Wendepunkt bei Amazon: Mehr Kaufhaus als Buchladen
Erstmals verkauft Amazon mehr Elektronik als Bücher und CDs. Der Konzern hat mehr als 114 Millionen Kunden – und kann der Konkurrenz für seinen Kindle gelassen entgegensehen.
SEATTLE dpa | Der weltgrößte Online-Versandhändler Amazon profitiert kräftig von der Erholung der Wirtschaft. Im ersten Quartal 2010 schoss der Umsatz um 46 Prozent auf 7,1 Milliarden Dollar hoch. Der Gewinn verbesserte sich unterm Strich sogar um satte 68 Prozent auf 299 Millionen Dollar. Das bestverkaufte Produkt sei Amazons digitales Lesegerät Kindle gewesen. "Der Kindle bleibt unser Verkaufsschlager", sagte Gründer und Unternehmenschef Jeff Bezos am Donnerstag in Seattle.
Doch der eigentlich interessante Trend bei Amazon ist ein ganz anderer. Inzwischen zählt das Unternehmen mehr als 114 Millionen Kunden weltweit. Und die geben mehr Geld bei Amazon für Kaufhauswaren aus als fürs Stammgeschäft: Mittlerweile setzt Amazon mit Digitalkameras oder Staubsaugern mehr um als mit Büchern, CDs und DVDs. Der wichtigste Markt ist immer noch Nordamerika, doch der Rest der Welt holt auf.
Am Vortag hatte bereits das rivalisierende Online-Auktionshaus Ebay gute Geschäfte vermeldet. Zwischen beiden tobt ein Kampf um die Kunden. Ebay arbeitet unter Hochdruck am Ausbau des weltgrößten Auktionshauses zu einer Handelsplattform mit mehr Festpreis-Angeboten, Profi-Verkäufern und Neuwaren.
Obwohl beide Unternehmen von der wiedergekehrten Kauflaune der Verbraucher profitierten, sanken die Aktien von Amazon zunächst. Grund war ein Ausblick, der vielen Anlegern in beiden Fällen als zu vorsichtig erschien. Amazon geht davon aus, dass das Umsatzwachstum im zweiten Quartal "nur" noch bei 31 bis 44 Prozent liegt. Auch das operative Ergebnis soll schlimmstenfalls weniger stark als zu Jahresbeginn steigen.
Keine Zahlen für Kindle
Stolz ist man bei Amazon trotzdem eher auf seinen Kindl. Konkrete Verkaufszahlen für das Lesegerät nennt das Unternehmen aber weiterhin nicht. Die Bibliothek an elektronischen Büchern für den Kindle umfasst mittlerweile mehr als 500 000 Titel. Zumeist handelt es sich um englische Werke, mit dem Vorstoß auf die weltweiten Märkte soll aber auch die Auswahl an anderssprachigen Büchern steigen. In deutscher Sprache sind derzeit rund 2000 Buchtitel verfügbar, sagte Ralf Kleber, Chef von Amazon Deutschland.
Auch mit dem Kindle geht es Amazon in erster Linie um den Buch-Verkauf. "Unser Anliegen ist es, eines der ältesten Produkte der Erde in modernisierter Form auszuliefern", sagte Kleber. Mit dem Kindle sei dafür der erste Schritt gemacht worden. Im vergangenen Jahr hatte das Unternehmen eine größere Variante des Lesegeräts auf den Markt gebracht. Vom kommenden Wochenende an will Amazon den Kindle erstmals auch über die US-Handelskette Target vertreiben.
Allerdings hat der Kindle mittlerweile scharfe Konkurrenz bekommen. Anfang April hat Apple sein iPad herausgebracht, das sich in der ersten Woche mehr als eine halbe Millionen Mal verkaufte. Ende Mai kommt der Tablet-Computer auch in Deutschland auf den Markt. Neben Büchern lockt der Rechner auch mit interaktiven Nachrichten-Seiten, Videos und Musik.
Amazon will darin aber keine wirkliche Konkurrenz sehen und betont, dass der Kindle mit seinem Schwarz-Weiß-Display ausschließlich zum Lesen von Büchern ausgelegt ist. "Der Kindle kann nicht toasten und keine Eier kochen, aber das soll er auch gar nicht", sagte Kleber.
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