Winterspiele in Sotschi: Polizei nimmt Kritiker in Gewahrsam
Angeblich suchte die russische Polizei in den Häusern von acht Aktivisten nach einem Extremisten. Doch es liegt nahe, dass ihre Kritik an Olympia der Grund ist.
MOSKAU afp | Die russische Polizei hat die Häuser von acht Kritikern der Olympischen Winterspiele in Sotschi durchsucht und die Aktivisten ins hunderte Kilometer entfernte Krasnodar gebracht. Der Aktivist Ibragim Jaganow sagte am Samstag, die Beamten hätten sein Haus in Naltschik in Kabardino-Balkarien durchsucht und ihn danach mitgenommen. Die acht in Gewahrsam genommenen Aktivisten gehören alle der Minderheit der Tscherkessen an.
Bei den Hausdurchsuchungen hätten die Polizisten behauptet, sie suchten nach einem Extremisten, der sich in einem der Häuser versteckt halte, sagte Jaganow, während er in Krasnodar unter Polizeiaufsicht auf seine Vernehmung wartete. In Krasnodar hätten die Beamten ihnen dann gesagt, sie würden als „Zeugen in irgendeinem Fall“ festgehalten. Die Aktivisten gehen jedoch davon aus, dass ihre Festnahmen mit ihrer Kritik an den Winterspielen in Sotschi zusammenhängen. Sie sollen in der kommenden Woche formell verhört werden.
Sotschi liegt nahe am Nordkaukasus, wo es in der Vergangenheit immer wieder Unruhen gab. Für Moskau sind die Winterspiele, die am 7. Februar beginnen, ein Prestigeprojekt. Es gibt aber immer wieder negative Schlagzeilen, unter anderem wegen Umweltsünden beim Bau der Wettkampfstätten. Russland steht außerdem wegen seines Anti-Homosexuellen-Gesetzes und wegen der Unterdrückung der Opposition international in der Kritik. Bürgerrechtler riefen Sportler und Politiker deshalb wiederholt zum Boykott des Sportereignisses auf.
Die Minderheit der Tscherkessen lebt in der Nähe von Sotschi. Im ausgehenden 19. Jahrhundert waren die Tscherkessen aus der Gegend um Sotschi in das Hinterland vertrieben worden. Die Festgenommenen gehen davon aus, dass mit dem Vorgehen gegen sie die Gegner der olympischen Spiele eingeschüchtert werden sollen. Die Tscherkessen beklagen, dass bei den Bauarbeiten an den olympischen Stätten ihre Gräber zerstört und ihre Rechte mit Füßen getreten werden.
Der Blogger Alexander Walow aus Sotschi bekam am Wochenende Schwierigkeiten, weil er im Internet Fotos von Postern verbreitet hatte, auf denen zum Aufstellen von Mahnwachen vor dem Rathaus aufgerufen wurde. Er habe mit dem Aufruf selbst aber nichts zu tun, sagte Walow. Dennoch soll er sich deswegen nun vor Gericht verantworten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen