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Widerstand gegen Israels AnnexionspläneResignation statt Protest

Die Führung in Ramallah mobilisiert gegen die israelischen Annexionspläne. Doch im Westjordanland bleibt es bislang eher ruhig.

PLO-Fahnenmeer in Jericho Foto: Mohamad Torokman/reuters

Berlin taz | Es sah nach einem Erfolg aus: Rund eine Woche vor der möglichen Verkündung erster Annexionsschritte durch Israel haben Tausende Palästinenser*innen im Westjordanland gegen die geplante Landnahme Israels protestiert. Dazu aufgerufen hatte die Fatah von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas.

Über den Köpfen der Teilnehmer*innen in Jericho wehten am Montagnachmittag palästinensische Fahnen; und hoher Besuch war auch da: Der Nahostbeauftragte der Vereinten Nationen, Nikolaj Mladenow, wiederholte die UN-Position, dass eine Annexion von Teilen des Westjordanlands nicht mit internationalem Recht vereinbar wäre.

Ähnlich äußerten sich die Botschafter aus Russland, China, und Jordanien, die ebenfalls nach Jericho gekommen waren. Auch Sven Kühn von Burgsdorff, der EU-Vertreter in den palästinensischen Gebieten, betonte: Eine Annexion würde der Aussicht auf eine Zweistaatenlösung echten Schaden zufügen und werde „nicht unangefochten“ bleiben. „Heute kam die Welt zu uns und sagte uns, dass wir nicht allein sind“, resümierte Saeb Erekat, Generalsekretär der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO).

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Doch auch wenn die internationale Rückendeckung für die Palästinenser*innen zunimmt: Der von offizieller Seite organisierte Protest kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es jenseits davon bislang still bleibt, obwohl die von der israelischen Regierung angekündigte Annexion möglicherweise nur noch Tage entfernt ist. Ab kommendem Mittwoch kann Premierminister Benjamin Netanjahu erste Schritte einleiten.

Vor zwei Wochen gelang es Abbas’ Autonomiebehörde kaum, 200 Leute zu einer Demonstration auf dem zentralen Manara-Platz in Ramallah zu bringen. Eine nicht offiziell organisierte, in der Bevölkerung verankerte Protestbewegung gegen die Annexionspläne gibt es nicht.

Wirtschaftskrise im Westjordanland

„Das Gefühl der Ohnmacht ist riesig“, meint der amerikanisch-palästinensische Autor Toufic Haddad, der in Jerusalem lebt. „Die Palästinenser*innen sind eindeutig die schwächere Partei und die bisherigen Mittel des Widerstands haben nicht funktioniert: nicht die Friedensverhandlungen, nicht der militärische Kampf, nicht der Volksaufstand. Ein neuer Weg müsste noch erfunden werden.“

Hinzu komme die ökonomische Krise durch Covid-19. „Die Palästinenser*innen sind damit beschäftigt, für ihren Lebensunterhalt zu kämpfen“, sagt Haddad, der in Jerusalem lebt, „viele sind verschuldet.“

Einer, der die Krise spürt, ist Chaled Dschum’a*, Besitzer eines kleinen Supermarkts in al-Tireh, einem Stadtteil von Ramallah. Während des Lockdowns hat der 58-Jährige an einigen Tagen buchstäblich nichts verkauft.

„Ich hoffe, die Palästinensische Autonomiebehörde löst sich auf“, sagt er und holt eine Marlboro aus seiner Zigarettenpackung, dem vielleicht einzigen Überbleibsel seines amerikanischen Traums. Vor acht Jahren hat Dschum’a seinen Supermarkt in den USA verkauft, um wegen seiner Eltern in seine Heimat zurückzukehren. „Es war ein Riesenfehler. Hier gibt es nur korrupte Politiker und Probleme.“

Genaue Annexionspläne unbekannt

Nuri Bseiso*, Lehrerin aus Ramallah, sieht einer Annexion sogar mit Hoffnung entgegen: „Ein Teil von mir wünscht sich, dass mein Heimatdorf annektiert wird“, sagt die 49-Jährige. Rund 30 Kilometer von Ramallah entfernt, in dem arabischen Dorf al-Sawiya, ist sie aufgewachsen. Al-Sawiya liegt in der Nähe der israelischen Siedlung Ariel. Sollte Netanjahu mit seiner Ankündigung ernst machen, könnte dies auch Bseisos Heimatdorf betreffen. Genaue Pläne hat die Regierung bislang aber nicht bekanntgegeben.

Dass Bseiso einer Annexion auch Gutes abgewinnen kann, hätte sie niemals gedacht, als sie zwischen 2005 und 2009 noch in Deutschland arbeitete und optimistische Vorträge über Palästina hielt. Sie habe sich damals als „romantische Patriotin“ bezeichnet, erzählt sie. Die zweite Intifada war vorbei, die ökonomische Situation in den besetzten Gebieten hatte sich etwas verbessert. „Doch seitdem ich zurück bin, gehe ich nicht mehr wie in Deutschland auf die Straße. Wenn ich unliebsame Kritik übe, habe ich immer Angst, dass ich verhaftet werde.“

Hinter vorgehaltener Hand hört man dies von vielen. Bseisos Einschätzung der Demonstration vom Montag fällt entsprechend aus: Sie sei gefloppt, die Bevölkerung habe die Fatah damit „bestrafen“ wollen.

Auch für den 27-jährigen Fotojournalisten Ahmad Al-Bazz sind die Kundgebungen der Fatah reine Lippenbekenntnisse: „Der geplanten Annexion sind Hunderte kolonisierende Schritte vorausgegangen, die seit Jahren vorgenommen werden“, sagt er. „Die Autonomiebehörde war nie daran interessiert, dem etwas entgegenzusetzen.“ De facto sei ohnehin schon alles annektiert, sagt er – ein Tenor, der in der palästinensischen Gesellschaft oft zu hören ist.

* Namen geändert

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