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Wintersport FußballStress für die Rasenheizung

Nach nur 33 Tagen startet am Wochenende wieder die Bundesliga. Fußball ist mehr und mehr zum Wintersport geworden.

Schneemann am Ball: St. Pauli-Profi Christopher Buchtmann Bild: dpa

FRANKFURT taz | Es geschah vor genau einer Woche in der Abenddämmerung an der Türkischen Riviera. War es tatsächlich Marko Arnautovic, der im Sackhüpfen unbekannte Sprungkraft offenbarte? War es wirklich Kevin de Bruyne, der ein Mountainbike gekonnt durch den Stangenwald steuerte? War es Nils Petersen, der den Medizinball über den Rasen schleuderte?

„Spiele ohne Grenzen“ hatte der Bremer Trainerstab eine Einheit getauft, die sichtbar zur Belustigung beitrug. Ganz gleich ob in der Türkei, Spanien, Portugal, Katar oder den Emiraten: Überall, wo die Bundesligisten zur Vorbereitung auf die Rückrunde Station machten, standen spielerische Elemente irgendwann im Vordergrund.

Wenn eine Winterpause nur 33 Tage währt, kann nicht jeder Trainingstag mit einem ausgedehnten Strandlauf beginnen und mkit einem schweißtreibenden Kraftzirkel enden. Die konditionellen Grundlagen seien ja nicht verloren gegangen, erklärt Christos Papadopoulos, der Konditionstrainer des VfB Stuttgart. Der „sanfte Schleicher“ behauptet: „Die Winterpause ist von der physiologischen Seite her immer noch notwendig. Die Spieler sind auch im Urlaub nicht passiv, nutzen aber die Zeit zur Regeneration.“ Für Physis und Psyche.

Von der Trainingssteuerung sei die kurze Pause zwar kein Problem mehr, betonen die meisten Leistungsdiagnostiker. Als immens kräftezehrend wird dafür die Terminhatz im Februar und März für die Europa-League-Teilnehmer angesehen, wenn mitunter weniger als 48 Stunden zwischen zwei Pflichtspielen zur Erholung blieben.

Volle Belastbarkeit

Die Wiederherstellung der vollen Belastbarkeit erfolgt in diesen Tagen dennoch im Schnelldurchgang. Mehr als drei, vier Freundschaftsspiele lassen sich kaum durchführen; maximal zweimal wird die Wunschformation getestet.

Der derzeitige Zustand wurde zur Saison 2009/2010 geschaffen, als die Uefa das Champions-League-Finale an einem Samstag im Mai verankerte. „Wegen eines Spiels mit zwei Vereinen schauen 5.000 andere Klubs in Europa zu“, ereifert sich Frankfurts Vorstandsboss Heribert Bruchhagen noch heute. Da gleichzeitig auch der DFB nicht davon abrückt, sein Pokalfinale ebenfalls samstags abzuhalten, sind zwei Wochenenden im Mai blockiert.

Anschließend hat der Weltverband Fifa wieder eine Abstellungsperiode verankert. Trotz der modernen Arenen mit ihren Rasenheizungen empfindet es Leverkusens Frontmann Rudi Völler „als Wahnsinn, dass den halben Mai und den ganzen Juni nicht gespielt wird“. Bruchhagen ergänzt: „In Frankfurt hat von Mai bis August kein Bundesligaspiel stattgefunden, das kann weder uns noch den Zuschauer freuen.“

Er bemerkt in diesem Zusammenhang, dass der gemeine Profi gewiss nicht überlastet sei. Die Mehrzahl, die nicht bei einer WM oder EM antrat, kam in den Genuss ausgedehnter Sommerferien. Grund: Im Kalenderjahr 2012 rollte in der Bundesliga zwischen 5. Mai und 24. August kein Ball. Bei der Abstimmung zum Rahmenterminkalender 2013/2014 setzten sich immerhin jüngst jene Klubs durch, die einen Frühstart bereits am 9. August befürworteten.

WM in Brasilien

Die Hinrunde streckt sich dann bis zum 23. Dezember, der erste Rückrundenspieltag beginnt am 24. Januar 2014, ehe wegen der WM in Brasilien schon wieder am 10. Mai Schluss ist. Eine radikale Reform könnte es in acht Jahren geben. Unverhohlen wirbt Uefa-Boss Michel Platini dafür, wegen der WM 2022 in Katar den Spielplan ans Kalenderjahr anzupassen.

Demnach soll dann in ganz Europa im Sommer durchgespielt werden, damit in der Wüste im Winter die WM ausgetragen werden kann. Sicherlich gewagte Bestrebungen, über die man sich aber an kalten (Spiel-)Tagen zumindest mal warme Gedanken machen darf.

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