Weltklimagipfel in Baku im November: Willkommene Weltbühne
Aserbaidschan will mit der kommenden COP29 vom Konflikt mit Armenien ablenken. In der Kritik auch: die Menschenrechtsverletzungen Bakus.
In rund acht Wochen startet die 29. UN-Klimakonferenz in Aserbaidschans Hauptstadt Baku. Für die einstige Sowjetrepublik im Südkaukasus ist es eine Chance, sich auf internationaler Bühne zu profilieren. Die Herausforderungen für die COP29 könnten größer kaum sein: Im Fokus stehen Gespräche um Klimahilfen in Billionenhöhe. Die fast 200 Staaten sollen sich auf einen neuen finanziellen Rahmen für die Zeit nach 2025 einigen, um Gelder für den globalen Süden einzusammeln, der massiv unter der Klimakrise leidet.
Das bisherige Ziel von 100 Milliarden US-Dollar jährlich an Klimafinanzierung, das noch bis 2025 gilt, reicht für die tatsächlichen Bedarfe längst nicht mehr aus. Doch die Chancen stehen schlecht – besonders, weil das Vortreffen in Bonn im Sommer weitgehend ergebnislos verlief. Die Industriestaaten scheuen sich, verbindliche finanzielle Zusagen zu machen. Nicht nur in Deutschland ist die Haushaltslage angespannt.
In Baku geht es auch darum, den beim vergangenen Klimagipfel in Dubai beschlossenen Ausstieg aus den fossilen Energien zu konkretisieren. Aserbaidschan steht wegen seiner fossilen Brennstoffindustrie in der Kritik. Öl- und Gasexporte machen rund 90 Prozent der aserbaidschanischen Ausfuhren und 60 Prozent des Staatshaushalts aus.
Im Juli wurde bekannt, dass die COP29-Präsidentschaft neue fossile Projekte mit dem Pariser Klimaabkommen für vereinbar hält. Daneben kündigt die Präsidentschaft einen „COP Truce Appeal“ an, der zu einem globalen Waffenstillstand während des Gipfels aufruft – wohl auch in eigener Sache, denn das Treffen wird vom Dauerkonflikt in der eigenen Region überschattet, den Aserbaidschans Präsident Alijew hofft, mit einem für ihn günstigen Friedensdeal zu beenden.
„COP des Friedens“?
Ob es zu Konferenzbeginn ein Friedensabkommen geben wird, ist allerdings unklar. Armenien hatte ein Veto gegen Baku als COP-Schauplatz eingelegt, das aber wieder zurückgezogen. Zwar verspricht Hikmet Hajijew, außenpolitischer Berater von Alijew, eine „COP des Friedens“. Einige Klima- und Menschenrechtsakti-vist*innen rufen aber zum Konferenzboykott auf.
Es ist bereits der dritte Klimagipfel in Folge, den ein autoritärer Staat ausrichtet: Nach Ägypten 2022 und den Vereinigten Arabischen Emiraten 2023 geht auch Aserbaidschan rigoros gegen Oppositionelle und Medien vor. Bei der Pressefreiheit belegt das Land im Ranking von Reporter ohne Grenzen Platz 164 von 180 Staaten. Der Status als UN-Konferenz bietet Medienschaffenden zwar einen gewissen Schutz.
Medien müssten während des Klimagipfels aber uneingeschränkt Zugang erhalten, um eine freie Berichterstattung zu gewährleisten, teilte Peter Stano, EU-Sprecher für Außen- und Sicherheitspolitik der taz auf Anfrage mit. Die EU fordert grundsätzlich, dass Aserbaidschan die Pressefreiheit respektiert und inhaftierte Journalist*innen freilässt. Sanktionen gegen das Land wegen Menschenrechtsverstößen bestehen demnach aber nicht.
Europa ist auch auf Aserbaidschan angewiesen: Die EU-Staaten beziehen seit 2021 immer mehr fossile Energie aus dem Kaukasus. Im ersten Quartal 2024 lag Aserbaidschans Anteil an den europäischen Gasimporten bei 7,7 Prozent, beim Öl waren es 3,4 Prozent. Eine 2022 geschlossene Energiepartnerschaft zwischen der EU und Aserbaidschan zielt darauf ab, die Gasmenge aus Aserbaidschan bis 2027 auf bis zu 20 Milliarden Kubikmeter pro Jahr zu verdoppeln, um russische Gaslieferungen wegen des Ukrainekriegs zu ersetzen. Besonders brisant: Aserbaidschan kann die geplante Gasmenge selbst gar nicht liefern. Das Land importiert daher auch Gas aus Russland, das in die EU weitergeleitet wird.
Gasabkommen mit Aserbaidschan aussetzen
Kritiker*innen bemängeln, dass die EU so Menschenrechtsverletzungen in Aserbaidschan unterstützt. Das EU-Parlament forderte ein ausgesetztes Gasabkommen und Sanktionen gegen hochrangige Beamte, die bisher ausblieben. Und der politische Analyst Tigran Grigoryan warnt, dass Aserbaidschan fossile Rohstoffe nutze, um Einfluss im Westen zu gewinnen.
Auch wenn der Anteil insgesamt nicht hoch sei, wären Länder wie Italien, Ungarn, Rumänien und Bulgarien stark auf aserbaidschanisches Gas angewiesen, kritisiert er. Sie blockierten oft EU-Maßnahmen für Armenien – zuletzt etwa Ungarn die Teilnahme Armeniens an der Europäischen Friedensfazilität, ein Finanzierungsinstrument, mit dem die EU zur internationalen Sicherheit beitragen will.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen