: Wenn der Winter zur Waffe wird
Israel blockiert weiter teilweise die Einfuhr von Hilfsgütern nach Gaza – und möchte den Zugang für unabhängige Hilfsorganisationen verbieten
Aus Beirut Julia Neumann
Stürme, starker Regen bis hin zu Fluten, die Zelte überschwemmen. Der Winter ist besonders hart für die Menschen in Gaza. In dem von Israel besetzten Gebiet wurden mehr als 1,7 Millionen Menschen vertrieben, meldet das UN-Amt für Humanitäre Hilfe (Ocha). Viele leben in überfüllten Notunterkünften, unter Zeltplanen auf dem bloßen Boden, meist zigfach vertrieben, ohne ausreichend Wasser, Nahrung oder Medizin.
Trotz eines Waffenruhedeals gehen israelische Angriffe weiter. Seit dem 10. Oktober wurden 406 Menschen getötet, zählte das Gesundheitsministerium. Die israelische Armee besetzt weiterhin über 50 Prozent Gazas durch Soldaten. Dort, hinter der sogenannten gelben Linie, werden Palästinenser per se als Gefahr angesehen und von israelischen Soldaten erschossen, berichten unter anderem der Guardian und die israelische Organisation Gisha. Laut Ocha werden dort „täglich weiterhin Wohngebäude abgerissen“.
Nach über zwei Jahren, in denen Israels Armee Krankenhäuser zerstört, Krankenwägen angegriffen und medizinisches Personal getötet oder verschleppt hat, fehlt es an der grundlegenden Gesundheitsversorgung. Israel hatte durchgehend Hilfslieferungen blockiert, teilweise komplett. Es fehlt an allem: Wasser, Essen, Heizöfen.
Laut Vereinten Nationen (UN) sind 78 Prozent der insgesamt 250.000 Häuser in Gaza zerstört. Sie liegen in Schutt – 61 Millionen Tonnen, entsprechend etwa dem Volumen von 25 Eiffeltürmen, so das UN-Umweltprogramm (Unep) im September. Menschen seien durch einstürzende Häuser bedroht. Hunderttausende Kinder leben in Zelten oder inmitten der Trümmer ihrer Häuser, so das UN-Kinderhilfswerk Unicef. Es mangele an Baumaterialien und provisorischen Unterkünften.
Ein Abkommen vom 10. Oktober 2025 hat zwar wichtige humanitäre Hilfe ermöglicht, doch Israel erlaubt nur begrenzt die Einfuhr. Die UN melden, seitdem seien über 24.000 Tonnen Hilfsgüter an den Grenzübergängen gesammelt worden. Weitere 190.000 Tonnen lägen zur Einfuhr bereit.
Israels Regierung hat neue Registrierungsregeln für internationale Organisationen festgelegt. Durch die neuen Bestimmungen soll Dutzenden Hilfsorganisationen ab dem 1. Januar die Registrierung entzogen werden – damit wären unabhängige und lebensnotwendige Hilfslieferungen sowie die Einreise von humanitären Helfer*innen wieder blockiert.
Ärzte ohne Grenzen warnte am Montag davor, dass durch die Blockaderegeln im nächsten Jahr „Hunderttausende Menschen keine lebensrettende medizinische Versorgung mehr erhalten“. Auch Save the Children meldet, bisher keine Registrierung bekommen zu haben. Die UN warnt entsprechend vor dem Zusammenbruch der humanitären Hilfe für Gaza sowie das von Israel ebenfalls besetzte Westjordanland.
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