piwik no script img

WirtschaftskriseDer Aufstand der Zwerge

Drastische Umschlagsrückgänge müssen die Seehäfen in Niedersachsen verkraften. Jetzt wollen sie dem Hafenriesen Rotterdam Schweizer Spediteure abwerben.

Derzeit seltener verschifft: Porsches in Emden. Bild: dpa

Andreas Bullwinkel freut sich über "vielversprechende Neukontakte in die Schweiz". Die niedersächsischen Seehäfen hätten sich Ende voriger Woche auf einem Logistikforum "als echte Alternative in der Transportkette darstellen" können, berichtet der Geschäftsführer von "Seaports of Niedersachsen", der Marketinggesellschaft der neun Nordseehäfen zwischen Ems und Elbe.

Lange hätten sich die Schweizer Spediteure auf die Rheinmündungshäfen Antwerpen (Belgien) und Rotterdam (Niederlande) konzentriert. Nun aber habe sich die niedersächsische Hafengruppe "mit ihrem umfangreichen Leistungsportfolio auf die Landkarte der Logistikentscheider" im Alpenland gebracht, verkündet Bullwinkel zufrieden.

Der Versuch, als internationaler Konkurrent der beiden größten Häfen Europas aufzutreten, ist wenig mehr als ein Aufstand der Zwerge. Einen gemeinsamen Umschlag von 52.420 Tonnen im vorigen Jahr haben die niedersächsischen Häfen aufzuweisen - etwa drei Viertel des Umschlags in den bremischen Häfen, ein gutes Drittel von Hamburg, ein knappes Drittel von Antwerpen und gerade mal ein Achtel von Rotterdam.

Die Seehäfen in Niedersachsen haben die weltweite Wirtschaftskrise besonders deutlich zu spüren bekommen. Der Umschlag ist 2009 drastisch gesunken, wie Bullwinkel und Niedersachsens Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) auf der Jahrespressekonferenz am Montag in Oldenburg bekannt geben mussten. Einen Rückgang um durchschnittlich 16 Prozent gegenüber dem Jahr 2008 mussten sie vermelden. Vor allem der Ölumschlag und die Autoverladung sind deutlich gesunken.

Ein Minus von 17 Prozent auf rund 33,6 Millionen Tonnen muss der größte Seehafen Wilhelmshaven verkraften. Dadurch ergibt sich eine, wenn auch unerwünschte, Entlastung hinsichtlich der Verzögerungen beim Bau des 500 Millionen Euro teuren Jade-Weser-Ports. Der als Ergänzung zu Hamburg und Bremerhaven projektierte Tiefwasserhafen wird frühestens im Herbst 2011 und damit deutlich später fertig als geplant.

Zudem drohen weitere Verzögerungen durch ein Gerichtsverfahren um Mehrkosten. Das Papenburger Bauunternehmen Bunte hat vorige Woche Klage beim Landgericht Oldenburg gegen die Jade-Weser-Port-Gesellschaft eingereicht. Strittig sind Mehrkosten von 50 Millionen Euro sowie eine erste Tranche von 15 Millionen Euro.

Auch das ostfriesische Emden musste mit nur noch 3,6 Millionen Tonnen ein Minus von 18 Prozent hinnehmen - Hauptgrund ist der weltweite Einbruch im Automobilumschlag, der um 19 Prozent sank. Emden ist bislang Europas drittgrößter Im- und Exporthafen für Autos, unter anderem für alle Modelle von VW und dessen Töchtern. Zweistellige Verluste melden auch die sieben weiteren Häfen Papenburg, Leer, Nordenham, Brake, Oldenburg, Cuxhaven und Stade.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • FM
    Florian Müller

    Der Verfasser hätte vielleicht mal genauer hinschauen solen bei der Recherche. Zum einen waren es 52 Millionen Tonnen, die umgeschlagen wurden (der Autor vergaß die Mio-Angabe), zum anderen haben nicht alle der von ihm genannten Häfen ein zweistelliges Minus erwirtschaftet, sondern teilweise sogar Umschlagsvolumen hinzugewonnen.