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Wirtschaftsbehörde startet BürgerdialogWie weiter mit dem Hamburger Hafen?

Die Hamburger Senat befragt die Bürger, wie sich der Hamburger Hafen entwickeln sollte. Umschlagswachstum allein scheint keine Lösung mehr zu sein.

Das Maß der Dinge im Hamburger Hafen: Containerschiff Foto: Marcus Brandt/dpa

Hamburg taz | Die Hamburger Wirtschaftsbehörde will wissen, wie der Hafen in Zukunft aussehen soll. Mit einem Online-Dialog wendet sie sich nicht nur an Fachpublikum, Hafenwirtschaft und Umweltverbände, sondern an die ganze Stadtgesellschaft. Bis zum 10. November werden unter www.hafen2040.hamburg „Anregungen, Ideen und Vorschläge“ für einen neuen Hafenentwicklungsplan gesammelt.

„Der Hafen ist für uns von enormer wirtschaftlicher Bedeutung, aber eben auch Lebensraum und Identität“, sagt Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos). „Der Hafen geht uns alle etwas an.“ Er ist geografisch und ökonomisch das Herz Hamburgs; steht der Wind entsprechend, ist er überall zu hören; seine Abgase verteilen sich, wenn auch unmerklich, in der ganzen Stadt. Er frisst ganze Dörfer, bietet seit einiger Zeit aber auch Raum für stadtplanerische Fantasie.

„Ideen einzusammeln finde ich richtig“, sagt Henning Vöpel, ehemaliger Leiter des Hamburger Weltwirtschafts-Instituts (HWWI) und Direktor des Zentrums für Europäische Politik in Berlin. Bürgerbeteiligung sei mittlerweile ein Standardverfahren. Sie dürfe nur kein Feigenblatt sein. Norman Zurke vom Unternehmensverband Hafen Hamburg (UVHH), fragt sich, ob es einen Input gibt, „den ein Bürger geben kann, den jemand aus Fachkreisen nicht leisten kann“, ist im Übrigen aber gespannt auf die Ergebnisse.

Klar ist, dass sich die Rahmenbedingungen seit 2012, als der geltende Hafenentwicklungsplan verabschiedet wurde, stark verändert haben. Vöpel sieht die Notwendigkeit, Klimaneutralität herzustellen. Wenn das gelinge, könnte das dem Hamburger Hafen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. „Das hat das Potenzial, ein Gamechanger zu sein“, sagt Vöpel.

Klimaneutralität hat das Potenzial, ein Gamechanger zu sein

Henning Vöpel, Wirtschaftsprofessor

Der Wirtschaftsprofessor verweist auch auf geopolitische Veränderungen wie die chinesische Seidenstraßen-Initiative, die eine große Wucht entfalte. Sie verändere den Wettbewerb, indem sich chinesische Unternehmen in europäischen Häfen einkaufen. Dazu komme der Wunsch der Reedereien, sich an Hafenterminals zu beteiligen – so wie die chinesische Reederei Cosco an dem Hamburger Terminal Tollerort.

Norbert Hackbusch von der Linken in der Bürgerschaft findet die Beteiligung richtig, weil auf diese Weise Schifffahrtslinien an Hamburg gebunden wird. Zugleich hat sich aber die zu Teilen Hamburg gehörende Reederei Hapag Lloyd beim Tiefseehafen Wilhelmshaven eingekauft.

Die Macht der Reeder sei durch die von der Schifffahrtskrise erzwungene Konsolidierung der Branche gewachsen, sagt Vöpel. Gegen diesen Zuwachs an Marktmacht müsse ein Gegengewicht geschaffen werden. Die Häfen sollten vermeiden, in einen sehr teuren Wettbewerb gegeneinander einzutreten. „Wie können wir verhindern, zum Spielball zu werden?“, fragt Vöpel.

Hamburg sieht der Forscher in diesem Wettbewerb eher in einer schwachen Position. „Im Grunde hat Hamburg mit jeder Krise Marktanteile verloren“, sagt er. Der neue Hafenentwicklungsplan müsse das berücksichtigen. Prognostizierte der alte Plan trotz der Verwerfungen durch die Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008/2009 ein Umschlagswachstum von neun auf 25 Millionen Standardcontainer (TEU) bis 2025, rechnet eine 2020er-Studie der Hafenbehörde HPA mit elf bis 14 Millionen bis 2035. Im Vor-Corona-Jahr waren es 9,3 Millionen.

Für den Linken-Abgeordneten Hackbusch ergibt sich daraus die Frage, ob der Hafen tatsächlich so viel Fläche benötigt, wie er heute beansprucht, und ob sich damit nichts Besseres anfangen ließe. „Wir geben als Stadt viel Fläche her“, sagt Hackbusch, „das muss einen Sinn ergeben“. Das heißt, der Hafen müsste trotz der abzusehenden Automatisierung eine hohe Anzahl guter Arbeitsplätze bereitstellen.

Große Unwägbarkeiten im Umschlagsgeschäft

Unternehmervertreter Zurke mahnt, dass an die Flächeneffizienz im Hafen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürften. Das Umschlagsgeschäft sei mit großen Unwägbarkeiten behaftet, sodass Kapazitätsreserven vorgehalten werden müssten. Auch Zurke räumt ein, dass der Hafen sich der ökologischen Transformation stellen müsse. Um den Hafen wettbewerbsfähig zu halten, müssten Mieten, Pachten, Entgelte und Energiepreise gesenkt werden.

Wirtschaftsprofessor Vöpel vermutet, dass das nicht reichen werde. Er wirbt dafür, 30 Jahre in die Zukunft zu schauen. „Man muss den neuen Hafenentwicklungsplan groß genug denken im Sinne des Nachdenkens über ein neues Modell“, rät er. Nur so könne Hamburg wieder „vor die Kurve kommen“.

Was die Hamburger darüber denken, will die Wirtschaftsbehörde auswerten lassen und veröffentlichen. Die Ergebnisse des Online-Dialogs flössen ebenso wie die Ergebnisse aus Gesprächen und Workshops mit der Hafenwirtschaft, Gewerkschaften und Naturschutzverbänden in den neuen Hafenentwicklungsplan ein.

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