Weniger Entschädigungen als gedacht: Großer Andrang beim Kohleausstieg
Zu den Steinkohlekraftwerken, die nächstes Jahr stillgelegt werden, gehören mit Moorburg und Westfalen auch neuere Anlagen.
Entschieden wird über die Stilllegung in einer Auktion: Die Betreiber von Kohlekraftwerken konnten dabei mitteilen, welche Leistung sie gern stilllegen möchten und wie viel Entschädigung sie dafür fordern; wer den Zuschlag bekommt, richtet sich zum einen danach, wer die geringste Entschädigung fordert, und zum anderen danach, wieviel CO2 ein Kraftwerk ausstößt. Am Dienstag hat die zuständige Bundesnetzagentur die Ergebnisse der ersten Auktion bekannt gegeben. Dabei zeigte sich, dass es ein großes Interesse gibt, Kraftwerke stillzulegen: Die Ausschreibung sei „deutlich überzeichnet“ gewesen, teilte die Behörde mit.
Zudem wurde deutlich, dass sich auch neuere Steinkohlekraftwerke für die Betreiber offenbar nicht mehr rechnen. Zu den Anlagen, die einen Zuschlag bekommen haben, gehören neben den aus den 70er und 80er Jahren stammenden Großkraftwerken Walsum, Ibbenbüren und Heyden in Nordrhein-Westfalen sowie Hafen 6 in Bremen auch die drei jüngsten deutschen Steinkohlekraftwerke: das von RWE betriebene Kraftwerk Westfalen in Hamm und die von Vattenfall betriebenen Blöcke Moorburg A und B in Hamburg.
Diese Anlagen waren erst 2014 und 2015 in Betrieb genommen worden – trotz viel Kritik von Klimaschützer*innen. Gegen Moorburg war vor allem der Bund für Umwelt- und Naturschutz jahrelang juristisch vorgegangen. „Unser zäher Kampf gegen diese Klimakiller hat sich ausgezahlt“, kommentierte Geschäftsführerin Antje von Broock die jetzt beschlossene Stilllegung.
Die Spanne der Entschädigungen ist groß
Der große Andrang bei der Auktion hat dazu geführt, dass die Entschädigungen für die Betreiber geringer ausfallen als erwartet. Der gesetzliche Höchstpreis pro stillgelegtem Megawatt lag bei 165.000 Euro. Erhalten werden die Konzerne im Schnitt aber nur gut 66.000 Euro. Die Spanne ist dabei aber sehr groß: Das günstigste Megawatt geht für rund 6.000 Euro vom Netz, das teuerste für 150.000 Euro. Besonders gut gepokert hat dabei RWE. Aus Angaben des Unternehmens geht hervor, dass es für ein Drittel der stillgelegten Leistung mehr als zwei Drittel der gezahlten Entschädigung erhält.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) begrüßte das Ergebnis. „Die Ausschreibung erweist sich als erfolgreiches und effizientes Mittel, um den Ausstieg aus der Steinkohle zu organisieren“, erklärte sie. Grüne und Umweltverbände kritisierten dagegen, dass die Konzerne überhaupt Geld erhalten. „Das hätte man deutlich billiger haben können“, erklärte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer. „Die meisten der Kohlekraftwerke, die jetzt einen Zuschlag für die Stilllegung bekommen haben, wären zeitnah auch allein aus dem Markt gegangen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Felix Banaszak über das Linkssein
„Für solche plumpen Spiele fehlt mir die Langeweile“
Nach Diphtherie-Fall in Berlin
Das Problem der „Anthroposophischen Medizin“
Nach Ausschluss von der ILGA World
Ein sicherer Raum weniger
Menschenrechtslage im Iran
Forderung nach Abschiebestopp