Weniger asylfeindliche Proteste: Rechtsextreme dominieren Demos
Harmlose Namen, rechtsextreme Inhalte: das Erfolgsrezept asylfeindlicher Kundgebungen. Die werden laut einer Studie zwar weniger, aber dafür radikaler.
Damit sei ein Mobilisierungsniveau erreicht worden, „das es im heutigen Land Brandenburg so noch nie gegeben hat“, sagte der Wissenschaftler Christoph Schulze. Der weitaus größte Teil der Aufmärsche habe sich gegen die Flüchtlingspolitik gerichtet, klassische rechtsextreme Themen wie die Geschichtspolitik seien nur Randerscheinungen gewesen. In den Jahren 2000 bis 2014 wurden in Brandenburg pro Jahr vier bis elf einschlägige Straßenaktionen mit mindestens 50 Personen erfasst.
Schwerpunkte der vergangenen beiden Jahre waren das Havelland und der Landkreis Elbe-Elster mit jeweils 16 derartigen Aktionen und die Landeshauptstadt Potsdam mit zwölf Aufmärschen. Die größten Demonstrationen fanden im Januar 2016 mit rund 580 Teilnehmern in Rathenow und rund 600 Personen in Lübben sowie im Februar 2016 mit rund 675 Teilnehmern in Oranienburg statt.
Den größten Zulauf hatten der Studie zufolge Veranstaltungen von Gruppierungen, die sich als parteiübergreifende, prodemokratische und nicht-extremistische Bürgerinitiativen darstellten, aber wesentlich von rechtsextremen Akteuren und Positionen geprägt waren. Dazu zählen verschiedene von der NPD beeinflusste sogenannte „Abendspaziergänge“ in Oberhavel, die „Pogida“-Aktionen in Potsdam und die „Bürgerbündnis“-Veranstaltungen in Rathenow.
Kleinere, aber radikalere Kundgebungen
Rechtsextreme seien an der Initiierung der Proteste beteiligt und bei den Demonstrationen und Kundgebungen „sehr stark präsent“ gewesen, betonte Gideon Botsch, Leiter der neuen Emil-Julius-Gumbel-Forschungsstelle des MMZ über Antisemitismus und Rechtsextremismus. Sie hätten dabei die im Zusammenhang mit der Zuwanderung von Flüchtlingen polarisierte Stimmung ausgenutzt, um ihre Positionen zu verbreiten.
Neonazi-Organisationen wie die NPD und „Der III. Weg“ hätten eine Vielzahl kleinerer Kundgebungen veranstaltet, von denen jedoch nur sechs mehr als 50 Teilnehmer erreichten, hieß es weiter. Die Zahl der Aufmärsche sei in den vergangenen Monaten wieder zurückgegangen, zugleich sei jedoch eine Radikalisierung festzustellen, sagte Schulze. In den letzten drei Monaten des vergangenen Jahres seien fünf asylfeindliche und rechtsextreme Aufmärsche mit mehr als 50 Teilnehmern erfasst worden.
Beim Rückgang der im Herbst 2015 begonnenen Demonstrationswelle ab Mai 2016 spielten vermutlich verschiedene Faktoren ein Rolle, darunter auch die Schließung der von Flüchtlingen genutzten Balkanroute, sagte Schulze. Für die Studie wurden den Angaben zufolge auch Mobilisierungsplattformen für die Aufmärsche ausgewertet. Wichtigstes Medium sei dabei Facebook gewesen.
Mit der Studie wurden den Angaben zufolge die ersten Ergebnisse der neuen Forschungsstelle vorgestellt. Der Mathematiker Emil Julius Gumbel (1891-1966) hatte in den 20er Jahren mit wissenschaftlichen Methoden die Netzwerke der extremen Rechten in der Weimarer Republik untersucht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!