Wirtschaft nach Corona: Schnell viel grünes Geld

Der Thinktank „Agora Energiewende“ schlägt vor: 100 Milliarden für effiziente Industrie, mehr Erneuerbare und EU-Projekte.

Ein Symbol eines Elektroautos markiert einen Parkplatz neben einer E-Ladesäule

Davon bräuchte es für eine grüne Wende mehr Foto: dpa

Berlin taz | Schnell, dick und grün – so soll nach den Vorstellungen des Thinktanks „Agora Energiewende“ die Wiederbelebung der deutschen Wirtschaft nach der Coronakrise aussehen. Mit einem Paket von 100 Milliarden Euro wollen die ExpertInnen die Energieversorgung, die Industrie, den Verkehr, die Gebäude und die Infrastruktur auf grünen Wachstumskurs bringen und aus der Corona-Rezession auf den Weg zur geplanten Klimaneutralität einschwenken. Das Konzept „Der doppelte Booster“ ist ausdrücklich als „Impulspapier“ konzipiert und offen für weitere Vorschläge, es liegt der taz vor.

Mit den detaillierten Vorschlägen greift die Agora früh in die Debatte ein, wie die vielen Milliarden, die derzeit für den Wiederaufbau bereitgestellt werden, überhaupt ausgegeben werden sollen. Gleichzeitig sollen so die schlimmsten Auswirkungen der kommenden Rezession gemildert werden, die das Frühjahrsgutachten der Bundesregierung gerade vorhergesagt hat.

Und das Konzept will auch die Fehler der Vergangenheit vermeiden, wenn im nächsten Jahr das Wachstum wieder anspringen sollte. Für Agora-Chef Patrik Graichen ist klar: „Wir müssen so investieren, dass wir die Klimaneutralität 2050 im Blick behalten. Nur so vermeiden wir Fehlinvestitionen, die die nächste Wirtschaftskrise auslösen könnten.“

Im Einzelnen sollen die Maßnahmen umfassend sein, schnell umsetzbar, und das Kapital müsse frisch sein und nicht durch höhere Steuern oder Subventionsabbau gegenfinanziert werden. So solle der Staat 22 Milliarden einsetzen, um den Strompreis für Haushalte um 20 und für die Industrie um 25 Prozent zu senken, die EEG-Umlage solle um 5 Cent pro Kilowattstunde sinken. Der erhoffte Effekt: mehr Geld für Konsum und Investitionen, mehr Anreiz für den Umstieg auf stromintensiven Verkehr und Heizungen.

Geld für grüne Technik

15 Milliarden sollten nach den Agora-Vorstellungen in grüne Industrieanlagen fließen: Effizientere Anlagen wie CO2-arme Hochöfen, ökologisch produzierter Wasserstoff und eine neue grüne Stahlindustrie könnten bis zu 50 Prozent subventioniert werden. In die Bauwirtschaft solle der Staat weitere 20 Milliarden Euro pumpen: eine hohe Abwrackprämie soll Ölheizungen gegen elektrische Wärmepumpen austauschen. Die Hilfen sollen auch die Sanierung von Bundesgebäuden voranbringen und Gebäudesanierung im großen Maßstab seriell möglich machen.

Für den Verkehrsbereich sind ebenfalls 15 Milliarden eingeplant. Genaue Vorstellung wird die Agora Verkehrswende Mitte April präsentieren. Deren Chef Christian Hochfeld sagt aber bereits, das Kapital solle vor allem in Projekte fließen, die etwa Busse und Handwerksfahrzeuge modernisieren, öffentliche und private Pkw-Flotten umrüsten oder die E-Mobilität im ländlichen Raum unterstützen. „Hier könnte staatliches Geld schnell wirksame Impulse für wirtschaftliche Wiederbelebung und Verkehrswende setzen“, so Hochfeld.

Weitere 13 Milliarden Euro sieht Agora Verkehrswende für Investitionen in die Erneuerbaren vor. Beim Solarstrom müsste dafür der umstrittene Förderdeckel verschwinden und Anlagen auf Freiflächen gefördert werden; beim Wind sieht das Konzept Chancen für den forcierten Ausbau durch weniger Abstand zu Funkanlagen, bei der Verlängerung der Lebensdauer auf 30 Jahre oder beim Ersatz bestehender Anlagen durch neue, leistungsfähigere. Geld soll auch in neue intelligente Netze fließen, in die Fortbildung der Angestellten, Hilfen für Stadtwerke und in einen Eigenkapitalfonds, aus dem sich Start-ups bedienen können.

Schließlich soll Deutschland nach diesen Vorstellungen auch auf EU-Ebene groß einsteigen. Der Green Deal der EU-Kommission brauche neue Regeln für die Beihilfen und mit 15 Milliarden solle Deutschland gemeinsame europäische Projekte vorantreiben: Etwa den Aufbau von Batterieproduktion, eine neue Solarindustrie, grünen Wasserstoff und Stahl oder Ladestationen für E-Autos. Es gehe darum, nach den Sofortmaßnahmen ein Paket zu schnüren, das „auf einen Pfad mit einer Richtung bringt: Zukunftsfähigkeit“, heißt es.

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