Wie sich die Rettungspakete finanzieren: Jonglieren mit der Staatsschuld
Woher nimmt der Finanzminister die Rettungs-Milliarden? Und wer verdient an den Schulden des Bundes? Das Geld für die Banken kommt am Ende von den Banken selbst.
HAMBURG taz Der Staat gibt eine Menge Geld aus, um die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise abzumildern. Das am Ende vergangener Woche verabschiedete zweite Konjunkturpaket wird aber ebenso wie das vorangegangene vor allem über neue Schulden finanziert.
Allein der Bund wird in diesem Jahr voraussichtlich rund 50 Milliarden Euro neue Schulden machen. Woher soll dieses viele Geld kommen? Wer leiht Deutschland das Geld? Und wer weiß bei Gesamtschulen des Bundes von über 1 Billion Euro noch, welcher Kredit wann bedient werden muss?
Bis zur Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hatte das Bundesfinanzministerium die Staatsschulden verwaltet. Im Sommer 2001 liberalisierte dann die rot-grüne Bundesregierung das Schuldenmanagement und gründete die Bundesrepublik Deutschland - Finanzagentur GmbH in Frankfurt am Main. Seither kümmern sich Banker und Investmentspezialisten dieses bundeseigenen Finanzdienstleisters darum, dass immer genügend Geld in der Kasse des Finanzministers vorhanden ist.
Doch die Agentur macht nicht allein neue Schulden, sie zahlt auch die Zinsen und tilgt alte Schulden. Oder genauer: Sie schuldet um. Woche für Woche zahlt der Staat Kredite in Milliardenhöhe zurück und nimmt dafür sofort neue Darlehen auf. So will die Finanzagentur des Bundes sich in diesem Jahr insgesamt 323 Milliarden Euro auf dem Kapitalmarkt ausleihen.
Für diesen üppigen Betrag werden nun ausgerechnet die Banken angepumpt. Um Kredite zu bekommen, verkauft die Finanzagentur Wertpapiere, Bundesanleihen. Angeboten werden diese auf Auktionen der "Bietergruppe Bundesemissionen", die aus 33 deutschen und internationalen Banken besteht.
Angeführt wird die Gruppe von der britischen Barclays Bank, der Deutschen Bank und der jüngst durch den US-Staat geretteten amerikanischen Investmentbank Merrill Lynch. Auch sonst liest sich die Mitgliedsliste wie ein Whos who der globalen Finanzmarktkrise. Selbst die Commerzbank ist dabei.
Die 33 Groß- und Landesbanken übernehmen einen kleinen Teil der Staatsanleihen in ihr eigenes Portefeuille. Der größere Teil wird an Kunden und vor allem an andere Banken, Versicherungen und Sparkassen weiterverkauft. Diese machen es genauso, behalten einen Teil und verkaufen den Rest an private und hauptsächlich an institutionelle Kunden wie Investmentfonds und Industriekonzerne in aller Welt.
Jeden zweiten Schulden-Euro finanziert das Ausland
Fast die Hälfte der deutschen Staatsschuld finanziert laut Bundesbank das Ausland. Die Statistik wies zuletzt einen Anteil ausländischer Gläubiger der Bundesrepublik von über 47 Prozent aus.
Warum aber sind die Banken im In- und Ausland so interessiert an deutschen Staatsschulden? Vielen Kreditinstituten mangelt es in der aktuellen Finanzkrise nicht an Geldkapital, sondern an Vertrauen in andere Banken. Sie geben sich untereinander keinen Kredit mehr, weil sie befürchten, dass in den Büchern der Konkurrenten noch viele Risiken lauern.
In solchen Zeiten des Misstrauens sind die sicheren Anleihen des Bundes - plus die vergleichsweise ordentliche Verzinsung von 3 bis 4 Prozent - für Banken eine anziehende Geldanlage. Dabei zahlt die Bundesrepublik noch recht wenig für ihre Schulden. Spanien muss wegen seiner geringeren Kreditwürdigkeit rund 5 Prozent Zinsen zahlen, Griechenland sogar 6,5 Prozent.
Wichtig ist für die Banken noch eine weitere Eigenschaft der Bundesanleihen: Sie können jederzeit bei der Europäischen Zentralbank als Sicherheit hinterlegt werden. Im Gegenzug gibt es dafür eine Gutschrift aufs Girokonto. Dieses Buch- oder Giralgeld kann dann an Firmen und Häuslebauer wieder gewinnträchtig weiterverliehen werden.
Unterm Strich werden annähernd drei Viertel der deutschen Schulden von Banken und Sparkassen im In- und Ausland beglichen. Das fehlende Viertel wird größtenteils von Versicherungen übernommen.
Attraktiv können solche Staatspapiere auch für Kleinanleger sein. Diese spielen aber aus Sicht der Finanzagentur nur eine kleine und letztlich vor allem politisch motivierte Nebenrolle. "Nur" zwischen 5 und 10 Milliarden Euro dürften die Bundesbürger im laufenden Jahr in Bundesschatzbriefen ansparen.
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