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Ethik-Empfehlung der UnescoWenn der Chip im Gehirn hilft

Gehirn-Computer-Schnittstellen können Pa­ti­en­ten etwa mit Schlaganfall helfen. Für ihren Einsatz hat die Unesco nun eine Empfehlung beschlossen.

Eine Testperson steuert über das Berliner Brain Computer Interface einen Flipper-Automaten, allein durch die Kraft seiner Gedanken Foto: Teich/picture alliance

Ein Patient mit ALS, einer unheilbaren Erkrankung des motorischen Nervensystems, die nach und nach den kompletten Körper lähmt, bekommt ein Implantat in sein Gehirn. Die Krankheit ist bei ihm bereits so weit fortgeschritten, dass er nicht mehr sprechen kann. Doch mit dem Implantat, das verbunden ist mit einem Computer, kann er sich wieder mitteilen und via bewusst gesteuerten Gedanken Buchstaben tippen.

Es ist der jüngste bekannt gewordene Fall, in dem ein schwer kranker Mensch durch so eine Gehirn-Computer-Schnittstelle eine Verbesserung seiner Lebensqualität erzielen konnte. Hinter der Entwicklung steht Elon Musks Firma Neuralink, was schon vermuten lässt, dass es hier am Ende nicht primär um Menschlichkeit geht.

Doch Neuralink ist nicht alleine: Wis­sen­schaft­le­r:in­nen forschen schon seit Jahren zu Gehirn-Computer-Schnittstellen und sehen viele Einsatzzwecke: So können zum Beispiel Pa­ti­en­t:in­nen mit Schlaganfall, die danach nicht wieder sprechen gelernt haben, mittels der Schnittstelle mit anderen kommunizieren. Bislang zwar langsamer als im üblichen Sprechtempo, aber immerhin ist eine Kommunikation möglich.

Um Forschung und kommerzielle Zwecke solcher Entwicklungen auf eine ethische Basis zu stellen, hat nun die Unesco eine umfassende Empfehlung beschlossen. Werte wie Nachhaltigkeit stehen dort etwa drin, das Vermeiden von Diskriminierung, die Forderung nach Schutz vor Missbrauch und dem unbefugten Zugriff auf durch Neurotechnologie gewonnene Daten, und dass Menschen immer frei und informiert darüber entscheiden können sollen, ob sie sich daran beteiligen.

Technologie darf nicht zur Einflussnahme verwendet werden

„Wenn die Technologie richtig eingesetzt wird, bietet sie vielen Patienten eine echte Verbesserung ihrer Lebensqualität“, sagt Lutz Möller, stellvertretender Generalsekretär der deutschen Unesco-Kommission. Die am Mittwoch verabschiedete Ethikempfehlung soll sowohl Öffentlichkeit für das Thema schaffen als auch den Regierungen als Basis für Gesetzgebungsverfahren, Förderprojekte oder Forschungsvorhaben dienen.

Manche Textpassagen werfen einen düsteren Blick in die Zukunft: Neurotechnologie dürfe niemals dazu verwendet werden, „Einfluss oder Manipulation auszuüben“, heißt es an einer Stelle. „Wir haben die Empfehlungen mit der Perspektive entworfen, dass sie auch in 5 Jahren noch Bestand haben“, sagt Möller.

Als Beispiel nennt er Neurogaming: Computerspiele, bei denen via Neurotechnologie direkt das Dopaminzentrum des Gehirns aktiviert werden könnte, sofortiger Suchtfaktor inklusive. Oder EEG-Headsets, die zur Steigerung von Leistung oder mentalen Wohlbefindens dienen könnten. Doch dürfe es nicht dahin kommen, dass die Nutzung etwa von einem Arbeitgeber vorgeschrieben werde.

Möllers nächster Schritt und auch der anderer lokaler Unesco-Repräsentant:innen wird nun sein, mit den Empfehlungen auf die jeweiligen Regierungen zuzugehen.

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