Wie Bayern Barca bezwang: „Natürlich mit Powerpoint“
Für die Bayern kommt der verblüffend deutliche Sieg über den FC Barcelona nicht überraschend. Für die Münchner ist es die logische Folge guter Arbeit.
MÜNCHEN taz | „Wahnsinn“ war es für Arjen Robben, und Thomas Müller fand sich selbst „geil“. Die beiden Fußballer versuchten in große Worte zu fassen, was sie gerade erlebt hatten. Die anderen Spieler dieses unglaublichen FC Bayern München taten sich schwer mit Kraftausdrücken der Freude nach diesem irren 4:0 im Halbfinalhinspiel der Champions League gegen den FC Barcelona.
Sie verhielten sich noch eine Stunde nach dem Abpfiff so, als müssten sie noch stundenlang weiterspielen, sich weiter konzentrieren, weiter am Plan arbeiten, den ihnen ihr Trainer mit in das Spiel gegeben hatte. Und sie wirkten so, als würden sie wirklich noch ein paar Stunden weiterspielen können, weiterrennen, weiterwerkeln.
Die Bayern können Fußballspielen. Das hat man schon oft sehen können in dieser Saison. Was dabei rauskommt, wenn sie dazu auch noch Fußball arbeiten, das konnte man am Dienstag beobachten. Das 4:0 war am Ende ein Triumph der körperlichen Überlegenheit. Es war ein ziemlich deutscher Sieg über depressive katalanische Feinfüßler.
Für Jupp Heynckes war es ein logischer Sieg. Er habe die Mannschaft vorbereitet, „natürlich mit Powerpoint“, und die Mannschaft hätte einfach getan, was er ihnen gesagt habe. Und all die anderen Gegner, die der FC Barcelona in den letzten Jahren an den Rande der Verzweiflung gespielt hat, hatten die keinen Plan? Heynckes war ein merkwürdig arroganter Genießer an diesem Abend.
Auf die Defensive konzentriert
Ja, Barcelona sei ein Team von großer Qualität. Mehr aber nicht. Wenn man sich richtig vorbereite, dann gewinne man eben. Dabei habe er sich hauptsächlich auf die Defensive konzentriert. Was er im Spiel dann gesehen hat, was ihm die Spieler da geboten haben, dürfte ihm gefallen haben.
Thomas Müller zum Beispiel, der zwei Tore geschossen hat, vor allem aber seine Mitspieler mit den Armen rudernd immer wieder dazu aufgefordert hat, weiter vorne zu verteidigen. Oder Mario Gomez, der diesen Aufforderungen immer nachgekommen ist. Oder Arjen Robben, der zusammen mit Philipp Lahm bisweilen eine doppelte Außenverteidigung gebildet hat.
Und natürlich Javier Martínez, der so giftig war, dass er das an diesem Tag gar nicht so fabelhafte Trio Andres Iniesta, Xavi Hernandez und Lionel Messi (der Weltfußballer hat auch mitgespielt) schier zur Verzweiflung gebracht hat. „Wir wollten zu null spielen und das ist uns, glaube ich, gelungen“, sagte Heynckes nach dem Spiel. Doch, doch, Herr Heynckes, das ist gelungen. Und wie!
Die Reporter versuchten ihm Worte des Überschwangs zu entlocken, fragten nach der Bedeutung des Sieges über die Mannschaft, die beinahe eine Dekade lang als stilbildend im Weltfußball galt, und bekamen nichts als stille Selbstzufriedenheit zurück. Vier Tore, wie kann das sein? „Dass wir nach vorne gut Fußball spielen können, haben wir schon oft gezeigt.“ Ja, gegen Fürth, gegen Hannover, gegen den Hamburger SV.
Perfekter Balleroberungsfußball
„Das war im Halbfinale gegen Juventus nicht anders“, meinte Heynckes, der dem Team des FC Bayern einen beinahe perfekten Balleroberungsfußball beigebracht und es zum Favoriten auf den Sieg in der Champions League geformt hat. Er war nicht der einzige Münchner an diesem Abend, der so tat, als sei der Triumph vom Dienstag die logische Folge guter Arbeit.
Kapitän Philipp Lahm hatte sofort nach dem Schlusspfiff das Rückspiel im Sinn: „Nächste Woche müssen wir gerade in der Defensive genauso arbeiten.“ Und am liebsten hätte man ihm zurufen wollen: „Jetzt freu dich doch mal!“ Aber mehr als der Satz: „Klar kann man einen solchen Sieg schwer fassen“, war dem wieder einmal herausragenden Außenverteidiger nicht zu entlocken. Sie waren coole Sieger, diese Bayern.
Wie sehr sich Uli Hoeneß, der steuerhinterziehende Präsident des FC Bayern, gefreut hat über den Sieg, war nicht zu erfragen. Er war tatsächlich ins Stadion gekommen und wird sich vielleicht gewundert haben, dass ihm und seinem „Fehler“ (Hoeneß, Beckenbauer) nur ein einziges kleines Transparent gewidmet war in der riesigen Arena. „Vergelt’s Gott“ war darauf zu lesen, der bigotte bairische Ausdruck für Danke.
Dass Hoeneß das Spiel überhaupt hat ansehen dürfen, hat er dem Richter zu verdanken, der ihn im März, nachdem ein Haftbefehl gegen ihn erlassen worden war, gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt hat. Fünf Millionen Euro soll Hoeneß gezahlt haben. Mehr hat sicher keiner geblecht, um das Spektakel gegen Barcelona anschauen zu können.
Zum Opfer mutiert
Jupp Heynckes hatte zu arbeiten an diesem Abend und so konnte er sich nicht einreihen unter die Schulterklopfer auf der VIP-Tribüne, für die Hoeneß längst zum Opfer mutiert ist. Heynckes sprach, als er auf die Causa Hoeneß angesprochen wurde, von „Presse-Exzessen“ und erinnerte an die Berichterstattung über den zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff.
Als es wieder ums Spiel ging, meinte der Trainer: „Ich freue mich sicher auch für den Präsidenten.“ Und: „Sie wissen, dass der Präsident mein Freund ist, jetzt mehr denn je.“ Der Präsident, der Präsident, der Präsident. Arjen Robben widmete dem Klubchef gar den Sieg.
Nein, wie ein Verbrecher wurde Hoeneß wahrlich nicht behandelt an diesem Abend, schon gar nicht von Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. Der sagte: „Ich glaube, es ist wichtig, dass man in einer schwierigen Situation auch loyal zu seinem Freund steht, und der gesamte FC Bayern steht total loyal zu Uli Hoeneß.“ Hoeneß selbst ließ via Sport-Bild ausrichten: „Mir ist klar, dass meine Glaubwürdigkeit darunter leidet. Aber da muss ich jetzt durch.“
Von den Gegnern aus Barcelona ohnehin nicht. Die waren nach dem Spiel mit sich selbst beschäftigt, einfach nur traurig, wie Cotrainer Jordi Roura sagte. Er ließ nicht den Hauch eines Zweifels zu, dass der Sieg der Bayern unverdient gewesen sein könnte. „Sie waren uns körperlich überlegen“, meinte er und wollte gar nicht lange über Schiedsrichter Viktor Kassai schimpfen, der Gomez’ Abseitsstellung vor dem 2:0 übersehen hatte und auch nicht abgepfiffen hatte, als Thomas Müller vor Robbens 3:0 einen Gegenspieler foulte.
Er sah es wie alle anderen an diesem Abend. Die Bayern waren einfach besser. „Wir konnten nicht dagegenhalten“, sagte Cotrainer Roura am Ende eines Abends, an dem sich vielleicht die Machtverhältnisse im europäischen Fußball verschoben haben. Barça konnte nicht dagegenhalten. Ja, genau so war’s.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles