Weltnaturkonferenz in Cali: Mehr Rechte für Indigene, aber kein neuer Fonds
Verhandlungen über die Finanzierung von Naturschutz im Globalen Süden wurden vertagt. Dafür bekommen indigene Gemeinschaften einen ständigen Ausschuss.
Muhamad reckte einen Stab in die Höhe, das Zeichen der kolumbianischen indigenen Garde, und rief den Kampfspruch „Guardia, Guardia!“ übers Mikro in den Saal. Den folgenden Punkt moderierte sie mit deutlichem Schniefen an.
In den Verhandlungen über das Geld hat sich die kolumbianische Umweltministerin Muhamad aber wohl verzockt. Falls ihr Kalkül war, am Ende ordentlich Verhandlungsdruck aufzubauen, ist es nicht aufgegangen. Die Zeit reichte nicht mehr, mehrfach baten Länder um eine Auszeit, um Dokumente zu studieren, die zu kurzfristig für sie veröffentlicht wurden.
Und so musste am Ende der größte Brocken dieses 16. Treffen der Mitgliedstaaten der Konvention über Biologische Vielfalt (CBD) vertagt werden. Der Biodiversitätsfonds samt Plan, wie er bis 2030 mit den avisierten 200 Milliarden Dollar gefüllt werden könnte, kam nicht zustande. Bei der entscheidenden Abstimmung waren nicht mehr genug Delegierte im Raum, um das Quorum zu erreichen.
Streit zwischen Ländern des Globalen Norden und Süden um Finanzierung
Auf dieser COP16 habe sich eine „Kultur des Misstrauens“ gezeigt, sagte Sierra Leones Umweltminister, Jiwoh Abdulai. Die Front verläuft grob zwischen sogenannten Entwicklungsländern und den Industrienationen. Der bestehende Mechanismus GEF (Global Environment Facility), dem größten globalen Fonds zur Finanzierung von Umweltschutz, ist den meisten afrikanischen und lateinamerikanischen Ländern ein Dorn im Auge, weil sie nicht direkt Geld bei ihm beantragen können, sondern Organisationen beauftragt werden, Naturschutzmaßnahmen durchzuführen, etwa UN-Organisationen wie die Welternährungsorganisation FAO oder der WWF. Die Demokratische Republik Kongo und andere hatten schon vor der COP darauf gedrungen, einen neuen Finanzmechanismus einzurichten.
Muhamad hatte als Kompromiss einen Biodiversitätsfonds zur Finanzierung des weltweiten Artenschutzes vorgeschlagen – und diesen eh schon umstrittenen Vorschlag am letzten Konferenztag noch einmal verbal nachgeschärft. EU, Schweiz, Japan, Kanada und Australien waren dagegen, weil sie keine weiteren Strukturen wollten.
Es stimme nicht, dass der Norden gegen einen zusätzlichen Fonds sei, weil er nicht zahlen wolle, sagte Jan-Niclas Gesenhues, der als Staatssekretär im Bundesumweltministerium in Cali mitverhandelte. „Deutschland hat beispielsweise die globale Biodiversitätsfinanzierung auf fast 1,4 Milliarden pro Jahr erhöht“, sagte Gesenhues, „international sind wir bei gut 15 von den 20 Milliarden Dollar.“ Es sei wichtig, dass das Geld „wirklich zusammenkommt und effizient eingesetzt wird“.
Schon am Freitag zeichnete sich ab, dass es in Cali eine Nachtschicht geben würde – da wollte Muhamad noch „bis zum Sieg“ verhandeln. Statt ursprünglich um Mitternacht endete das Plenum erst am Samstagmorgen um 9 Uhr. Da waren schon viele Teilnehmer:innen zum Flughafen geeilt. Die offenen Finanzpunkte sollen nun bei einem Interimstreffen geklärt werden und nicht erst auf der nächsten COP, die in zwei Jahren in Armenien stattfinden wird.
„Ein beispielloser Moment in der Geschichte der multilateralen Umweltabkommen“
Ausgerechnet bei Themen, die vor Beginn der Konferenz als besonders schwierig galten, gab es Ergebnisse. So wurde beschlossen, einen „Cali-Fonds“ einzurichten, um Gewinne aus der Nutzung Digitaler Sequenzinforamtionen (DIS) gerechter zu verteilen. Außerdem bekommen Indigene und lokale Gemeinschaften einen permanenten Ausschuss, der die bislang lockere Arbeitsgruppe ersetzt – was zu dem großen Jubel im Konferenzsaal führte.
Der Ausschuss soll indigene Völker stärker in Entscheidungen über den Naturschutz einbeziehen. Der Staatssekretär im Deutschen Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung, Jochen Flasbarth, bezeichnete das in Cali als einen „geradezu historischen Schritt“. In einem neuen Arbeitsprogramm sollen die Rechte, Beiträge und das traditionelle Wissen indigener Völker und lokaler Gemeinschaften weiter in die globale Agenda eingebettet werden.
„Dies ist ein beispielloser Moment in der Geschichte der multilateralen Umweltabkommen“, sagte die Indigenenvertreterin Camila Romero aus Chile nach der Einigung. „Die Vertragsparteien haben erkannt, dass unsere uneingeschränkte und wirksame Beteiligung, unser Wissen und unsere Innovationen, unsere Technologie und unsere traditionellen Praktiken ständig benötigt werden“, so Romero.
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