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„Wir müssen den Feminismus aufmischen“

Die Männer hassende Feministin: Dieses Zerrbild hat sich lange hartnäckig gehalten. Doch heute prangt „We should all be feminists“ auf T-Shirts von Dior, Beyoncé ist Feministin, und selbst Ivanka Trump nennt sich so. Ein Gespräch mit Teresa Bücker und Emily Laquer über die Frage, wie viel Mainstream der Feminismus verträgt – oder sogar braucht

Mainstream ist sie in jedem Fall, doch kann Beyoncé auch ein feministisches Vorbild sein? Foto: Dina Litovsky/NYT/Redux/laif

Interview Dinah Riese

taz: Frau Bücker, Sie sind Chefredakteurin von Edition F, einem Online-Magazin für „Frauen, die ihre Karriere im Blick haben“ und „denen Selbstverwirklichung wichtig ist“. Sind Mainstream und Feminismus ein gutes Paar?

Teresa Bücker: Ich würde sagen: ein notwendiges Paar. Feministische Botschaften müssen mehr Menschen erreichen. Ich komme aus keinem besonders politischen Haushalt, habe in der Schule nichts über die Frauenbewegung gelernt. Wenn man mich mit 19 gefragt hätte, ob ich die Quote notwendig finde, hätte ich nein gesagt. Wenn es darum geht, feministisches Wissen gesellschaftlich zu verankern, stehen wir noch ganz am Anfang.

Frau Laquer, Sie sind Teil der Interventionistischen Linken, eines Zusammenschlusses der radikalen Linken. Suchen Sie nach dem linksradikalen Mainstream?

Emily Laquer: Ja und nein. Ich hasse die Nische. Als Linke und als Feminist*innen wollen wir mehr werden. Aber bei dem, was gerade als Feminismus gehypt wird, geht mir etwas verloren. In der 68er-Frauenbewegung ging es darum, die Gesellschaft aufzumischen und den Feminismus reinzutragen. Heute müssen wir eigentlich den Feminismus aufmischen und die Linke reintragen. Die Tomate würde heute auf Frauen wie Hillary Clinton geworfen.

Warum auf Clinton?

Laquer: Hillary Clinton hat die Wahl nicht verloren, weil sie eine Frau ist – sondern weil sie die Wallstreet ist. Clinton hat die radikale Marktentfesselung und Deregulierung mit vorangetrieben und damit die Solidarität mit den arbeitenden Frauen aufgekündigt. Deren Forderungen nach einer Krankenversicherung für alle oder sozialer Gerechtigkeit hat sie abgelehnt. So war sie zwar Frau, aber eben Kandidatin des Establishments.

Bücker: Ich glaube, was den Feminismus so stark macht, ist, dass er Ambivalenzen und Widersprüche aushält. Man kann Hillary Clinton als Symbol für Frauen sehen und gleichzeitig ihre Politik nicht gut finden. Das ist widersprüchlich, aber es geht zusammen.

Laquer: Aber Clinton eignet sich nicht als feministisches Vorbild. Ich feiere den Queerfeminismus von unten, der sich gegen die Macht auflehnt, wie die Queers, die beim CSD in München den CSU-Wagen blockiert haben. Ein geiles Zeichen gegen den Ausverkauf des CSD.

Nehmen wir mal Beyoncé: Bei den MTV Music Awards 2014 prangte hinter ihr in großen weißen Lettern: „Feminist“. Ihr Album wurde zum feministischen Manifest erklärt. Ist sie ein Vorbild?

Laquer: Vielleicht könnte die Tomate auch auf Beyoncé geworfen werden. Ihre Marke, Ivy Park, wird von Frauen in Sweatshops in Sri Lanka produziert, die Arbeits­bedingungen gleichen moderner Sklaverei. Klar: Sie hat sich den Weg nach oben gekämpft als schwarze Frau, die für sexuelle und finanzielle ­Unabhängigkeit steht. Aber Feminismus muss eben auch mit einer solidarischen Praxis gefüllt werden.

Bücker: Beyoncé spielt aber noch mal eine ganz besondere Rolle für schwarze Frauen in den USA und weltweit. Deswegen finde ich schwierig, dass immer sie als Beispiel für den Ausverkauf des Feminismus herangezogen wird. Zur Zeit wird ja überall Empowerment und Girl power draufgeklebt. Tatsächlich fehlen aber die Fragen, was das eigentlich bedeutet. Trotzdem erzeugt das eine Anschlussfähigkeit, die jüngere Frauen und Mädchen vielleicht dazu bringt, sich mit den politischen Ideen dahinter zu beschäftigen.

Funktioniert das: der Schritt vom Oberflächlichen in die Tiefe?

Bücker: Bei Edition F haben wir den Anspruch, unsere Leserinnen über den Mainstream letztendlich politischer und vielleicht auch linker zu machen. Hier in Deutschland beobachten wir, wie selbst Mainstream-Medien sich immer mehr mit feministischen Themen beschäftigen und sich dabei von eher unreflektierten, soften Positionen aus weiterentwickeln.

Laquer: Aber das, was ich auf eurer Webseite sehe, ist etwas ganz anderes. Vielleicht kann Beyoncé eine Einstiegsdroge sein, und vielleicht ist es gut, dass ihr Feminismus auf einer so großen Plattform verbreitet wird. Aber dann müsste der Aufruf zu Widerstand und Solidarisierung folgen. Ich sehe nicht, dass Edition F das macht.

Emily Laquer

Jahrgang 1987, ist Aktivistin der Interventionistischen Linken, eines Zusammenschlusses der radikalen Linken. Sie war Sprecherin der IL während der G20-Proteste 2017.

Wie meinen Sie das?

Laquer: Edition F ist eine profit­orientierte GmbH. Ein Ticket für euren Female Future Force Day kostet 300 Euro. Das kann sich eine alleinerziehende Mutter überhaupt nicht leisten. Ihr macht Karrierecoachings für die, die es sich leisten können. Das ist ein neoliberaler Elite- und Karrierefeminismus der 1 Prozent.

Was ist der „Female Future Force“-Day?

Bücker: Das war eine Konferenz, die wir organisiert haben und die ganz klar einen Fokus auf Karriere hatte. Edition F ist ein ziemlich komplexes Gebilde. Die „Female Future Force“ ist ein eigener Bereich, der nicht zur Redaktion gehört, und nicht unbedingt deckungsgleich mit dem, wofür ich als Person stehe. Darüber streiten wir auch. Wäre die Konferenz nur von der Redaktion geplant worden, wären mehr politische und gesellschaftliche Themen im Programm gewesen. Das war dieses Mal aber nicht der Anspruch.

Und warum macht ihr es nicht anders?

Bücker: Die Frage ist doch: Wie finanziert man ein feministisches Medium heute? Letztes Jahr haben wir eine politische Veranstaltung versucht – es gab kein einziges Unternehmen, das uns sponsern wollte. Dann haben wir den Titel zu „Life-changing moments“ geändert. Die Speakerinnen waren genau die gleichen, aber plötzlich haben wir Sponsoren gefunden.

Laquer: Die Sponsoren sind Teil des Problems. Bei euch ging die Liste von Adidas, die in Bangladesch in Sweatshops produzieren, zu Mercedes Benz, die mit ihren Abgasmanipulationen organisierte Kriminalität betreiben und deren Lkws von der türkischen Armee gegen die kurdischen Kämpferinnen der YPG eingesetzt werden. Das sind falsche Freunde des Feminismus

Es kann also keinen richtigen Feminismus im falschen System geben?

Laquer: Die Welt wäre nicht gerechter, wenn die reichsten Menschen der Welt Frauen wären. Es kann vielleicht einen Kapitalismus ohne Patriarchat geben, aber niemals einen Kapitalismus mit Gerechtigkeit. Unser Ziel ist nicht, dass Jeff Bezoz, Chef von Amazon und der reichste Mann der Welt, von einer Frau abgelöst wird. Wir kämpfen an der Seite der Amazon-Arbeiterinnen für ihre Rechte.

Bücker: In einigen Bereichen sehe ich schon viel Bewegung. Ich glaube zum Beispiel, dass sehr viele Menschen verstanden haben, dass es diese „Vereinbarkeit“ von Familie und Beruf nicht gibt, und dass die Lösung nur sein kann, dass wir alle sehr, sehr viel weniger arbeiten. Es könnte gesellschaftlich viel mehr passieren, wenn wir nicht alle so in Erwerbs- und Care-Arbeit eingebunden wären.

Teresa Bücker

Jahrgang 1984, ist Netzaktivistin und Chefredakteurin des Online-Magazins Edition F, das sich als das „digitale Zuhause für starke Frauen“ versteht.

Und wie bekommt man die Mainstream-Bewegung hin?

Laquer: Nehmen wir mal #MeToo: Das war groß, und ich glaube, vielen ist gar nicht klar, wie radikal das war. Leute wie Weinstein haben über Jahrzehnte Frauen missbraucht, und alle wussten es, und alle haben weggeguckt. Und jetzt hat das Konsequenzen – von Dieter Wedel über den Literaturnobelpreis zu Kevin Spacey, der aus Filmen rausgeschnitten wird. Deren Zeit ist vorbei.

Bücker: Und gerade da wird deutlich, wie Feminismus im Mainstream angekommen ist. Die meisten Frauen haben einfach die Schnauze voll.

Viele Frauen, die bei #MeToo mitgemacht haben, sind danach heftig angegangen worden. Das muss man erst mal aushalten können.

Bücker: In den USA nutzen die prominenten Frauen ihr Geld jetzt, um denen zu helfen, die sich eine rechtliche Vertretung nicht leisten können. Eine analoge Entwicklung in Deutschland sehe ich nicht. Dabei würde es unserer Justizministerin Katarina Barley gut stehen, das Verbandsklagerecht auf den Weg zu bringen. Denn Frauen, die sich arbeitsrechtlich gegen Übergriffe wehren, stehen mit den Kosten allein da – und viele lassen es deswegen sein.

Laquer: Niemand hat gesagt, dass es leicht ist, die Welt zu verändern. Natürlich wird man angegriffen als Frau, die es wagt, den Mund aufzumachen. Ich bin nach G20 in den sozialen Medien extrem sexistisch angegriffen und beleidigt worden. Aber wir müssen trotzdem laut bleiben, es gibt ja keinen anderen Weg.

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