Winterpause bei RB Leipzig: Wo soll das noch hinführen?
Die Zeichen bei RB Leipzig stehen auf Wachstum: Stadionkauf, sportlicher Erfolg, Entwicklung eigener Talente. Eine Zwischenbilanz.
LEIPZIG taz | Gut gelaunt steht Ralph Hasenhüttl im Presseraum des modernen und unverschämt teuren Trainingszentrums von RasenBallsport Leipzig. Es ist Dienstag. Um den Trainer herum versammelt sich eine Traube von Journalisten, die, wie so üblich im Bundesliga-Business, eine Menge Fragen hat. Wie geht es Spieler xyz? Braucht die Mannschaft für Verteidigung/Mittelfeld/Angriff nicht noch einen Neuzugang? Wird der total unzufriedene Spieler in der Transferperiode abgegeben? Mit stoischer Ruhe beantwortet der Österreicher alle Fragen. Sie sind Alltag geworden. Denn RB Leipzig ist in der Bundesliga angekommen. Und zu diesem aufgeregten Liga-Alltag gehören eben diese Fragen.
Die Pause sei etwas kurz gewesen, sagt Hasenhüttl. Jetzt liege der Fokus auf den verbleibenden 18 Spielen. Mittlerweile ist die Mannschaft in Portugal im Trainingslager. Was die Spieler dort erwartet? „Sonnenschein werden sie ein bisschen bekommen, ein bisschen Training werden sie auch bekommen“, sagt Hasenhüttl und lacht.
In den vergangenen Wochen und Monaten hatte der Coach viele Gründe zu lachen. Seine Mannschaft legte einen Bombenstart hin, brach Rekord um Rekord. Am letzten Spieltag, dem 21. Dezember, kam es gar zum großen Showdown. Bayern gegen Leipzig. Punktgleich. Nachdem der freche Aufsteiger aus dem Osten es bereits gewagt hatte, den Münchnern, wenn auch nur für wenige Spieltage, die Tabellenführung abspenstig zu machen. Dann ein deutliches 0:3, Leipzig wurde zurechtgewiesen, eingenordet. Es war, als sei das Aufatmen der Bayern-Führungsetage zu hören gewesen.
Hasenhüttl, wie es ganz seine Art ist, sieht in der mittlerweile verdauten Niederlage das Positive. Es sei überhaupt schon ein Riesenerfolg gewesen, ein Spitzenspiel in dieser Konstellation zustande gebracht zu haben. Es war der Höhepunkt eines Jahres, das nicht besser hätte laufen können. Der mühsame Aufstieg unter Trainer-Sportdirektor Ralf Rangnick, die Neuverpflichtung von Hasenhüttl, der erfolgreiche Start, der Heimsieg gegen Borussia Dortmund, die Tabellenführung, das Spitzenspiel vor der Winterpause – unterbrochen wurde die Serie an Erfolgen nur vom Ausscheiden im DFB-Pokal in Dresden.
Im Rahmen der „Zukunftswerkstatt“ der taz erscheint jeden Freitag statt der Neuland-Seite eine eigene Seite für Leipzig, die taz.leipzig: geplant, produziert und geschrieben von jungen Journalist*innen vor Ort.
Sie haben Anregungen, Kritik oder Wünsche an die Zukunftswerkstatt der taz? Schreiben Sie an: neuland@taz.de. Das Team der taz.leipzig erreichen sie unter leipzig@taz.de
„Können noch besser spielen als in der Hinrunde“
Jetzt fragen die Journalisten: Was kann RB in der Rückrunde erreichen? „Ich glaube, dass nicht wenige darauf warten, dass die Mannschaft einbricht und das Niveau nicht halten kann“, vermutet Hasenhüttl, um dann den entscheidenden Satz hinterherzuschieben: „Wir wollen uns selbst einfach zeigen, dass wir vielleicht noch besser spielen können als in der Hinrunde“.
Damit drückt er die Quintessenz des sportlichen Erfolges aus: den Hunger, die Gier auf Erfolg. Oft hatten Rangnick und Hasenhüttl betont, dass genau das die Mannschaft ausmache. Junge Spieler, die lernen und einen Karrieresprung machen wollen. Dazu eine mutige Spielweise, hohes Tempo, frühes Gegenpressing. Eine Spielweise, wie sie sich die Marketing-Abteilung des Hauptsponsors nicht besser hätte erträumen können.
Doch sie führt eben auch zum Erfolg, weil Hasenhüttl bisweilen ein genialer Taktiker ist. Wer ihn sprechen hört, der kann sich auch vorstellen, dass er seine Mannschaft emotional packen kann. Dazu kommt mit Rangnick ein Manager, der Talente früh erkennt und auch den Mut besitzt, für sie Geld auszugeben, von dem zweifelsohne mehr vorhanden ist als an anderen Bundesliga-Standorten.
„Wir wollen Fantasie haben, wo die Entwicklung eines Neuzugangs mal hingehen kann“, hatte Hasenhüttl mal das Anforderungsprofil für Neuverpflichtungen umschrieben. Solche wird es wohl auch in der Winterpause geben. In der Abwehr besteht dringender Handlungsbedarf. Ende des Jahres hatte sich die Viererkette quasi von alleine aufgestellt – aufgrund einiger Verletzter waren schlicht keine Alternativen mehr übrig. Dazu könnten auch einige Spieler gehen, Davie Selke oder Terrence Boyd etwa. Beide murrten wegen zuletzt geringer Einsatzzeiten. Doch der Trainer sagt: „Ich will keinen hergeben.“
Sicher ist: Wie im abgelaufenen 2016, wird RB auch 2017 nicht überall geliebt werden. Auch in der Bundesliga gab es Anfeindungen, Proteste, Plakate, der Mannschaftsbus wurde beworfen. Die Lizenzvergabe des DFB an den Verein bleibt frag-, das Vereinskonstrukt kritikwürdig. RB Leipzig ist, auch wenn es die Verantwortlichen gerne so sehen, kein gewöhnlicher Aufsteiger. Wer im Sommer geschätzte 50 Millionen Euro für Neuzugänge ausgibt, ist kein gewöhnlicher Aufsteiger. Doch es gibt eben auch das andere Argument: Bei sechs der bisher sieben Heimspiele in der Bundesliga war das Stadion ausverkauft. Die Fans zeigen eben auch auf diese Weise ihre Zustimmung.
Darüber hinaus bewies die eigene Fanszene ihre Mündigkeit und dass sie nicht alle Ideen der Vereinsführung willfährig unterstützt. Einige Gruppen artikulierten vehement ihr Missfallen für Pläne, ein neues Stadion in der Nähe der Messe zu bauen. Genau das hatten die RB-Oberen zumindest ernsthaft durchgerechnet. Am Ende entschieden sich die Verantwortlichen um den Vorstandsvorsitzenden Oliver Mintzlaff doch für den Verbleib im innenstadtnahen, ehemaligen Zentralstadion – und kauften es kurzerhand.
Zwei Bedingungen sind an den Kauf geknüpft: Der Stadtrat, und davon ist auszugehen, muss zustimmen. Und auch das Bauamt muss das Umbauvorhaben grundsätzlich absegnen. 2018 soll’s losgehen, die Kapazität des Stadions auf 57.000 Zuschauer erhöht werden. Wenn RB im Innenstadtstadion bleibt, profitieren die Händler rund um das Stadion. Ein Bundesligist ist ein Wirtschaftsfaktor, der positive wirtschaftliche Effekt für die lokale Wirtschaft ist unumstritten.
Der Kauf und der damit verbundene Umbau macht, ebenso wie das 37 Millionen Euro teure Trainingszentrum am Cottaweg, deutlich, wie ernst es RB meint. Die Entwicklung des Vereins soll langfristig vorangetrieben werden. Mit Blick auf 2016 sagte Sportdirektor Rangnick etwa: „Für uns ist damit die Aufgabe versehen, diesen Weg genauso und genau so konsequent weiter zu beschreiten.“
Dem eigenen Nachwuchs eine Chance geben
Das muss der Rest der Liga zwangsläufig als Drohung verstehen. Denn in vielen Bereichen hat RB noch Steigerungspotenzial, vor allem was die Einnahmenseite, also die Vermarktung, betrifft. Und dann ist da auch noch der Nachwuchs. In den beiden höchsten Altersklassen, der U19 und U17, spielt RB in der jeweiligen Bundesliga. Die U23 wurde als zweite Mannschaft in der Regionalliga etabliert, soll langfristig in die 3. Liga aufsteigen, um die Talente bestmöglich auf den Sprung in die Bundesliga vorzubereiten.
„Es ist generell ein Ziel jeden Vereins, Spielern aus dem eigenen Nachwuchs eine Chance zu geben“, unterstreicht Hasenhüttl. Allein an der Umsetzung hapert es derzeit noch. Zwar saßen schon Nachwuchsspieler auf der Bank, Spielzeit gab es für sie aber noch nicht. „Bis es so weit ist, dass sich Spieler aus der U19 oder U23 tatsächlich oben reinspielen können, haben wir noch ein bisschen Arbeit vor uns“, sagt auch Sportdirektor Rangnick. Durch die vielen Aufstiege in den letzten Jahren sei es für die Jungs schwer, die neuen „Benchmarks“ zu erreichen.
Wo RB am Ende dieser Saison stehen wird, ist kaum vorhersehbar. Trainer Hasenhüttl sagt zum Ende der Medien-Runde: „Egal, wie die Saison endet, wir können am Ende sicher von einer erfolgreichen Saison sprechen. Der Tabellenplatz ist nicht das einzig wichtige für mich“. Spannender ist eh vielmehr die Frage: Wo soll das noch hinführen?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“