"Wir bleiben nicht im Keller"

NEWCOMER Der neue FDP-Landeschef Hauke Hilz über die Konkurrenz von B+B, seine Kürzungsvorschläge für den Landeshaushalt und seinen Vorgänger Oliver Möllenstädt

Wirbt auch für Kürzungen bei Sozialausgaben, nur nicht so provokativ wie sein Vorgänger: Der neue FDP-Landesvorsitzende Hauke Hilz Bild: miba

taz: Herr Hilz, im Juni ließen Sie sich zum Landesvorsitzenden der FDP wählen. Waren Sie mit Ihrer Professur nicht ausgelastet?

Hauke Hilz: Doch, die Professur nimmt mich stark in Anspruch. Aber ich möchte auch außerhalb meines Berufes gestalten und Verantwortung übernehmen.

Dazu haben Sie nun reichlich Gelegenheit. Was wollen Sie tun?

Für uns beginnt eine Zeit der außerparlamentarischen Arbeit. Es geht nun darum, unsere guten programmatischen Positionen in die Öffentlichkeit zu bringen. Wir haben mit dem Bundestagsabgeordneten Torsten Staffeldt noch ein Sprachrohr. Außerdem müssen natürlich alle in der Partei ihren Teil beitragen, damit wir wahrgenommen werden. Aber wir werden nicht im Keller bleiben. Es sieht bald ganz anders aus.

Seine Wahlniederlage erklärte Ihr Vorgänger mit der kurzen Zeitspanne zwischen der Abwahl des Parteivorsitzenden Guido Westerwelle und der Bürgerschaftswahl. Hätte ein Rösler-Effekt die Bremer FDP gerettet?

Unser Wahlergebnis hing nicht an der FDP-Spitze. Es gab einen negativen Bundestrend. In Bremen ist aber vieles durch den Verlust des Fraktionsstatus erschwert worden.

Sie hatten nicht nur durch dem Weggang des Abgeordneten Uwe Woltemath den Fraktionsstatus verloren, sondern mit der wirtschaftsnahen Wählerliste B+B auch noch Konkurrenz aus dem eigenen Milieu bekommen.

Man darf eines nicht vergessen: B+B hat bei der Wahl nur 0,9 Prozent der Stimmen bekommen...

...die die FDP gut hätte gebrauchen können.

Es ist natürlich bedauerlich, dass die FDP den Akteuren von B+B keine politische Heimat bieten konnte. Ich hätte mich gefreut, wenn sie sich in unserer Partei engagiert hätten.

Werden Sie ihnen entsprechende Angebote machen?

Das tut man, wenn man verhandelt. Im Moment aber gibt es nichts zu verhandeln. Wir werden aber Gespräche führen.

Während B+B den Bremer Haushalt auf dem Klageweg sanieren wollte, ist die zentrale Forderung der FDP stets, mehr Ausgaben zu streichen. Die Schuldenbremse steht in der Verfassung. Warum reicht Ihnen das nicht?

Wenn wir die einhalten würden, wäre ich froh. Aber Rot-Grün ist nicht mutig genug, wirkliche Einsparungen umzusetzen.

Wenn Sie freie Hand hätten - wo würden Sie streichen?

Es gibt nur zwei Bereiche, die wir vom Sparen ausnehmen wollen: Bildung und innere Sicherheit.

Das heißt, dass Sie sonst überall kürzen wollen?

Wir können uns nicht mehr alles leisten. Die SPD gilt als sozial. Tatsächlich haben wir eine hohe Arbeitslosigkeit und eine verbreitete Kinderarmut. Man kann im Kleinen sparen, wie beim Bremerhavener Hafentunnel, wo Rot-Grün keine günstigeren Alternativen geprüft hat. Das Geld wird hier nicht gut ausgegeben. Wir stehen bei den Bildungsausgaben je Schüler im Ländervergleich an vierter Stelle, beim Pisa-Vergleich aber an letzter. Man muss den aufgeblähten öffentlichen Dienst verschlanken. Und auch bei den Sozialausgaben gibt es einiges Richtiges, aber auch Verzichtbares.

Ihr Vorgänger Oliver Möllenstädt sagte: "Eine Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes werden die Empfängerinnen eher in den nächsten Schnapsladen tragen, als diesen in selbstbestimmte Familienplanung zu investieren." Sind Sie da mit ihm auf einer Linie?

Ich werde sicherlich weniger provokativ auftreten.

Bürgermeister Böhrnsen hat am Montag gewarnt, Bremen sei beim Sparen bereits "auf den Knochen" angelangt. Ist es da zu verkraften, noch mehr zu streichen?

Es gibt dazu keine Alternative.

Das ist nicht wahr. Man könnte auch die Steuern anheben, wie es die Linkspartei fordert.

Das ist der völlig falsche Weg. Unternehmen würden ins Ausland abwandern oder, wenn wir Glück haben, nur in Bremens Speckgürtel nach Niedersachsen umziehen. Unterm Strich kämen weniger Einnahmen heraus. Steuersenkungen hingegen locken Wirtschaftsunternehmen an, diese schaffen Arbeitsplätze und führen zu einer Erhöhung der Steuereinnahmen.

Viele Kommunen sind fast pleite. Sie wollen, dass sie sich da auch noch in einem Niedrigsteuerwettbewerb gegenseitig unterbieten?

Wenn es beispielsweise zwischen Bremen und Hamburg eine gewisse Konkurrenz gibt, ist das doch ganz gut. Das wirkt sich positiv aus. Wir wollen keine Vereinheitlichung der Steuern.

Die FDP präsentiert sich besonders rigoros beim Sparen. Trotzdem wählt sie im hochverschuldeten Bremen kaum jemand. Was glauben Sie, wieso?

Fakt ist: Nach 65 Jahren sozialdemokratischer Regierung geht es Bremen dramatisch schlecht...

...die Leute lasten das offensichtlich nicht der SPD an. Die steht hier gut da. Sie nicht.

Ich habe dafür keine wirkliche Erklärung. Wir werden unsere Anstrengungen erhöhen müssen, für unsere Politik zu werben. Dafür braucht es ein klares Profil. Der radikale Schwenk in der Atomfrage ist der CDU nicht gut bekommen. Nach Fukushima stellte Mark Ella auch die Bremer FDP plötzlich als Atomausstiegspartei hin. War das klug?

Die Bundesregierung hat mit unserer Beteiligung den Atomausstieg schneller umgesetzt, als es SPD und Grüne wollten. Nun wird es nach 2022 es keine aktiven Atomkraftwerke mehr geben.

Wäre das auch vor ein paar Monaten ihre Position gewesen?

Vor Fukushima hätte ich das nicht erwartet.

Und auch nicht befürwortet?

Fukushima hat Fragen über die Sicherheit der Technologie aufgeworfen, mit denen niemand rechnen konnte.

Der Atomausstieg bringt einen Boom der Windenergie. Der Ausbau des wirtschaftlich gebeutelten Bremerhaven als Offshore-Standort war ein zentrales Projekt des grünen Umweltsenators Reinhard Loske. Eine Chance?

Das Wachstum der Windenergiebranche am Standort Bremerhaven ist natürlich eine sehr begrüßenswerte Entwicklung, ebenso wie der Bau des Offshore-Terminals. Das ist auch das Verdienst der Fischereihafen-Betriebsgesellschaft. Probleme entstehen allerdings durch die Ansiedlung des Offshore-Terminals am Flughafen Luneort.

Die Ansiedlung geht nur zum Teil auf Loskes Konto. Ansonsten hat er also alles richtig gemacht?

Das möchte ich nicht kommentieren.

Hauke Hilz

32, ist seit Juni Landesvorsitzender der Bremer FDP. Der Chemiker trat erst während seines Studiums in den Niederlanden in die FDP ein. Seine Doktorarbeit über die Auflösung von Zellwänden bei Beerenobst wurde als beste Chemiepromotion des Jahres in Deutschland ausgezeichnet. 2010 wurde er an der FH Bremerhaven Professor für Lebensmittelchemie.

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