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Weltmarktführer Vor 80 Jahren haben die Brüder de Witt in Holland (Michigan) die Automatisierung in den Stall gebracht – und die Firma Big Dutchman gegründet. Heute sitzt diese in Vechta und ist Weltmarktführer für Legehennen-, Masthähnchen- und Schweinesysteme„Den Tieren ein optimales Klima“

Konnte Temperaturschwankungen noch nicht perfekt ausgleichen: diese Krippe im alpenländischen Stil, zu sehen 2008 bei einer Ausstellung in Ulm Foto: Stefan Puchner/dpa

interview Benno Schirrmeister

taz: Herr Meerpohl, wieso gibt es überhaupt auf Stallbau spezialisierte Unternehmen?

Bernd Meerpohl: Ich würde da lieber erst einmal mit der Definition anfangen, was ein Stall überhaupt ist.

Was ist denn ein Stall?

Ein Stall ist der Raum, der Tieren Schutz gibt – vor natürlichen Feinden, aber auch vor der Witterung. Und der darüber hinaus einen sicheren Zugang bietet zu sauberem Trinkwasser und genügend gutem Futter. Der Stall schafft einen Lebensraum. Und die Frage, die sich da stellt, ist eigentlich eine Grundfrage in der Geschichte der Menschheit: Wie können wir das, was wir machen, verbessern. Das war auch das Anliegen, als die Brüder Jack und Dick de Witt vor fast 80 Jahren in Holland (Michigan) die erste Futterschleppkette entwickelt haben, um die Tiere besser, also schneller und einfacher, zuverlässiger, sicherer und hygienischer zu füttern.

Im Kopf hat man als Stadtbewohner eher das Bild von einem Gebäude, dass der Bauer selbst, allenfalls mit der Hilfe des Dorfschreiners, zusammenzimmert …

Das ist früher durchaus so gewesen. Selbst heute noch gibt es sehr wohl Schmieden, die sich mit solchen Themen beschäftigen, mit einfachen Aufstallungssystemen zum Beispiel. Aber es hat sich genau wie in allen anderen Branchen eine immer höhere Spezialisierung herausgearbeitet.

Weshalb?

Die Anforderungen wurden immer größer: an die Sicherheit, an die Hygiene, aber auch an den Tierschutz, ans Wohlbefinden der Tiere. Da mussten immer spezialisiertere Produkte entwickelt werden. Was wir heute leisten müssen, ist, Anlagen bereitzustellen, die ein optimales Stallklima garantieren: Sowohl in der Russischen Föderation, in Sibirien, wo es im Winter minus 50 Grad kalt wird und im Sommer Temperaturen um 30 Grad plus herrschen, als auch in Saudi-Arabien, wo es permanent warm und im Sommer schon mal 50 Grad heiß ist. Wenn ein Eintagsküken in den Stall kommt, muss im Inneren die exakt richtige Temperatur herrschen – etwa 36 Grad. Und die müssen Sie im Winter genauso wie im Sommer garantieren, bei minus genauso wie bei plus 50 Grad. Es darf keine Zugluft geben. Die Bedingungen müssen optimal sein, sodass das Tier sich wohlfühlt und sich entwickeln kann.

Im Stall schalten Sie die Jahreszeiten aus?

Es ist noch gar nicht so lange her, da gab es im Winter keine oder doch sehr viel weniger Eier. Das lag daran, dass die Tiere in den Ställen gefroren haben. Wenn sie daran nicht im schlimmsten Fall gestorben sind, brauchten sie das Futter, dass sie bekamen, um ihre eigenen Lebensfunktionen aufrecht zu erhalten – nicht um zusätzlich noch Eier zu legen und sich um die Nachfolgegeneration zu kümmern, sozusagen. Heute leisten wir es, dass wir ganzjährig Eier zur Verfügung haben, indem wir den Tieren ein optimales Klima und eine optimale Fütterung bereiten.

Die Methoden dafür muss man ja erst einmal ermitteln. Welchen Stellenwert hat Forschung bei Big Dutchman?

Einen riesigen. Das ist für uns sehr, sehr wichtig. Wir haben zirka 2.850 Mitarbeiter und davon sind etwa 350 im Bereich Entwicklung tätig. Also rund zwölf Prozent. Die beschäftigen sich in der ganzen Welt, vorwiegend aber hier in Norddeutschland, mit der Neu- und Weiterentwicklung von Tierhaltungssystemen, einschließlich der dazugehörigen Software und Hardware – und mit allem, was dazugehört. Wir haben selbst keine Produktion: Wir sind eigentlich ein Engineering-Büro, das am Ende auch die Logistik macht. Aber in der Hauptsache beschäftigen wir uns mit dem Thema, was können und müssen wir machen, damit es den Tieren gut geht und die Landwirte besser und einfacher wirtschaften können.

Die Vorstellungen, wann es einem Tier gut geht, sind politisch umstritten – und auch dem Wandel unterworfen: Wie greifen Sie die Veränderungen in den Vorstellungen vom Tierschutz auf?

Da machen wir uns natürlich viele Gedanken. Wenn wir Geräte entwickeln würden, die für die Tiere schädlich wären, würden die von unseren Kunden, den Landwirten, gar nicht akzeptiert – ganz ohne jetzt politisch zu werden. Das Tierwohl ist für die Landwirte naturgemäß auch das höchste Gut, weil sie ein geringeres oder gar kein Einkommen haben, wenn es den Tieren nicht gut geht. Und so beschäftigen wir uns natürlich permanent mit dem Thema und investieren da auch sehr viel Zeit und Geld.

In der Schweinehaltung ist die Praxis der Spaltenböden, bei der die Tiere auf Balken stehen, umstritten: Wie wird diese Diskussion bei Ihnen geführt?

Die wird hier immer 100 Prozent offen geführt. Auch da sind wir mit den Landwirten in einem permanenten Dialog – seit Jahren schon: Zum Beispiel haben wir ein Konzept für den Stall 2030 aufgestellt, mit Universitäten und Praktikern prüfen und testen wir gemeinsam, wie man noch etwas verbessern kann. Wir realisieren schon länger diverse Konzepte, bei denen man die Tiere auf Stroh halten kann. Bei uns wird die ganze Bandbreite abgedeckt – immer auch vor dem Hintergrund, das muss ich deutlich sagen, dass die Welt nicht so ist, wie wir sie uns in Deutschland vielfach malen.

Das Stallgeschäft

Die Big Dutchman AG ist Weltmarktführer bei Stalleinrichtungen und Fütterungsanlagen zur Geflügel- und Schweinehaltung.

Mit der Erfindung einer automatischen Fütterungsanlage für Hühner durch die Brüder Richard und Jack DeWitt beginnt die Unternehmensgeschichte 1938 in Holland, Michigan.

Putenhalter Josef Meerpohl, ab 1958 mit dem Aufbau der deutschen und niederländischen Filialen betraut, kauft 1978 zunächst die deutsche Tochter und übernimmt 1985 per Management-buy-out den gesamten Konzern, der 1992 in eine AG überführt wird.

Das Familienunternehmen vertreibt traditionelle Anlagen ebenso wie computergesteuerte Fütterungssysteme und Ausrüstungen für die Klimaregelung in Ställen in 100 Ländern auf allen fünf Kontinenten.

Weltweit beschäftigt der Konzern mehr als 2.850 MitarbeiterInnen, davon etwa 800 am Hauptsitz Vechta-Calveslage. Der Umsatz lag zuletzt bei 906 Millionen Euro.

Sondern?

Die Welt ist sehr differenziert und unterschiedlich. Es gibt nicht nur reiche Länder, sondern auch Regionen, in denen die Menschen – also Politik und Wirtschaft – in erster Linie dafür sorgen müssen, dass die Einwohner überhaupt erst einmal halbwegs ernährt werden. Da wird dann der Tierschutz nicht so weit nach vorne gestellt wie hier in Deutschland.

Aber Sie liefern dorthin?

Wir decken die gesamte Bandbreite ab, um den jeweiligen Kunden und Konsumenten entgegenzukommen. Es geht dabei um riesige Unterschiede: Ein Stall in Indien oder China oder auch in den USA hat mit einem Stall in Deutschland sozusagen nicht viel gemeinsam. Das ist auch völlig in Ordnung so. Dabei sind wir hier in Deutschland sicher ein Treiber solch guter, toller Ideen, wenn es darum geht, das Tierwohl oder den Umweltschutz zu verbessern. Doch das braucht auch immer viel Zeit. Wir haben 25 Jahre gebraucht, von 1987 an gerechnet, um zu lernen, wie Hühner sozusagen denken – um sie wieder aus dem Käfig herauszulassen, ihnen ihre Freiheit wiederzugeben.

Das mussten Sie lernen?

Wir mussten lernen, wie man das am sinnvollsten macht: Es ging um einen Stall, in dem der Landwirt gut arbeiten kann und in dem die Hühner sich bewegen können, ohne ihre Eier zu verlegen: Ein Ei gehört in ein Nest, und nicht irgendwo anders hin. Wie man das hinbekommen kann, das hat uns wirklich 25 Jahre gekostet. Vergleichbare Herausforderungen gibt es im Schweinebereich auch. Wobei Ökoställe mit Außenbereich zum Beispiel schon wieder an der Tagesordnung sind – aber dafür eine Genehmigung zu bekommen, das ist hierzulande ganz schön schwierig.

Warum?

Die Emissionen sind ganz andere: Wir kommen da wieder in eine unkontrollierte Emission – wie vor 50 Jahren. Nur: Früher war das für die Nachbarn normal. Heute finden sie das nicht mehr unbedingt gut. Dafür gilt es, Lösungen zu finden, und das ist nicht einfach!

Kommen bei den Neuentwicklungen die meisten Impulse vom Markt – oder aus der Politik, die Umwelt- und Tierschutzauflagen formuliert?

Es spielt beides eine Rolle: Allerdings kommen die meisten Impulse schon von den Landwirten selbst. Die Politik kann ein Gesetz ja im Grunde erst verabschieden, wenn der Stand der Technik das erlaubt, wenn klar ist, dass die Forderungen realisierbar sind. Die Gesetzesänderungen haben allerdings eher die Wirkung, dass eine Rückkehr zum Stall von früher unmöglich wird, dass ein Stall eine immer hochtechnisiertere Anlage ist.

Weshalb ist es ein Vorteil für Ihr Unternehmen, in unterschiedlichen Ländern Standorte zu haben?

Foto: Big Dutchmann AG
Bernd Meerpohl

52, Kaufmann, ist seit 1992 Vorstandsvorsitzender der Big Dutchman AG in Vechta-Calveslage und Vorsitzender des Aussteller-Fachbeirates der Messe Euro-Tier, Hannover.

Wir müssen nah am Markt sein. Wir müssen wissen, was der Markt will und welche Regeln vor Ort gelten: In China, in Südostasien, in Südamerika erfolgreich zu sein, wäre sehr schwer, wenn wir dort nicht selbst ansässig wären. Einige Produkte, in denen viel Know-how steckt, kommen dabei vielfach weiterhin aus Vechta. Aber gewisse Komponenten machen uns durch die Vor-Ort-Produktion konkurrenzfähig. Auch aus zeitlichen Gründen und durch das Sparen der teuren langen Transportwege.

Macht das auch unabhängiger von Veränderungen der Marktlagen – wie etwa in Russland? Wenn ich Ihre Geschäftszahlen richtig deute, hatten Sie 2013 einen echten Umsatzeinbruch.

Das lag nicht so sehr an Russland.

Woran denn sonst?

In erster Linie war die Schwankung eine Folge der Gesetzgebung in Europa: Wir hatten in den zwei Jahren zuvor unwahrscheinlich hohe Umsätze, die uns die Legehennenhaltungsverordnung der EU beschert hatte – eine Sonderkonjunktur sozusagen. Wir hätten die in dieser Ausprägung lieber nicht gesehen, ein gutes, langsames Wachstum ist sicher sinnvoller. Russland ist bei uns damals vielleicht auch ein wenig runtergegangen, aber im Grunde hat uns der Boykott eher geholfen.

Wie das denn?

Das Einfuhrverbot für Lebensmittel betrifft Fütterungsanlagen oder Stalleinrichtungen nicht wirklich. Im Zuge des Boykotts sind die Fleischpreise in Russland hochgegangen. Und das hat dazu geführt, dass die Investoren dort mehr Ställe bauen. Dazu wurden sie von Herrn Putin sogar ermuntert, damit dort ein möglichst hoher Selbstversorgungsgrad erreicht wird.

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