piwik no script img

Willkürlich im iranischen Knast festgehalten"Sarah fürchtet, Krebs zu haben"

Drei US-Amerikaner, alle Kriegsgegner, wurden beim Wandern im Grenzgebiet festgenommen und sitzen seit Juli 2009 im Evin-Gefängnis. Ein Freund der Inhaftierten klagt an.

Im Iran festgenommen: Shane Bauer im Polo-Shirt, Sarah Shourd und Josh Fattal in einem Teheraner Hotel anlässlich des einzigen Besuchs ihrer Mütter. Bild: ap
Interview von Hannes Grassegger

taz: Herr Meckfessel, Sie fürchten das Schlimmste für Ihre Freunde Sarah Shourd, Shane Bauer und Josh Fattal. Die drei werden seit über einem Jahr im Iran gefangen gehalten.

Shon Meckfessel: Sie sind die am längsten gefangen gehaltenen Amerikaner seit der Revolution 1979. Sie sitzen im Hochsicherheitsgefängnis Evin. Ich mache mir große Sorgen.

Die Anschuldigungen gegen die drei schwanken zwischen illegalem Grenzübertritt und Spionage, was ein Todesurteil bedeuten kann. Nach dem Jahrestag der Gefangennahme verkündet ein Sprecher des iranischen Außenministeriums, dass die "offensichtliche" Rechtsverletzung ihrer Freunde nur in "illegalem Grenzübertritt" bestehe. Ein Urteil scheint bevorzustehen. Was halten Sie davon?

Die drei wurden nie wegen Spionage angeklagt. Solche Berichte waren Irreführung, Gerüchte. Die iranische Regierung will auf Zeit spielen. Soweit ich weiß, wurden die drei seit je der illegalen Einreise beschuldigt. Dafür müsste man im Iran eine Strafe von etwa 50 US-Dollar zahlen. Lasst mich die 150 US-Dollar zahlen und meine Freunde gehen!

Wann haben Sie zuletzt von ihren Freunden gehört?

Ende Juli 2009 reisten wir vier für einen Kurzurlaub von Damaskus über die Türkei in den kurdischen Teil des Nordirak. Eine Gegend, die als sicher gilt und als Reiseziel beworben wird. Zahlreiche Amerikaner sind dort problemlos herumgereist.

Im Interview: 

SHON MECKFESSEL, 37, ist Doktorand an der University of Washington in Seattle.

Der Fall

Am 31. Juli 2009 wurden die US-Bürger Josh Fattal, 27, Sprachlehrer, Sarah Shourd, 31, Sprachlehrerin, und der Journalist Shane Bauer, 27, von iranischen Truppen nahe der Grenze zum Irak festgenommen. Nach offiziellen Angaben wird das Urteil in Kürze erwartet. Es ist unklar, ob es um Spionage oder illegalen Grenzübertritt geht.

Wir erreichten die Stadt Suleimaniya. Alle, die wir nach nahen Ausflugsgebieten fragten, empfahlen uns die malerischen Wasserfälle um das kleine Dorf Ahmed Awa. Am Abend des 30. Juli 2009 brachen Josh, Sarah und ihr Freund Shane dorthin auf. Ich fühlte mich fiebrig und wollte am folgenden Tag nachkommen.

Am nächsten Morgen gegen 11.30 Uhr ging es mir besser. Ich rief Shane an. Er klang gut gelaunt und berichtete, die drei seien von Ahmad Awa aus einem kleinen Pfad zu den Wasserfällen gefolgt und hätten in der Nähe gezeltet. Nun folgten sie noch ein wenig dem Pfad, würden aber bald umkehren.

Wir wollten uns bei den Wasserfällen treffen. Ich bin mir sicher, dass die drei keine Ahnung hatten, wie nahe sie der Grenze waren. Unterwegs versuchte ich Shane zweimal zu erreichen. Um 13.33 Uhr rief er zurück. Er klang sehr ernst, sagte, sie wären von iranischen Sicherheitskräften gefangen genommen worden. Ich solle die Botschaft informieren. Seitdem habe ich nur durch Medienberichte und die Eltern von meinen Freunden gehört.

Sie sind bis zum 14. September auf einer Infotour durch Europa. Warum?

Ich habe das Gefühl, dass die US-Regierung wenig erreicht, auch wenn ich die Bemühungen der Schweizer Botschaft, die die Vereinigten Staaten im Iran vertritt, sehr schätze.

Ich glaube, dass es der iranischen Regierung leichterfiele, meine Freunde zu entlassen, wenn die Öffentlichkeit erfahren würde, was für Leute da gefangen gehalten werden. Eine Entlassung wäre nicht von Nachteil für den Iran. Mitgefühl ist ein Zeichen der Stärke.

Sie sagen, Ihre Freunde seien gute Kenner des Nahen Ostens.

Die drei sind keine "Backpacker", wie die Medien immer behaupten. Zwei von uns sprechen Arabisch, wir alle sind weit gereist, sehr interessiert am Nahen Osten und haben eine lange Vorgeschichte im Kampf für Gerechtigkeit in der Region. Es ist paradox: Warum hält der Iran US-Kriegsgegner gefangen?

Sarah brachte bis zur Gefangennahme irakischen Kriegsflüchtlingen in Damaskus Englisch bei, damit diese an amerikanischen Universitäten studieren können. Auch Shane Bauer kenne ich seit Jahren. Er ist ein investigativer Journalist, der beispielsweise nach Darfur ging, um eine menschlichere Berichterstattung über die Region zu ermöglichen. Shane arbeitete u. a. für den Christian Science Monitor und al-Dschasira. Sein Enthüllungsreport zur geheimen Ausbildung von paralegalen irakischen Todestruppen durch die USA wurde weltweit veröffentlicht.

Wie geht es Sarah, Shane und Josh derzeit?

Shane und Josh sitzen in einer Zelle. Zwei Stunden am Tag haben sie Hofgang. Sarah geht es schlechter. Sie ist in Einzelhaft. Eine Stunde am Tag dürfen Josh und Shane sie sehen. Sarah befürchtet, Krebs zu haben. Sie zeigte ihrer Mutter bei deren einzigem Besuch im Mai einen Knoten in der Brust.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • MA
    Monsieur Achie

    An die Redaktion: Sie sollen für das Überschrift beschämen. Das hat mit unabhängigen jornalismus nicht zu tun. Was heißt hier Wilkür? Wenn jemand versucht durch illegalen Wege nach Deutschland einzureisen, rollen wir für denjenigen Rotenteppich. Es ist unerhört sowas zu schreiben.

  • B
    beglae

    Die Kommentar Schreiber vor mir haben alle den Nagel auf dem Kopf getroffen, das gejammere um die drei Eindringlinge ist absolut lächerlich.

  • D
    Drusus

    Seltsam, dass US Touristen immer wieder an der Grenze der Achse des Bösen aufgegriffen werden. Wurden nicht letztens auch welche aus Nord-Korea herausgepaukt?

  • L
    linsenspaeller

    Absolut hirnrissig! Da wollten welche später damit angeben, was sie alles in der Höhle des Löwen erlebt und wie sie dem Grauen ins Auge blickten. Solche Erfahrungen machen ja auch eventuell kompetent für ein gut bezahltes Amt später in einer Behörde. Und das Märchen von den Irak-Flüchtlingen, die in Damaskus englisch lernen, "damit sie später auch in den USA studieren können" finde ich regelrecht unverfroren. Es gibt eigentlich nur eine Sorte Iraker, auf die man in den USA scharf ist, nämlich welche, die sich nach einer Ausbildung zum Spion in den Nahen Osten zurückschicken lassen. Ungebildete und mittellose Leute, die in den USA von einem besseren Leben träumen, hat man dort genug.

  • E
    E.A.

    @Stavros: Wollen wir Vergleiche anstellen was sicherer ist: Das Leben in einer amerikanischen Großstadt, in der jeder das Recht hat, Waffen zu besitzen oder der Nordirak?

  • LM
    Le Mec

    Zu dem Satz kann man eigentlich nur den Kopf schütteln: "Ich bin mir sicher, dass die drei keine Ahnung hatten, wie nahe sie der Grenze waren."

     

    Gleichzeitig will der uns weismachen, dass das erfahrene Wanderer mit arabischkenntnissen sind. Sollten die wirklich so doof gewesen sein, trotz angeblicher Erfahrung in so einer Gegend ohne Karte und Kompass herumzulaufen und sich auch noch so krass zu verirren, dann würde es mich nicht wundern, wenn die wegen "Doofheit" auch eingesperrt werden, wenn sie zurück in den USA sind.

     

    Aber lustig dabei der Titel in der taz: "Willkürlich im iranischen Knast festgehalten". Das ist so eindeutig eine Lüge, dass es eigentlich ein Fall für den Presserat ist. Der Artikel sagt doch später selbst, dass die zumindest -ob bewusst oder unbewusst- illegal in das Land eingedrungen sind. Dass man dafür in einem Gefängnis landet ist keine Willkür sondern rechtlich in Ordnug. Man stelle sich nur vor iranische Zeitungen würden von Willkür sprechen, wenn zufällig ein paar Iraner beim "Wandern" an der mexikanisch-amerikanischen Grenze sich verlaufen und in den USA landen

  • J
    Jürgen

    Entschuldigung, wie bescheuert kann man denn sein, in einer solchen Region ohne genaue Ortskenntnisse oder Führer zu wandern? Auch wenn ich angeblich weit gereist bin (wahrscheinlich noch nicht weit genug)?

     

    Dem iranischen Regime dürfte es völlig egal sein, dass es sich bei den Dreien um einfache Wanderer handelt. Es sind US-Amerikaner, klasse.

     

    Dennoch, ein Jahr in einem iranischen Gefängnis ist mehr als genug. Der Iran sollte die Drei einfach nach Hause schicken.

     

    Nachtrag: Wie werden eigentlich in Deutschland Touristen (beispielsweise aus Mali) beim unbeabsichtigten Grenzübertritt von Tschechien nach Deutschland im Rahmen einer Wanderung in der böhmischen Schweiz von der Bundespolizei behandelt?

  • S
    Stefan

    Den Klerikal-Faschisten ist das doch egal, wie weit jemand gegen, nicht gegen oder für sie ist. Ein guter Fastpfand sind Amerikaner sicher.

  • S
    Stavros

    Der Nordirak gilt als sicher und wird als Touristikziel beworben? Wo denn, in der Iransonderausgabe von "Soldiers of Fortune"? Auch wenn die Verhafteten tatsächlich nur harmlose Touristen sind, so waren sie doch extrem fahrlässig und dumm. Das iranische Grenztruppen eine solche Story nicht ohne weiteres schlucken ist auch nicht ganz verwunderlich.