Weser bleibt flach: Europa-Richter entscheiden Schicksal der Weser
Die Weser darf bis auf weiteres nicht ausgebaggert werden, verfügt das Bundesverwaltungsgericht. Zunächst soll der Europäische Gerichtshof das EU-Naturschutzrecht verbindlich auslegen. Das kann Jahre dauern. Auch geplante Elbvertiefung unsicher.
Die Ansage ist deutlich: „Gegenwärtig darf mit dem Ausbau der Weser nicht begonnen werden“, erklärte am Donnerstag das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Eine Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt würde „zur Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses führen“. Vor einem abschließenden Urteil aber müsse der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg als höchste Rechtsinstanz der EU vier Fragen zur Auslegung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie beantworten. Das kann Jahre dauern und dürfte auch für die geplante Elbvertiefung wichtig sein, über die das Bundesverwaltungsgericht im Herbst verhandeln will.
Deutschlands oberstes Verwaltungsgericht kritisiert, dass für die drei Bauabschnitte an der Weser nicht drei Planfeststellungsverfahren gemacht wurden. Deshalb habe es nicht drei gesonderte Umweltverträglichkeitsprüfungen gegeben, sondern nur eine Gesamtprüfung. Es sei aber zwingend die Zulässigkeit jedes Einzelvorhabens zu prüfen. „Die mit dem Ausbau der Außenweser verfolgten Ziele können zur Rechtfertigung der Vertiefung der Unterweser nichts beitragen, Gleiches gilt umgekehrt“, stellt das Gericht klar.
Darüber hinaus sollen vor einer endgültigen Entscheidung die Antworten des EuGH auf vier Grundsatzfragen abgewartet werden. Die Leipziger Richter wollen von den Luxemburgern wissen, ob das „Verschlechterungsverbot“ der EU-Wasserrahmenrichtlinie für den ökologischen Zustand von Gewässern absolut zu verstehen sei oder Ausnahmen zulasse, zudem erbitten sie eine Definition des dort ebenfalls verankerten „Verbesserungsgebots“ für Gewässer. Diese Fragen seien – neben der Kritik an den Planfeststellungsbeschlüssen – „entscheidungserheblich“.
Damit gab das Gericht in weiten Teilen der Klage der Umweltorganisation BUND statt. Deren Rechtsanwalt Rüdiger Nebelsieck erklärte, das Gericht habe der Klägerseite in elf von 15 Punkten Recht gegeben. Die vom Gericht auferlegten Hürden seien so hoch, dass sie kaum überwunden werden könnten. Dagegen sagte Rechtsanwalt Wolfgang Ewer, der die Planungsbehörden vertritt, die bemängelten Punkte könnten geklärt werden. Die Unterlagen würden so schnell wie möglich nachgebessert.
Zudem kündigte Ewer weitere Sondierungsgespräche mit den Umweltverbänden an. Diese waren nach der mündlichen Verhandlung in Leipzig Mitte Mai aufgenommen worden, aber ergebnislos geblieben.
Die Vertiefungen von Weser und Elbe sollen die Erreichbarkeit von vier Häfen für Großcontainerschiffe sichern.
Außenweser: Sie soll auf 65 Kilometern Länge so ausgebaggert werden, dass Schiffe mit einem Tiefgang von 13,5 Metern tideunabhängig Bremerhaven anlaufen können.
Unterweser: Sie soll auf 57 Kilometern Länge so vertieft werden, dass der niedersächsische Hafen Brake von Schiffen mit 12,8 Metern Tiefgang und Bremen von Schiffen mit 11,1 Metern Tiefgang tideabhängig zu erreichen ist.
Unterelbe: Sie soll auf 120 Kilometern Länge so vertieft werden, dass der Hamburger Hafen von Schiffen mit einem Tiefgang von 13,5 Metern tideunabhängig angelaufen werden kann.
Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) bedauert, „dass leider weiterhin keine Klarheit herrscht“. Jedoch müsse die Wettbewerbsfähigkeit der bremischen Häfen nachhaltig gesichert werden. Seine Stellvertreterin Karoline Linnert (Grüne) fordert, die Vergleichsgespräche mit dem BUND sollten intensiviert werden. Zugleich sollten eventuell notwendige Anpassungen der Planungen „so schnell wie möglich auf den Weg gebracht werden“.
Dass die in ihrer Rechtsposition gestärkten Umweltverbände jetzt zu weiteren Verhandlungen bereit sind, ist zweifelhaft. Der Ausbau der Weser sei „überflüssig“, erklärte Carl-Wilhelm Bodenstein-Dresler, Geschäftsführer des BUND-Niedersachsen. Wenn immer größere Schiffe ganztägig fahren sollten, werde eine Todesspirale in Gang gesetzt.
„Weitreichende Folgen für die Elbvertiefung und die deutsche Gewässerpolitik insgesamt“, erwarten der BUND, der Naturschutzbund (Nabu) und die Umweltstiftung WWF in Hamburg. Sie hätten mehrfach „auf Planungsfehler und Widersprüche zum europäischen Wasserrecht hingewiesen“, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung. Sie rechnen nicht mehr mit einer Zustimmung des Bundesverwaltungsgerichts zur Elbvertiefung.
Das sieht die zuständige Hamburger Wirtschaftsbehörde völlig anders. Mit dem Beschluss des Gerichts zur Weser sei für die Elbe „nichts vorweggenommen“, sagt Behördensprecherin Susanne Meinecke. Auch seien Gespräche mit den Umweltverbänden über einen reduzierten Ausbau für Hamburg „keine Option“.
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