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Wie sie als Kontaktperson 1. Grades mit niedrigem Risiko in Quarantäne geriet, berichtet eine taz-Redakteurin, die anonym bleiben möchteWie war das mit der Nachverfolgung?

Omg, wie habe ich darüber gejammert, dass ich zum 1000. Mal denselben Spazierweg entlangtrabe, an dem ich schon jeden Grashalm gesehen habe, Mitspazierende grüße und Jogger am Atmen erkenne. Und omg! Wie sehr wünsche ich mir gerade, diesen Weg entlangtraben zu dürfen, Grashalme zu grüßen und atmenden Joggern aus dem Weg zu gehen: Ich bin in Quarantäne. 14 Monate nach Beginn der Pandemie zum ersten Mal.

Ja, ich erinnere mich an all diese coolen Quarantäne-Tipps aus den Anfangszeiten: Sauerteig- oder Bananenbrot, Fitnessvideos blabla. Aber mal ehrlich: Nach 14 Monaten arg eingeschränkter Bewegungsfreiheit ist Quarantäne doch so was wie Einzelhaft nach 14 Monaten Knast.

Haha, ich weiß, was Sie jetzt denken: Ist doch ganz schön, mal die anderen genervten Knackis los und allein zu sein, in Ruhe zu lesen. Falsch gedacht! Denn das, was nervt, bin ich gerade nicht los: den coronabedingten Stress.

Nicht dass ich positiv wäre: Mein Test war negativ, Symptome habe ich nicht. Ich bin als Kontaktperson 1. Grades, die zu lange zu nah mit einem kurz darauf positiv Getesteten zusammen war, in Quarantäne. Freiwillig sozusagen. Denn ich meinte, mich daran zu erinnern, dass es da irgendso eine Vorschrift gab – könnte ja sein, mein Test wurde zu früh gemacht und ich hatte noch nicht genug Viren im Rachen, um positiv zu sein… Oder war das nicht so?

Das herauszufinden, ob ich überhaupt in Quarantäne muss und wie lange oder mit neuem Test, das ist mein Bananenbrot. Testen ist mittlerweile leicht: Ab in die nächste Testpraxis, nach 24 Stunden ist das Ergebnis da. Doch die Nachverfolgung der Infektionsketten scheint über ein Jahr nach Pandemiebeginn noch nicht besser organisiert zu sein: Zwar bekomme ich in der Praxis ein Zettelchen, doch was als Infizierte oder Kontaktperson zu tun ist, steht da nicht drauf. Nur ein QR-Code, den ich mit der Corona-App einscannen soll, falls ich positiv bin – die mir aber auch fünf Tage nach dem positiven Test des Freundes immer noch „keine Risikobegegnung“ anzeigt. Na ja.

Das Internet spuckt alte und neue Bestimmungen aus, komplizierte Gesetzestexte und 1 interessante Info: Der positiv Getestete müsse all seine Kontakte auf einem Fragebogen ans Gesundheitsamt melden (hier herunterladen!). Nein, heißt es dagegen in der Testpraxis, nicht nötig, er müsse „gar nichts“ machen. Hm. Das ist also die Nachverfolgung?

Viermal, erzählen mir Bekannte aus NRW, hätten in ihrer Quarantänezeit Mitarbeiter des Gesundheitsamts vor dem Haus gestanden und sich durchs Fenster zeigen lassen, dass alle Familienmitglieder drinnen sind – darunter eine knapp Zweijährige. Nicht dass ich mir das wünschen würde, aber… halt! Da klopft es an der Wohnungtür! Schemenhaft sehe ich durch deren bunte Fenster meine Nachbarin, Milch hat sie gebracht, hallo und danke sehr! Ach doch, eigentlich … so ein Fenster, das hat doch was. Hallo! Ist da wer?

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