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Wenig Verständnis für TranspersonenHier gibt es nichts zu sehen

Die Musikerin Anohni will nicht mehr in Deutschland auftreten. Grund dafür ist eine transfeindliche Rezension von „Zeit Online“, sagt sie.

Transgender-Künstlerin Anohni präsentierte eine exklusive Auswahl ihrer Songs in der Elbphilharmonie Foto: promotion

Am Sonntag trat die Sängerin Anohni im Rahmen des New-York-Stories-Festival in der Hamburger Elbphilharmonie auf. Bei Zeit Online erschien eine Rezension zu dem Konzert. Auf diese reagierte die Sängerin mit einem Post auf ihrer Facebookseite. Sie unterstellte dem Autor transfeindliche Äußerungen und kündigte an, deswegen nicht mehr in Deutschland auftreten zu wollen. Mittlerweile ist der Post wieder gelöscht.

Doch die Konzertkritik von Zeit Online zeigt, dass es für Transpersonen in Deutschland noch immer zu wenig Verständnis gibt. Es dreht sich so sehr um Äußerlichkeiten, dass Inhalte keine Beachtung finden.

Das Unverständnis zeigt sich im Text: „Warum, das bleibt so rätselhaft wie vieles an diesem Abend. Im Interview vor acht Jahren nannte sie sich noch Antony, man schrieb über ihn. Das Personalpronomen hat inzwischen gewechselt. Und auch wenn sie ihr Geschlecht niemandem, der über sie schreibt, vorschreibt: Das weibliche ist ihr jetzt lieber.“

So rätselhaft, wie es hier anmutet, ist es eigentlich nicht. Einer Person wird ob ihrer körperlichen Merkmale (in diesem Fall: Penis) ein biologisches Geschlecht (hier: männlich) von der Gesellschaft zugeteilt. Transpersonen spüren, dass diese Zuschreibung nicht mit ihrer Persönlichkeit übereinstimmt, und passen ihr Geschlecht an: ob mit Operationen, Hormonen oder dem Wechsel des Personalpronomens. Fertig.

Auch darüber hinaus hängt sich der Text an Äußerlichkeiten auf: dass die Sängerin das Publikum warten lässt. Dass sie ein schwer einzuordnendes Gewand trägt („Ist es ein Brautkleid, eine Gardine? Steht da eine Krankenschwester, ein Malermeister?“). Immer wieder wird kritisiert, dass Anohni sich nicht fotografieren oder filmen lassen möchte, sehr weit hinten auf der Bühne steht und schwer zu erkennen ist. Die Intention des Autors wird deutlich: Er will etwas sehen. Aber was eigentlich? Transsexualität wird in der Gesellschaft noch immer als ein exotisches Phänomen wahrgenommen. Als etwas, bei dem es um Optik geht, um vorhandene oder nicht vorhandene Brüste, Penisse, Bärte. Die Identitäten und Persönlichkeiten dahinter werden vergessen.

Das ist bei ihrem Konzert doppelt schade. Denn in einem für die Akustik exzellenten Gebäude sollte nicht so viel auf die Perfomance geachtet werden. Vor allem nicht bei einer Künstlerin wie Anohni, deren Songs zutiefst politisch sind. In ihrem im letzten Jahr erschienenen Album „Hopelessness“ geht es um Drohnen, den Klimawandel und Überwachung. Und nicht um das eigene Geschlecht.

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9 Kommentare

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  • Eine launige Konzertkritik soll jetzt schon "transfeindlich" sein? Und diese kleinen Zitate seien der Beleg? Och nö, nicht ernsthaft, oder?

    Immerhin hat die taz ein hübscheres Bild der nicht abgebildet werden wollenden Anohni aufgetrieben als die Zeit.

  • Wenn jemand zu mir Transperson sagen würde, dann würde ich ihm oder ihr eine auf die Mütze geben. Schöner Gruss von einer Frau mit Transsexualität, die keine "Transperson" ist. Schreibt halt gleich Transe. Heuchlerei!

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Kann ja sein, dass die Rezension mies und fies und nur an Oberflächlichem verhaftet ist.

     

    Aber deswegen in einem ganzen Land nicht mehr auftreten wollen?

     

    Das finde ich jetzt etwas überspannt.

  • Die Konzertkritik war eigentlich im Bezug auf die Musik durchaus wohlwollend. Offen bleibt die Frage, warum die Künstlerin live auftreten will. Eigentlich könnte doch auch eine Videoinstallation laufen.

  • Man sollte die Rezension schon zu Ende lesen, bevor man einen Artikel über eine angebliche Vorverurteilung von Transgender-Personen schreibt.

    Die gesangliche Leistung wird eindeutig gelobt.

  • Da habe ich mir mal den Artikel bei der Zeit angesehen (http://www.zeit.de/kultur/musik/2017-04/anohni-elbphilharmonie-konzert/). Den hättet ihr auch einfach verlinken können. Was da steht ist ein Kommentar von jemand dem das Konzert nicht gefallen hat. Es wird ausgiebig die Performance und das Gesinge kritisiert.

    • @Reiner Jung:

      Danke für den Link. Die Mühe, die Seite selbst zu suchen, hätte ich mir nach dem Lesen des Textes von Maike Brülls nicht gemacht.

       

      Brüllse Behauptung, "die Konzertkritik von Zeit Online zeig[e], dass es für Transpersonen in Deutschland noch immer zu wenig Verständnis gibt", kann ich in dieser Pauschalität nicht teilen nach dem Lesen der Kritik. Dem Verfasser fehlt es zwar erkennbar an Verständnis für Personen, die öffentlich "nach Liebe [schreien]" und dabei "linkisch" wirken auf ihn, das bedeutet aber noch lange nicht, dass a) das fehlende Verständnis auf eine bestimmte Eigenschaft dieser Person (hier: Transsexualität) zurückzuführen ist und b) alle anderen Kritiker dieses Landes ähnlich geurteilt hätten über das Konzert.

       

      Nein, Anohni ist kein "Antistar, wie er antiartiger nicht sein könnte". Alle Stars schreien öffentlich nach Liebe. Und die meisten von ihnen präsentieren sich dabei ebenso "pathetisch" wie "banal". Es gibt welche, die immer eine Maske und solche, die keinen Namen tragen wollen. Manche sind kamerascheu, andere geben keine Interviews. Ihre Fans lieben sie trotzdem. Es ist ja auch nicht wirklich der Mensch oder die Kunst, die geliebt wird in Gestalt von Stars. Es ist eine Projektion des seelischen Innenlebens der Fans.

       

      Ulrich Stock und Anohni haben keinen "Draht" zueinander gefunden. Na und? Ob wir Menschen andere Menschen lieben, entscheiden wir selbst, nicht Dritte. Dass einem "Star" ein schweres Schicksal unterstellt werden kann aufgrund seiner Lebensentscheidungen, legitimiert nicht den Versuch, die Liebe, die er sich wünscht, zu erzwingen. Psycho-Tricks, Gewalt, Trotzreaktionen – alles Quatsch. Wer Liebe öffentlich einfordert, muss damit rechnen, öffentlich zu scheitern.

       

      Wieso es Anohni nicht genügt, vom Publikum in der Elbphilharmonie geliebt zu werden, müsste sie mir übrigens mal bei Gelegenheit erklären. Für wen macht sie denn ihre Musik? Fürs Feuilleton? Fürs Publikum? Oder für sich selbst?