piwik no script img

Werbeverbot für Süßigkeiten in SpanienNichts Ungesundes für Kinder

Spaniens Regierung plant, auf Kinder zielende Werbung für ungesunde Lebensmittel zu untersagen. Solche Forderungen gibt es auch in Deutschland.

Kinder essen gerne viel Süßigkeiten, auch in Spanien. Noch mehr, wenn sie dazu Werbung sehen Foto: imago

Madrid taz | Die spanische Regierung will an Kinder gerichtete Werbung für „ungesunde“ Nahrungsmittel verbieten. Verbraucherschutzminister Alberto Garzón von der linksalternativen Unidas Podemos (UP) kündigte an, Fernseh- und Radiowerbung für Süßigkeiten, Kekse, Eis, kalorienhaltige Getränke und andere als „ungesund“ geltende Lebensmittel, die sich an Minderjährige richtet, zu untersagen. Auch Onlinewerbung ist von dem Bann betroffen.

Ebenso sollen einige Snacks oder Saucen nicht mehr beworben werden, wenn sie bestimmte Grenzwerte überschreiten. So dürfen salzige Snacks beispielsweise 0,1 Gramm Salz pro 100 Gramm nicht überschreiten und keinen Zucker enthalten.

Das Werbeverbot wird während den Zeiten gelten, zu denen verstärkt Kinder und Jugendliche vor Fernseher und Radio sitzen. Das ist Montag bis Freitag zwischen 8 und 9 Uhr sowie zwischen 17 und 20 Uhr, an Sonn- und Feiertagen wird ein morgendliches Werbeverbot von 9 bis 12 Uhr gelten. Auf Kinderkanälen darf überhaupt nicht mehr für die fraglichen Produkte geworben werden.

Auch in Deutschland mehren sich Forderungen nach einem Werbeverbot für Süßkrams für Jüngere: Laut einer Untersuchung der Verbraucherorganisation Foodwatch vom August enthalten 86 Prozent der rund 280 für Kinder beworbenen Nahrungsmittel großer Hersteller in Deutschland mehr Zucker, Fett und/oder Salz, als die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt.

Auch nicht auf Websites oder in Netzwerken

In Spanien darf die Süßigkeitenwerbung künftig auch nicht auf Websites, sozialen Netzwerken, mobilen Apps, im Kino und in Printmedien erscheinen, wenn sich die Inhalte gezielt an Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren richten. Das Gesetz soll so schnell wie möglich dem Parlament vorgelegt werden, damit es Anfang kommenden Jahres in Kraft treten kann.

Fast ein Viertel aller Spanier leide unter Übergewicht, jeder sechste unter Fettleibigkeit, sagte Minister Garzón. „Bei Kindern zwischen sechs und neun Jahren sind es insgesamt über 40 Prozent. Das sind alarmierende und besorgniserregende Zahlen“.

Spanien ist bei Kinderfettleibigkeit Land Nummer 4 in Europa hinter Malta, Kroatien und Italien. Laut Garzón trete das Phänomen bei sozial schwachen Familien doppelt so häufig auf wie in den reichen.

Die bisherigen Kampagnen, die unter anderem auf eine freiwillige Selbstkontrolle der Werbetreibenden setzte, habe keinen Erfolg gezeigt, beklagt der Minister. „Kinder sind ein gefährdeter Teil der Bevölkerung, der sich über die Auswirkungen des Konsums nicht bewusst ist“, fügte Garzón hinzu.

Die Vertreter der betroffenen Industrie reagierten empört. Das Werbeverbot sei „ein durch nichts zu rechtfertigender Angriff“, erklärte der Verband der Lebensmittel- und Getränkeindustrie. Die Unternehmen erhielten Unterstützung aus den Reihen der konservativen Partido Popular (PP).

„Drogen ja, Süsses nein“, erklärte etwa die Regierungschefin der Hauptstadtregion Madrid Isabel Díaz Ayuso und erinnerte daran, dass UP erst vor wenigen Tagen für die Legalisierung von Cannabis gestimmt hatte. Das Gesetz fiel durch, da die Abgeordneten des großen Koalitionspartners, der Sozialisten von Ministerpräsident Pedro Sánchez, gemeinsam mit der PP und der rechtsextremen VOX gegen dieses Vorhaben stimmten. Ayuso hatte in den Monaten des Lockdowns an bedürftige Kinder als Ersatz für die Schulspeisung Fast Food verteilen lassen.

Laut Studien nehmen Kinder, die Werbung für Lebensmittel sehen, tatsächlich mehr Kalorien zu sich. Bis zum Alter von 4 Jahren können sie noch gar nicht zwischen Werbung und dem normalen Fernsehprogramm unterscheiden. Dabei trägt der Verzehr von Junkfood dazu bei, dass Kinder dick werden. In Deutschland gelten etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen gelten als übergewichtig. Sie haben später ein höheres Risiko für Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes und Herzprobleme.

Auch in Deutschland gibt es freiwillige Selbstverpflichtungen der Industrie, kein Junkfood unter Kindern bis zu 12 Jahren zu bewerben oder die Rezepturen ausgewogener zu gestalten.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Ich finde das grandios!



    Egal welcher Coleur die Partei(en) sein mögen, die das veranlassen, sie hätten mein Vertrauen, dass es ihnen nicht nur um Profit und Posten geht.

  • Es gibt also doch noch vernünftige Regierungen!



    Hoffentlich nehmen sich andere Länder ein Beispiel.

  • Ach ... nun mal langsam mit den jungen Pferden ...



    Ich höre schon wie die Lobbiisten der Food-Industrie die Messer wetzen.

    Ich mache mal die Avodado Diavolo:

    Als erstes behaupte ich, dass sei mit dem Europarecht nicht vereinbar.

    Dann behaupte ich, dass es keine ungesunden Lebendmittel gibt. Es gibt nur ungesunde Ernährungsgewohnheiten denn die Dosis macht das Gift.

  • Bitte sofort in der gesamten EU!!! Zucker ist die tödlichste Droge weltweit

  • Es ist immer wieder gut zu wissen, dass es Parteien gibt, die einfach bestimmen, was einem gut tut und was nicht. Eigenes Denken wird nicht mehr nötig sein. Top!

    • @Hennes:

      Es geht doch um Werbeverbote. Werbung manipuliert das Denken. Gerade Kinder und Jugendliche sollte man davor schützen. Daher stärkt man doch die Fähigkeit, selbst zu denken.



      Wenn sie sich denkend dafür entscheiden, sich weiter ungesund zu ernähren, ist das immernoch ohne Probleme möglich

    • @Hennes:

      Aha, für sie übernimmt das Denken die bekanntermaßen überaus fürsorgliche Nahrungsmittelindustrie bzw. die entsprechenden Werbetreibenden?