Wiederaufbau der Ukraine: Koalition der Überzeugten
Verbündete der Ukraine sprechen in London über Hilfen zum Wiederaufbau des Landes. Sie wollen, dass sich Russland an den hohen Kosten beteiligt.
Bei der Konferenz in London am Mittwoch und Donnerstag will man die Unterstützer:innen bei der Stange halten – und etliche neue gewinnen. „Beim Wiederaufbau geht es um Geld“, sagt Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) auf der Konferenz. Laut Weltbank um vermutlich mehr als 400 Milliarden US-Dollar.
Und, so Baerbock: Es geht um eine kollektive Anstrengung. Die aktuelle finanzielle Unterstützung der Staaten fließt in Waffen, in humanitäre Hilfe, in die Gesundheits- und Nahrungsmittelversorgung. Aber mittel- und langfristig soll mit dem Geld die Ukraine in ganz neuem Lichte erscheinen. Es geht um den Aufbau einer nachhaltigen Wirtschaft, einer Versorgung mit erneuerbaren Energien – in einem Land, in dem Klimaschutz eine große Rolle spielt.
Die verbündeten Staaten geizen nicht mit weiteren Finanzzusagen in Milliardenhöhe: für den Aufbau von Straßen, Häusern, Schulen sowie die Energie- und Wasserversorgung. Und das, obwohl es sich bei der Wiederaufbaukonferenz, wie auch zuvor in Lugano und in Berlin, nicht um eine Geberkonferenz handelt, sondern vielmehr darum, eine Perspektive für die Ukraine nach dem Krieg zu schaffen.
EU-Beitritt der Ukraine ist ein Thema
Aber auch Geld von Privatinvestoren wird notwendig. Baerbock, US-Außenminister Antony Blinken, der britische Amtskollege James Cleverly – sie alle werden nicht müde, ihre Solidarität und ihre Verpflichtungen gegenüber der Ukraine zu versichern. „As long as it takes“ taucht in nahezu allen Reden der Staatenvertreter:innen auf. Ebenso einig sind sie sich darüber, dass der Sieg der Ukraine nicht nur von Waffenlieferungen abhängt, sondern auch von ökonomischer Resilienz. Das soll Investoren locken und ihnen garantieren, dass ihr Geld nicht im Kriegsgebiet versickert, sondern gut angelegt ist.
Die Staaten wollen das Risiko ihrer Unternehmer:innen schmälern, bieten Garantien an. Auch über eine sogenannte Kriegsrisikoversicherung wird derzeit verhandelt. Vor allem Großbritannien hofft auf eine solche Vereinbarung. Mehrere Hundert britische Unternehmen wollen in der Ukraine investieren.
Auch der baldige Beitritt der Ukraine zur EU ist Thema auf der Konferenz. Allerdings nicht ohne klare Auflagen für die Ukraine. Der Kampf gegen Korruption muss voranschreiten, Rechtsstaatlichkeit gesichert sein, Presse- und Meinungsfreiheit sowie demokratische Werte ernst genommen werden. Gefordert wird auch ein Bekenntnis, die Klimakrise aufhalten zu wollen.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski forderte die Staats- und Regierungschefs via Videobotschaft auf, endlich anzuerkennen, dass sein Land jetzt schon ein wichtiger Bestandteil ihrer Wirtschafts- und Verteidigungsbündnisse sei. Wie für Baerbock bestehen auch für EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an einem EU-Beitritt der Ukraine keine Zweifel. Sie zeigte sich beeindruckt von der Reformagenda der Ukraine und deren hohem Tempo.
Den Täter zur Verantwortung ziehen
Wie schwer der Wiederaufbau wird, machte Achim Steiner in London deutlich. Der Leiter des UN-Entwicklungsprogramms war vor wenigen Tagen erst in der Ukraine. Er spricht von Menschen, die Schutt und Trümmer beseitigen müssen, von Frauen, Männern und Kindern, die versuchen sich ein Leben aufzubauen – mitten im Krieg. Die Minen sind ein großes Problem für sie, sagt er, viele Menschen haben keine Jobs mehr. Firmen mussten schließen, die Wirtschaftsleistung ist am Ende. Deshalb braucht die Ukraine die finanzielle Unterstützung ihrer Verbündeten.
So erklärte auch US-Außenminister Antony Blinken in London: „Um es klar zu sagen: Russland hat die Zerstörung der Ukraine verursacht, und Russland wird letztendlich die Kosten für den Wiederaufbau der Ukraine tragen.“ Die EU will eingefrorenes russisches Vermögen für die Unterstützung der Ukraine einsetzen. „Der Täter muss zur Verantwortung gezogen werden“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht
Sport und Krieg in der Ukraine
Helden am Ball
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen