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Weniger unbefristete ArbeitsverhältnisseEin „weiter so“ geht nicht

Ob mit oder ohne deutschen Pass: Unbefristete Arbeitsverhältnisse in Deutschland werden immer weniger. Junge Berufseinsteiger trifft es besonders.

Jedes Jahr auf's Neue ein Paradebeispiel für befristete Arbeitsverträge: Weihnachtsmänner Foto: dpa

Düsseldorf epd | Die Zahl der unbefristeten Arbeitsverhältnisse in Deutschland ist in den vergangenen 20 Jahren deutlich zurückgegangen. Im vergangenen Jahr waren nur noch 68 Prozent aller deutschen Vollzeitbeschäftigten unbefristet angestellt im Vergleich zu 74 Prozent im Jahr 1995, wie die Rheinischen Post unter Berufung auf eine Kleine Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion berichtete. Die Zahl der erwerbstätigen deutschen Staatsbürger stieg im gleichen Zeitraum von rund 31 Millionen auf 33,5 Millionen.

Bei den Erwerbstätigen ohne deutschen Pass fiel der Rückgang dem Bericht zufolge noch deutlicher aus: von ebenfalls 74 Prozent vor 20 Jahren auf heute nur noch 56 Prozent unbefristeter Vollzeitjobs. Zugleich stieg die Zahl ausländischer Erwerbstätiger von 2,8 Millionen auf 3,7 Millionen.

Jutta Krellmann, gewerkschaftspolitische Sprecherin der Linksfraktion, sprach von einer „Quittung einer kolossal gescheiterten Integrationspolitik“. Eine sichere, tariflich bezahlte und mitbestimmte Arbeit sei nach wie vor für viele Beschäftigte, ob mit oder ohne deutschen Pass, ein unerreichbarer Traum, sagte Krellmann der Rheinischen Post. Ein „weiter so“ könne es nicht geben.

Besonders betroffen von prekären Arbeitsverhältnissen sind laut Bericht zudem junge Berufseinsteiger. Wie aus den Zahlen des Bundesarbeitsministeriums zu allen Beschäftigten einschließlich der Selbstständigen hervorgeht, befinden sich nur noch etwa zwei Drittel (67,5 Prozent) der Erwerbstätigen unter 25 Jahren in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis. Vor 20 Jahren lag dieser Anteil mit 81 Prozent deutlich höher.

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8 Kommentare

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  • 8G
    86548 (Profil gelöscht)

    Viel Lärm um wenig. Prozentual hat die Zahl tatsächlich abgenommen. Absolut ist sie aber fast gleich geblieben.

    • @86548 (Profil gelöscht):

      Da sind noch viele Altlasten aktiv. In Zeiten in denen Bachelor und Master Absolventen als Praktikanten mißbraucht werden können sind unbefristete Arbeitsverträge (Politisch gewollt) nicht durchsetzbar.

  • Unbefristete Arbeitsverhältnisse gehören der Vergangenheit an, damit muss man nun mal leben.

     

    Ich selbst (momentan kurz vor dem Diplom) machen mir keine Illusionen auf einen unbefristeten Vertrag.

  • Ich hatte vier befristete Arbeitsverträge nacheinander beim selben Arbeitgeber, jeweils für 6 oder 12 Monate. Ich hatte Glück: Der nächste Vertrag enthielt die Entfristung. Das ist wie ein Lottogewinn, weil man ganz anders planen kann mit seinem Budget und auch mit seiner Zeit (Wann kann/soll man Urlaub machen? Soll/Kann man überhaupt? Was ist, wenn der Vertrag nicht verlängert wird - hätte man das geld für den Urlaub nicht besser gespart und und). Man denkt nicht mehr darüber nach, ob man sich denn wirklich krankschreiben lassen kann. Entfristung bedeutet Entspannung auf allen Ebenen.

  • Aber uns geht es doch gut?

  • Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis ist deutlich besser als ein befristetes Arbeitsverhältnis, wobei selbst beim Begin eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses eine Probezeit von 3 bis 6 Monaten üblich ist, d.h. hier steckt abermals eine versteckte Befristung drinnen und die wird auch genutzt. Dass es in Deutschland ein Überangebot an Arbeitskräften gibt, steckt doch dahinter oder anders formuliert, es bieten drastisch mehr Menschen ihre Arbeitskraft an, als verfügbare Arbeitsplätze vorhanden sind. Das ist aber nix wirklich neues, denn bereits 1983 war in Westdeutland eine Massenarbeitslosigkeit erreicht und seit 1990 gibt es sie gesamtdeutsch - mal stärker, mal schwächer, aber kontinuierlich sind Menschen arbeitslos, auch für längere Phasen. Die Befristung wurde absurderweise als eine Therapie gegen diese verfestigte Arbeitslosigkeit verkauft und sie bewirkt prekäre Lebensverhältnisse und benachteiligt die Arbeitnehmer, die sich einer Rosinenpikerei der Arbeitgeber ausgesetzt sehen. Dass vielerorts Arbeitnehmer unbezahlt arbeiten müssen, viele Regelungen nicht von einer Gewerkschaft gemacht oder kontrolliert wurden, verstärkt dies. Und der Staat macht es selbst: Kaum eine Behörde, die nicht befristet einstellt und eben auch wieder entlässt. In vielen Klein- und Mittelbetrieben arbeiten die Arbeitnehmer kontinuierlich unter Druck von Entlassung und Branchenkrisen. Das führt auch zu stagnierenden Löhnen und dem Druck, den Partner/Partnerin auch arbeiten schicken zu müsse und/oder einen Zweit- oder gar Drittjob annehmen zumüssen.

    • @Andreas_2020:

      Sogar die Kirche macht mit.

      • @dator:

        Ja, klar. Gerade im sozialen Bereich wird gerne gespart und das geht am besten bei der Arbeitskraft.