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Widerstand gegen KürzungspolitikWo der Frosch die Locken hat

Neuköllns Stadträtin Sarah Nagel (Linke) droht damit, Kürzungen im Jugendbereich nicht umzusetzen. So will sie Druck auf den Senat aufbauen.

Die Jugendclubs – hier der Frosch vor dem Eingang zur „Manege“ – will Neuköllns Stadträtin Sarah Nagel auf keinen Fall schließen Foto: Adriano Coco/imago

Berlin taz | Überall in Berlin herrscht das große Zittern, wo der Sparhammer bald wieder zuschlagen wird. Die Verhandlungen über den nächsten Doppelhaushalt 2026/27 sind in vollem Gang und schon jetzt ist klar, dass es vor allem für den Sozial- und Bildungsbereich düster aussieht.

Die Neuköllner Jugendstadträtin Sarah Nagel (Linke) hat nun angekündigt, Sparmaßnahmen in ihrem Bereich nicht mitzutragen. Mehr als 2 Millionen Euro pro Jahr solle sie weniger ausgeben, real fehlten ihr rund 1,6 Millionen in 2026 und etwa 1,8 Millionen in 2027, erklärte sie am Mittwoch der taz. „Ohne Schließung von Einrichtungen, etwa Jugendclubs, Familienzentren oder Schulsozialstationen, ist das nicht möglich. Aber das mache ich nicht.“

Vorige Woche hatte das Neuköllner Bezirksamt erklärt, dass dem Bezirk pro Haushaltsjahr etwa 20 Millionen Euro weniger zur Verfügung stehen als zur Aufrechterhaltung der derzeit erbrachten Leistungen benötigt wird. Alle Ämter und Geschäftsbereiche seien daher aufgerufen, effizienter zu arbeiten und alle „steuerbaren Ausgaben auf ihre unbedingte Erforderlichkeit hin zu überprüfen“.

Dabei geht es vor allem um sogenannte freiwillige soziale Leistungen – bei staatlichen Pflichtaufgaben kann nicht gekürzt werden. Infrage kommen daher vor allem Angebote der Kinder- und Jugendarbeit – Nagels Bereich – sowie Spiel- und Sportangebote im öffentlichen Raum oder auch die Pflege von Grünanlagen.

Nagel hat einfach den vollen Bedarf angemeldet

Das Bezirksamt hatte am 10. Juni die Eckwerte für den neuen Doppelhaushalt beschlossen und damit die vom Senat zugewiesene Globalsumme für Neukölln auf die einzelnen Geschäftsbereiche und Ämter verteilt. „Wir Stadträte sollen nun vorschlagen, wo diese Minderausgaben stattfinden sollen“, erklärt Nagel. Dem habe sie sich jedoch verweigert und im Plan „die vollen Bedarfe angegeben“.

Was ihre Weigerung letztlich für Konsequenzen hat, ließ Nagel offen. Hermann Nehls, Sprecher der Neuköllner Linken, stellte sich hinter die Stadträtin. Der CDU-SPD-Senat spare die Bezirke kaputt, das treffe Neukölln als Bezirk mit viel Armut besonders hart. „Wir fordern vom Senat eine ausreichende Finanzierung der Bezirke und ihrer wichtigen sozialen Angebote“, sagte er.

Druck hatte schon einmal Erfolg

Vor zwei Jahren, als es um den Doppelhaushalt 2024/25 ging, hatte Neuköllns Bürgermeister Martin Hikel (SPD) selber mit einer Sparliste öffentlich gemacht, welche Angebote gestrichen werden müssten, wenn der Senat nicht deutlich mehr Geld gibt. Andere Bezirke hatten sich der Warnung vor einem sozialen Kahlschlag angeschlossen. Am Ende gab es 100 Millionen Euro für alle Bezirke mehr, gefordert hatten sie 250 Millionen.

So wurde letztlich weniger gespart als geplant, auch weil viele Senatsverwaltungen einen Nachschlag bekamen. Schon da kam die Befürchtung auf, dass der nächste Doppelhaushalt wirklich ein Sparhaushalt wird.

Auch Nagel ahnt, „dass das Land heute noch weniger gewillt ist, den Bezirken mehr Spielraum zu geben“. Dennoch wolle sie versuchen, Druck aufzubauen und die Diskussion über Kürzungen anzukurbeln.

Der Eckwertebeschluss und seine Folgen für Neukölln waren am Mittwochabend auch Thema in der Bezirksverordnetenversammlung. Vor der Tür hatte die Linke eine Kundgebung gegen das „Spardiktat des Senats“ organisiert.

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