piwik no script img

Werder Bremen verabschiedet AiltonAaaa-ilton, ha-ha-haa

Kolumne
von Johannes Kopp

Zum Abschied lässt man bei Werder Bremen den Ex-Stürmer Ailton nochmal hochleben. Dabei haben viele auf den Brasilianer herabgesehen.

Wird noch einmal gefeiert: Ailton (Archivbild 2013) Bild: dpa

Ailton, oho! Ailton, ohohoho!“, werden die Werder-Fans am Samstag ein letztes Mal mit voller Inbrunst singen. Seit Wochen ist die Arena in Bremen ausverkauft. Der mittlerweile 41-jährige Brasilianer ist zu einer lebenden Werder-Legende geworden und wird nun mit einem Abschiedsspiel und gewiss vielen hehren Reden geehrt. Und es braucht nicht viel Fantasie, um sich den Wortbaukasten vorzustellen, aus dem sich die Abschiedsredner bedienen werden.

Von der „ehrlichen Haut“, vom „Unikum“, „Paradiesvogel“ und dem „Kugelblitz“ wird gewiss gesprochen werden. Ailton hat fraglos Bundesligageschichte geschrieben. Mit einer bewundernswerten Effizienz erzielte er unzählige Treffer. Als erster Ausländer wurde er in Deutschland zum Spieler des Jahres gewählt. Man wird ihn noch einmal auf einen Sockel heben und ihn hochleben lassen.

Gilt der Stürmer doch auch als Beleg dafür, welch verrückte Typen diese Liga zutage fördert. Gern erinnert man sich, wie er mal auf dem Pferd zum Training ritt oder für 333 Euro mit dem Taxi ins Trainingslager nach Norderney nachreiste.

Wie brüchig es unter diesem Sockel ausschaut, dafür interessiert sich derweil keiner. Das gehört zur Scheinheiligkeit dieses Bundesligazirkusses. Denn im Grunde genommen haben schon immer alle auf Ailton herabgesehen. Er wurde belächelt für seine Beleibtheit, seine Bequemlichkeit, sein schlechtes Deutsch und letztlich auch für seine Einfältigkeit.

Bei Werder warf er noch seine unnachahmliche Klasse vor dem gegnerischen Tor in die Waagschale und blieb so einigermaßen im Gleichgewicht. Danach folgte der Absturz. Seine Stationen wurden immer kürzer und skurriler. Nach Aufenthalten in Österreich und China kickte er für den FC Oberneuland und Hassia Bingen (sechste Liga).

Der Boulevard zog ihn bis zuletzt mit dem Nasenring durch die Manege. Während die Bild-Zeitung sich moralisch empörte, dass Ailton im Ausland als „Dickerchen“ verspottet würde, druckte sie Interviews des radebrechenden Brasilianers im genauen Wortlaut ab. („Ailton immer gewinne, auch wenn verlier.“) Seine Geldschulden machten ihn zu einem leichten Opfer. Er hat den falschen Freunden vertraut und wurde stets schlecht beraten. Willig ließ er sich im „Dschungelcamp“ vor einem großen Publikum vorführen. Danach erkor man ihn dazu aus, „Upps! Die Pannenshow“ zu moderieren.

Ailton ist immer mehr zu einem Objekt der allgemeinen Belustigung geworden. Ein Umstand, der seiner Beliebtheit eher zuträglich war. Schließlich konnte sich ihm ein jeder, der ins Stadion ging, überlegen fühlen. Und so wird man ihn auch bei seinem Abschied in Bremen eher belächeln als bewundern. Man wird in der Vergangenheit schwelgen, als Ailton nicht nur eine Lach-, sondern eine große Nummer auf dem Platz war. Dass der Bundesligaruhm ihm auch schweren Schaden zugefügt hat und er nun vor einer ungewissen Zukunft steht, das gehört zu den Begleiterscheinungen des Geschäfts, über die man lieber vornehm schweigt.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Aha, und wo bleibt der Artikel, wie es dann am Samstag wirklich gewesen ist? War der Autor im Stadion oder wenigstens in Bremen, um die Stimmung zu fühlen? Oder genügen ihm seine unsinnigen Behauptungen und Prognosen? "Schließlich konnte sich ihm ein jeder, der ins Stadion ging, überlegen fühlen. Und so wird man ihn auch bei seinem Abschied in Bremen eher belächeln als bewundern." Was für eine Unverschämtheit, Herr Kopp! Ein Leser weniger.