piwik no script img

Keine Produktion in DeutschlandWieder eine Solarfabrik, die nicht kommt

Das Hamburger Startup 1Komma5Grad hatte große Pläne in Ostdeutschland. Doch es sieht so aus, als lasse die Marktlage die Investitionen nicht mehr zu.

Philipp Schröder, Mitgründer und Geschäftsführer von 1Komma5Grad Foto: David Hammersen/dpa

Freiburg taz | Das Hamburger Energieunternehmen 1Komma5Grad hat seine Pläne, in Deutschland eine Solarmodul-Fertigung aufzubauen, zu den Akten gelegt. Das bestätigte Firmenchef Philipp Schröder der taz auf Anfrage.

Die Überlegungen stammten aus der Zeit, als Solarmodule angesichts massiv gestiegener Strompreise im Jahr 2022 knapp waren, doch heute ist das Konzept offenbar durch die massiven Überkapazitäten in China und die daraus resultierenden niedrigen Modulpreise wirtschaftlich nicht mehr tragfähig.

Noch im Oktober 2023 hatte 1Komma5Grad von einer Fertigung entweder in Brandenburg oder Sachsen gesprochen. Es sollten bis zum Jahr 2030 „bis zu 1.000 neue Arbeitsplätze entstehen“. In einer ersten Stufe sollte eine Fertigung aufgebaut werden mit einer Jahreskapazität von einem Gigawatt, bis 2030 sollte diese auf fünf Gigawatt erhöht werden.

Als im Februar 2024 das Solarunternehmen Meyer Burger damit drohte, seine Fertigung aus Sachsen komplett in die USA zu verlagern, brachte sich 1Komma5Grad abermals ins Spiel und erklärte sich bereit, „zumindest die Modulfertigung zu retten und so viele Arbeitsplätze am Standort zu sichern wie möglich“. Doch auch dazu kam es nicht.

Rasantes Wachstum gebremst

Für 1Komma5Grad war es am Ende immerhin ein willkommenes Marketing in eigener Sache. Das erst im Jahr 2021 gegründete Unternehmen hat heute 2.500 Mitarbeiter und erzielte im Jahr 2024 einen Umsatz von fast 520 Millionen Euro.

Nach diesem rasanten Wachstum bremst nun die international unsichere Marktlage die Entwicklung. Den Gang an die US-Technologiebörse Nasdaq hat 1Komma5Grad soeben verschoben, weil derzeit nicht abschätzbar ist, wohin sich die US-amerikanische Industriepolitik entwickelt. Hinzu kommt der massive Preisdruck aus China, wo Solarfirmen im Zyklus von nur sechs Jahren ihre Fertigungsanlagen für Photovoltaik komplett erneuern und damit den Weltmarkt immer wieder mit der neuesten Technologie aus riesigen Fabriken versorgen.

Die Fertigung von Solartechnik in Deutschland ist daher grundsätzlich ein schwieriges Metier. Das spürt gerade erneut auch die Firma Meyer Burger, die an ihrem Standort Thalheim in der Stadt Bitterfeld-Wolfen Anfang Mai Kurzarbeit einführte. Betroffen sind etwa 300 Beschäftigte, die bisher im Dreischichtbetrieb Hochleistungssolarzellen herstellten. Mit der Kurzarbeit wolle man „kurzfristig Kosten einsparen“, teilte das Unternehmen mit.

Angesichts der Risiken im internationalen Solarmarkt hat sich auch 1Komma5Grad längst breiter aufgestellt. Nur noch rund die Hälfte des Umsatzes mache man mit der Solartechnik, die andere Hälfte mit Wärme- und Klimatechnik, heißt es. Längst spielt auch die Software eine große Rolle: Nach eigenen Angaben betreibt die Firma Europas größtes virtuelles Kraftwerk für Privathaushalte und vernetzt Photovoltaik, Stromspeicher, Wärmepumpe und Wallbox der Kunden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!