interveniert, ihnen passable Kurse beim Verkauf garantiert? EZB Antwort: Keiner zuhause.

    Börsenanalytiker Dirk Müller Youtube Kanal meint, Saudi Arabien erlebt aktuell dramatisch Schieflage seines Staatshaushaltes wg. überbordender Verschuldung durch Waffensystem Import vor allem aus den USA angesichts bisheriger Alimentierung saudischer Gesellschaft.

    Deshalb hätten Saudis 9.3. im großen Stiel Unternehmensanteile weltweit an den Börsen veräußert, auf einen Schlag Cash zu generieren.

    Dass der Ölpreis unter 40 /Barrel sinkt macht ihnen nichts aus, sie produzieren unter 20 $/Barrel, während andere Ölmarkt Player bei unter 60 $ Verluste einfahren.

    General „Winter“ hat das NS Regime mit seiner Deutschen Wehrmacht Dezember 1941 vor Moskau bezwungen, General „Corona“ hat Potenzial, anders als der Demokrat Joe Biden, Donald Trump im US-Präsidentschaftswahlkampf 2020 zu bezwingen, weil die USA mit ihrem desaströsen Gesundheitssystem außerstande sind, anrollende Coronavirus Pandemie im eigenen Land zu managen. Bereits jetzt fehlen Daten zum Covid19 Virus US Ansteckungsgrad, bzw. werden diese womöglich von Trump Admiistration unterdrückt, weil diese Daten, mit einstigem Bundesinnenminister Thomas de Maizière in anderem Zusammenhang in Deutschland zu sprechen, die Bevölkerung beunruhigen könnten?

    www.presse.online/...00-beschaeftigten/

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Die Börsen: das weltweit größte Betätigungsfeld organisierten Zockens.

    Es bedarf wenig Phantasie, um sich auszumalen zu können, wie und wer subventioniert wird: Märkte, Wirtschaften, Unternehmen.

    Idiotie in Reinkultur.

    Nach Kommentar übergeben ...

    • 0G
      05158 (Profil gelöscht)
      @76530 (Profil gelöscht):

      ....Wenn die Börsenkurse fallen

      Wenn die Börsenkurse fallen,



      regt sich Kummer fast bei allen,



      aber manche blühen auf:



      Ihr Rezept heißt Leerverkauf.

      Keck verhökern diese Knaben



      Dinge, die sie gar nicht haben,



      treten selbst den Absturz los,



      den sie brauchen – echt famos!

      Leichter noch bei solchen Taten



      tun sie sich mit Derivaten:



      Wenn Papier den Wert frisiert,



      wird die Wirkung potenziert.

      Wenn in Folge Banken krachen,



      haben Sparer nichts zu lachen,



      und die Hypothek aufs Haus



      heißt, Bewohner müssen raus.

      Trifft’s hingegen große Banken,



      kommt die ganze Welt ins Wanken –



      auch die Spekulantenbrut



      zittert jetzt um Hab und Gut!

      Soll man das System gefährden?



      Da muss eingeschritten werden:



      Der Gewinn, der bleibt privat,



      die Verluste kauft der Staat.

      Dazu braucht der Staat Kredite,



      und das bringt erneut Profite,



      hat man doch in jenem Land



      die Regierung in der Hand.

      Für die Zechen dieser Frechen



      hat der Kleine Mann zu blechen



      und – das ist das Feine ja –



      nicht nur in Amerika!

      Und wenn Kurse wieder steigen,



      fängt von vorne an der Reigen –



      ist halt Umverteilung pur,



      stets in eine Richtung nur.

      Aber sollten sich die Massen



      das mal nimmer bieten lassen,



      ist der Ausweg längst bedacht:



      Dann wird bisschen Krieg gemacht.

      (unbekannt)

  • Alles klar machen zur Bankenrettung 2.0!



    Die 3 Cent Mineralölsteuer Aufschlag aus dem "Klimapaket" werden wohl nicht reichen. Dafür wird der Gag-Faktor dieser "Klimaschutz-Maßnahme" deutlich.

  • "Für die breite Mehrheit der Menschen, die keine Wertpapiere besitzen, hat das Auf und Ab der Börsen und anderer Papiere wie Staatsanleihen ohnehin keine Auswirkungen."



    Für derlei Sätze gehört der TAZ, weil wohl der geneigte Leser das gerne hört, der Kopf gewaschen.



    Schwnakungen und Verwerfungen hier haben stets massive Auswirkungen auf breite Bevölkerungsschichten. Da geht es um Zinssätze vom Mikrokredit bis Häuslesbauer. Da geht es um Arbeitsplätze und um Altersvorsorge. Verwerfungen hier treffen gerade die Armen am heftigsten.



    Gezeichnet wird aber in den Medien ein Bild von Börsenhändlern denen das letztlich am wenigsten ausmacht , da in der regel Best-Verdienende.

    Der Rest des Artikels ist exakt meine Meinung. Es trifft allerdings nicht nur die Fracker, sondern insbesondere die Ausrüster und auch die finanzierenden Banken die nun ein hohes Ausfallrisiko haben. Die Börsenabstürze dieser drei Sektoren gestern war atemberaubend. Es sei ein Blick auf die Kurse empfohlen, auf augewählte Hauptprotagonisten wie Apache, Occidental, Nat. Oilwell sowie Halliburton oder Schlumberger. Da geht die ganze von der Trump-Regierung gepamperte Ölindustrie (zumindest temporär) den Bach runter.

  • Keine Panik!



    Absturz der Börsen heist:



    zuvor virtuell erschaffenes Buchgeld/Giralgeld hat den Besitzer gewechselt.

    keine wirklichen Werte wurden "vernichtet"

    nur ein paar Zocker haben verloren, andere gewonnen.

    • @danny schneider:

      Keine Panik. Kursverluste bedeuten lediglich, dass Anleger momentan kein großes Interesse an Aktien haben. Mit einer Aktie erwerben sie nichts Virtuelles, sondern einen ganz realen Anteil eines Unternehmens, und dessen Wert wird selten durch ein Schnupfenvirus dauerhaft geschädigt, in vielen Fällen voraussichtlich sogar gesteigert.

      • @Gregor Tobias:

        Katastrophal sind auf diesem Hintergrund allerdings erfunden gesetzlich zugelassen Derivat Finanzprodukte, die häufig fremdfinanziert von Banken, Brokern erworben werden, deren Wert bei Unterschreitung (Bullen mit gesetztem Limit), Überschreitung (Bären mit gesetztem Limit) Kursen, unumkehrbar erloschen ist, die die Weltbörsen zu Spiel Casinos machen. Was institutionelle Anleger, Staatsfonds, Pensionsfonds, Hedgefonds abgestimmt, unabgestimmt mit Banken, Versicherungen, anderen Finanzdienstleistern wie BlackRock, ihrer monetären Masse geradezu einlädt, Kurse auf einen Schlag nach unten wie 9.3.2020 geschehen, oder nach oben durch alle gesetzten Limits zu jagen, genannte Derivaten Halter durch Derivaten Vernichtung aus der Kurve in die Verschuldung zu prügeln.

  • Das ist Peakoil. Seit den 70ern vorhergesagt und von Medien und Mainstreamökonomen verlacht. Das Problem: Die Förderung wird teurer (=real aufwendiger) und die Menschen können weniger zahlen. Es ist ja nicht so, dass alle Bedürfnisse gesättigt wären, die Leute können sie sich nur - trotz nicht-kostendeckender Ölpreise - nicht leisten. Der Mechanismus dahinter ist komplexer als es uns das Modell der Kartoffelmärkte weis machen will. Denn beim Öl geht es nicht darum, wieviel Menge zu welchem Preis gekauft wird, sondern darum, welcher Produktivitätsgewinn durch Energie möglich ist. Besonders klein ist das Verhältnis investierte Energie zu nutzbarer Energie bei Wind und Solar, weshalb sie Öl und Kohle nicht ersetzen können. Nach den Voraussagen der Systemtheorie wird sich die Weltwirtschaft auf einem niedrigeren Niveau einpendeln, bis ein neuer Crash das Niveau weiter senkt - theoretisch bis wir in der Steinzeit angekommen sind. Die drängendste Frage ist, ob der Kapitalismus mit Dauerrezession verträglich ist.

    • @ben99:

      Kapitalismus - ja



      Demokratie - nein

  • „Das Geschäftsmodell Fracking hat sich nie ausgezahlt“ Das war auch nie ein Geschäftsmodell sondern immer eine ökonomische Waffe, und die wird mit aller Wucht nach hinter losgehen, wenn sich die Chemiebrühe im Grundwasser verteilt.



    SARS-CoV-2 ist ein wahrer Segen für die Menschheit.

  • Die Reaktion der Börse zeigt, das dieses Instrument der gesellschaftlichen Steuerung völlig irrational ist und versagt. Die Finanzindustrie kommt daher als Zockerverein der komplett kopflos Gefühlen folgt. Dies kann eigenbtlich nur mit einer Transaktionssteuer beruhigt werden oder zúmindest einer Haltefrist für Finanzprodukte von einem halben Jahr. Da kein Unternehmen Geld für Millisekunden braucht ist dies zumindest zweckrational.