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Wir lassen lesen5 x Gerd Müller

■ 35 Jahre Bundesligageschichte: Eine Historie der Begebenheiten und Zahlen

Die SpVgg Unterhaching oder der SSV Ulm sind noch nicht vertreten in dem lehrreichen Buch „Von grauen Mäusen und großen Meistern“, aber dafür sind ansonsten alle da, die von 1963 an dafür sorgten, dass die vormals „beste Liga der Welt“ selten langweilig wurde. In 45 Vereinsporträts, von Alemannia Aachen bis zum Wuppertaler SV, wird die Geschichte der Bundesliga präsentiert, und man hätte kaum geeignetere Mannschaften finden können, um die ganze Sache einzurahmen. Denn es sind nicht unbedingt die sattsam bekannten Teams wie Bayern München, Hamburger SV, VfB Stuttgart etc., die den Reiz des Buches ausmachen, sondern die Verschwundenen und Vergessenen der Liga.

Die Aachener Alemannia zum Beispiel, die ihre Nichtberücksichtigung bei der Gründung der Bundesliga auf ein Kölner Komplott zurückführte und später doch ein kurzes Gastspiel gab; die Wuppertaler mit ihrer flüchtigen Blütezeit Anfang der siebziger Jahre; die Braunschweiger Eintracht, Meister von 1967, deren Aufnahme alle anderen auf ein Komplott zurückführten; Preußen Münster, Borussia Neunkirchen, Tasmania 1900, der FC Homburg oder Blau-Weiß 90, die „kapitalistische Insel im sozialistischen Meer“, wie Autor und Herausgeber Hardy Grüne hübsch formuliert. Jeweils acht Seiten stehen den insgesamt 17 Autoren zur Verfügung, um die Vereine – oftmals ihre Vereine – ins rechte Licht zu rücken, entstanden ist eine kurzweilige Sammlung von Anekdoten, Erinnerungen, Fakten und Mythen.

Diese lässt sich trefflich ergänzen durch das ebenfalls beim Agon-Sportverlag in der Reihe „Enzyklopädie des deutschen Ligafußballs“ erschienene dreibändige Werk „35 Jahre Bundesliga“. Da blickt einem zum Beispiel auf Seite 10 des zweiten Bandes ein schmächtiger, etwas verhuscht dreinschauender Lockenkopf entgegen. Sein Name: Klaus Toppmöller, dem die Ehre dieses ikonografischen Auftritts zuteil wird, weil er in der Saison 1975/76 Bayern Münchens Sepp Maier fünf Tore ins Netz praktizierte. Jede Spielzeit wird kurz zusammengefasst, der jeweilige Meister porträtiert und unter dem Stichwort „Abseits“ werden eine Reihe teils witziger, teils trivialer, teils absurder Begebnisse dargeboten.

Den Kern der Bücher macht jedoch die Statistik aus. Die Platzverweise sind ebenso aufgelistet wie die Eigentore, alle Mannschaften werden mit vollständigem Kader und einem Foto vorgestellt, schließlich gibt es die komplette Statistik jedes Spieltages. Die Historie der Begebenheiten in „Graue Mäuse und große Meister“ wird hier durch die Historie der Zahlen gespiegelt.

Besonders apart die lapidaren Überschriften, mit denen die zentrale Botschaft des jeweiligen Spieltages vermittelt wird. „5 x Gerd Müller, 3 x Rummenigge“, wird die 5. Runde am 11. 9. 1976 charakterisiert, dahinter verbirgt sich ein 9:0 der Bayern gegen Tennis Borussia. Eine Woche später sind die Münchner schon wieder an der Reihe: „Unnachahmliche Bayern: Vom 0:4 zum 6:5“. Das Spiel in Bochum lässt ahnen, dass es mit der Stabilität beim Europacupsieger in diesem Jahr nicht zum Besten steht, was die Überschrift zu Spieltag 9 nachdrücklich unterstreicht: „Bayern-Debakel gegen Schalke – 0:7“. Überflüssig zu erwähnen, dass Franz Beckenbauer in dieser Saison auch bei den Eigentorschützen auftaucht und Bayern am Ende bloß auf Platz sieben landet.

Unvergessen das Jahr der Torfluten. Am 2. Spieltag 77/78 geht es los: „Viermal Gerd Müller ...“ (beim 4:2 gegen St. Pauli), eine Woche später geht es weiter: „... und sechsmal Dieter Müller“ (beim Kölner 7:2 gegen Werder). Am 14. Spieltag kommt es knüppeldick: „MSV-Verteidiger Dietz erzielt 4 Tore“ (Ist wirklich wahr, beim 6:3 gegen Bayern), und ein dicker Brocken Fußballgeschichte sind die fünf Tore von Jupp Heynckes am letzten Spieltag. Die verabreichte er Otto Torhagels Borussia Dortmund beim 12:0 der Gladbacher, das aber doch nicht zum Titel reichte. Meister wurde der 1. FC Köln.

Bevor man sich nach diesem stichprobenhaften Ausflug in die Siebziger dem Band 3 beigelegten Spieler-ABC widmet, in dem sämtliche Akteure, die jemals in der Bundesliga tätig waren, mit Geburtsdatum und ihren Vereinen aufgelistet sind, ein schneller Blick auf den letzten dokumentierten Spieltag der 35-jährigen Statisterei: „Gladbach jubelt, Tränen in Köln und Karlsruhe“. Irgendwie auch schon wieder überholt. Matti Lieske

Hardy Grüne (Hg.): „Von grauen Mäusen und großen Meistern“, Agon Sportverlag Kassel 1999, 368 Seiten, DM 39,90Matthias Weinrich: „35 Jahre Bundesliga, Teil 1 bis 3, Agon Sportverlag 1998/99, je rund 400 Seiten, 75 DM pro Band

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