Wiglaf Droste und der Feminismus: Die Rolle der Frau
Ja, Drostes Feministinnenhass war pubertär. Aber nicht einmal das konnte seinen Liebeserklärungen etwas anhaben.
Auf einer der zahllosen denkwürdigen Weihnachtsfeiern der taz drehte ich mich einst mit meinem dritten Wein in der Hand um und guckte plötzlich in die runden Augen des Wahrheitsredakteurs. Der hatte offenbar auch gerade keinen Plan, und so schlug ich mehr so aus Verblüffung vor: „Mensch, wir könnten uns doch auch mal unterhalten.“ Er erschrak und sagte: „Echt jetzt? Wir sind doch so was wie natürliche Antipoden.“
Ja, wir hatten uns noch nie unterhalten, obwohl wir beide schon gefühlte 15 Jahre bei der taz waren. Wir wussten also gar nicht, ob wir persönlich Antipoden sind. Funktionale Antipoden waren wir aber auf jeden Fall. Die Rollen lauteten gemäß der ungeschriebenen taz-Regularien: Die Wahrheit ist der Spaß, die Frauenredaktion die Spaßbremse. Und der Spaß wurde damals eben aufs Feinste verkörpert von Wiglaf Droste.
Humor und Geschlecht, wo soll man da anfangen. Die „Wahrheit“ jedenfalls gerierte sich immer als Hort des unbedingten und ungezügelten linken Hedonismus. Das heißt, man ist schon links, aber bitte ohne allgemeine Regeln und nur so, wie es mir gefällt. Und da konnte es also durchaus passieren, dass sich jemand wie Wiglaf Droste unbekümmert an reaktionäre Bilder von Wein, Weib und Gesang anschloss durch eine oft verkündete Liebe zu gutem Essen, gutem Trank und schönen Frauen.
Das „Weib“ immerhin sollte so intelligent wie schön sein. Und intelligente Frauen stehen natürlich weit jenseits der simplen Ordnungskategorien, die so jemand dem Feminismus unterstellt. Die phallische Frau. Und so waren etwa Wahrheitsredakteurinnen nach Drostes Geschmack, die sich ebenso eloquent am baren Busen erfreuen konnten wie er – und keine unangenehmen Themen behandelten.
Juchheißende Schabracken
Feministinnen dagegen, denen es um das Erkämpfen anderer Normen ging, wurden mit dem patriarchalsten aller Verdikte versehen: „Hysterikerinnen“ mit Doppelaxt. Im Text „Der Schokoladenonkel bei der Arbeit“ stellte Droste sich vor, von Feministinnen als Sexualstraftäter gebrandmarkt zu werden, als er einem Kind im Park einen Schokoladenkäfer schenkt. Er sah „Geschosse des Grauens“ am Werk: „die Schabracken, die im Leben immer nur eins sein wollen, nämlich Opfer, und das natürlich im warmen Mief der Gruppe, und die diese superkonservative Attitüde als schwer fortschrittlich juchheißen“.
Es folgte ein Schaukampf mit aufgeregten Frauenlesben- und Fantifa („feministische Antifa“)-Gruppen, die Auftritte des „Sexisten“ verhindern wollen – mitsamt allem, was Sie sich in Twitterzeiten lebhaft selbst vorstellen können. Möchten Sie nachlesen, wie trotzige Jungs nicht mehr zwischen Feministinnen und strafender Mutti unterscheiden können und wie Feministinnen diese trotzigen Jungs zum Menschheitsfeind hochjubeln: Voilà.
Was aber bleibt und auch bleiben wird, ist Drostes großartige Dichtkunst. Nicht einmal der pubertäre Feministinnenhass kann Drostes Rhapsodien auf diverse Damen (gern auch im Dutzend) etwas anhaben: Unvergessen die „Liebeserklärung“ an die „rauchende Frau“: „Frauen, die rauchen, sind klasse. Wenn man sie anruft, sagen sie Sachen wie ,Nein, ich kann jetzt nicht, ich muss gerade meine Haare entbeinen', und dann hört man sie einen tiefen Zug aus der Zigarette nehmen.“
Das bekommt man natürlich nicht ohne die Kehrseite: „Nichtrauchende Frauen sind völlig scheiße. Sie haben Sprühdosen dabei und sprühen ,Männerkrieg ist Frauenmord' an irgendwelche Wände. Das finden sie gut, und es fällt ihnen dabei auch gar nichts auf. […] Die deutsche Frau raucht nicht! Sondern riecht ein bisschen nach Turnhalle. Und sieht auch genauso aus.“
Und mein Lieblingstext, in dem die Bodypositivity leider auf schlanke Frauen und dicke Männer begrenzt ist, aber was soll’s: „Die Rolle der Frau“. „Ich spreche von einem kleinen Halbmond unter dem Nabel. Schöne Frauen haben sie, die Rolle der Frau – die süße, kleine Rolle am Bauch.“ Sie sei der wahre Grund seiner Kochleidenschaft: Frauen zu ihrer wahren Rolle zu verhelfen.
Wenn Sie das nicht lustig finden, weiß ich auch nicht. Aber ich bin ja auch aus dem Rheinland und pflege den rheinischen Feminismus, so wie es ja auch den rheinischen Katholizismus gibt.
An das Gespräch mit dem Wahrheitsredakteur kann ich mich übrigens überhaupt nicht mehr erinnern. Lang kann es nicht gewesen sein.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Der Jahrestag der Ukraine-Invasion
Warum Russland verlieren wird
Nach der Bundestagswahl
Jetzt kommt es auf den Kanzler an
Sieger des rassistischen Wahlkampfes
Rechte Parolen wirken – für die AfD
Alles zur Bundestagswahl
Oma gegen rechts hat Opa gegen links noch nicht gratuliert
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?
Wahlerfolg der Linken
Keine Zeit, jetzt lang zu feiern