Weltbank-Vize über Klimafinanzierung: „Wir müssen für eine bessere Welt kämpfen“
Wenn die Klimakrise nicht bewältigt wird, gibt es keine Sicherheit, sagt Axel von Trotsenburg. Vor allem in den afrikanischen Ländern fehle das Geld.
taz: Herr van Trotsenburg, angesichts der Klimakrise hat die Weltbank bei ihrem Treffen im Oktober in Marrakesch eine Reform ihrer Arbeit beschlossen. Ihre Mission, „die extreme Armut zu beenden“, enthält nun auch die Formel „auf einem bewohnbaren Planeten“. Die Weltbank soll etwa über Geldgarantien mehr Handlungsspielraum bekommen, um Kredite an Länder zu geben, die vom Klimawandel am härtesten getroffen werden. Wird die Mission damit konkret?
Axel van Trotsenburg: Wir wollen das Garantiegeschäft entscheidend ausbauen, auch als Instrument dafür, mehr Privatinvestitionen in Entwicklungsländer zu bringen. Auch die „Climate Resilient debt clauses“ wurden jetzt verabschiedet, also die Möglichkeit, eine Kreditrückzahlung bei Klimanotlagen zu stunden. Aber das Wichtige, was in diesem Jahr passieren wird, ist: Die Ressourcen für IDA, die Internationale Entwicklungsgesellschaft, werden aufgestockt. Das ist unser Fonds, der teils zinsfreie Kredite und Zuschüsse für die ärmsten Länder gibt.
65, ist Senior Managing Director der Weltbank, die Nummer 2 in der Institution. Er ist für die strategische Ausrichtung der Bank zuständig sowie für Kernthemen wie Klimawandel und Konflikt.
Und wie steht es um die versprochene Umschichtung von Mitteln in Richtung Klimakrise?
Wir haben bei der COP 28 zugesagt, unser Klimaengagement neuerlich zu steigern – und wir sind dabei weitergekommen. Letztes Jahr gingen für die Weltbankgruppe an die 38 Milliarden Dollar in diesen Bereich, das sind 40 Prozent aller Finanzzusagen. Und wir möchten im nächsten Fiskaljahr 45 Prozent erreichen. Wir sind auch im Loss-and-Damage-Fonds engagiert. Bei der COP in Dubai wurden wir gefragt, ob die Weltbank diesen Fonds einrichten könne. Wir planen, das dem Board vor der Frühjahrstagung vorzulegen.
Ein weiteres Element des Reformprozesses war die neue Finanzierung durch sogenanntes hybrides Kapital, durch das Ausgeben von Anleihen der Weltbank. Deutschland hat dafür ein Zusage gemacht. Was machen die anderen Länder?
Wir sind im Kontakt mit verschiedenen Ländern und haben es sehr begrüßt, dass Deutschland als erstes Land eine Hybridkapitalzusage gemacht hat.
Wie groß ist denn die Bereitschaft des Privatkapitals, in Entwicklungsländern einzusteigen?
Über welches Privatkapital reden Sie? Man muss unterscheiden: Die Finanzierung für Entwicklung läuft insbesondere durch einheimische Investitionen, von Einheimischen. Dazu kommt ausländisches Privatkapital, dann bilaterale Investitionen, dann kommt die multilaterale Komponente dazu. Das meiste private Kapital ist in asiatische Länder geflossen, auch aus Deutschland, weil die Investitionen dort am rentabelsten sind.
Und was ist dagegen zu sagen?
Nichts. Aber es sollten in allen Entwicklungsländern und vor allem in Afrika mehr Investitionen getätigt werden. Wir glauben, dass es da sehr viele Möglichkeiten für den Privatsektor gibt. Noch dazu sollte man überlegen, dass Millionen Arbeitsplätze in Afrika geschaffen werden müssen, denn es ist ein sehr junger Kontinent. Und dafür braucht man den Privatsektor, denn das wird die öffentliche Hand nicht schaffen. Das bedeutet aber auch, dass die Länder selbst die Rahmenbedingungen dafür schaffen müssen. Das einheimische Privatkapital sollte mit Investitionen Vorreiter sein, sodass sich auch ausländisches Kapital zunehmend engagiert. Aber es ist ganz wichtig zu betonen, dass die Rahmenbedingungen stimmen müssen.
Sie haben schon 2019 von den Staaten der Welt gefordert, tatsächlich klimagerechtere Politik zu machen. Sie haben von privaten Kapitalgebern gefordert, mehr in die Transformation zu investieren. Wo stehen wir da?
Bei der Halbzeitüberprüfung der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele in New York im vergangenen Jahr wurde festgestellt, dass nur 15 Prozent der Ziele erreicht wurden. Das heißt: Wir sind off track. Wir müssen unsere Anstrengungen in allen Bereichen verstärken. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten hat die extreme Armut wieder zugenommen. Kinder waren nicht mehr in der Schule. Und es besteht das Risiko, dass gerade viele Mädchen permanent aus der Schule raus sind. Die Learning poverty – dass die Kinder vielleicht in der Schule sind, aber nichts lernen – hat auch wieder zugenommen. Vor allem in Asien sind allerdings auch große Erfolge bei der Armutsbekämpfung erzielt worden. Trotzdem gibt es riesige Herausforderungen. Als Welt, die so vernetzt ist, kann man sich nicht einfach davon abkapseln. Das ist ein Appell an alle OECD-Länder, weiter stark engagiert zu bleiben – insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent.
Man muss auch sehen: Ein nicht bewältigtes Klimaproblem wird auch Sicherheitsfragen aufwerfen. Wenn die Klimafrage nicht entsprechend behandelt wird, wird vor allem in den ärmsten Ländern die extreme Armut zunehmen. Mit extremer Armut kommen auch gesellschaftliche Spannungen. Und der nächste Schritt ist Unsicherheit in den Ländern. Es gibt ganz klare Verbindungen – den Nexus, wie wir sagen – zwischen Sicherheit, humanitärer Hilfe und Entwicklung. Das kann man nicht mehr getrennt behandeln.
Die Premierministerin von Barbados, Mia Mottley, hat zum Umbau der internationalen Finanz- und Kreditinstitutionen aufgerufen, die sogenannte Bridgetown-Initiative. Sehen Sie das als Rebellion gegen die Weltbank oder als eine Form der Aufforderung an Sie zu handeln?
Die Frage ist angesichts der Herausforderungen doch: Wie kann man die internationale Gesellschaft mobilisieren? Auch multilaterale Organisationen brauchen diese Unterstützung, damit sie mehr machen können. Diese Bridgetown-Initiative ist gut, weil Aufmerksamkeit geschaffen wird. Denn die kritische Masse fehlt noch.
Welche Hoffnung hält Sie am Laufen?
Meine Hoffnung? Idealismus. Den habe ich, seit ich klein war. Wir haben eine Grundsatzverpflichtung, für eine bessere Welt zu kämpfen. Die Weltbank macht das jeden Tag. Man muss kämpfen. Man kriegt nichts geschenkt, aber man kann eine Veränderung herbeiführen. Und das hält mich motiviert.
Wie geht das, wenn es vielen im Moment schwerer fällt, kämpferisch zu sein und idealistisch?
Man muss nur in die Länder reisen, die heute fragile Staaten sind. Dann weiß man, dass wir unheimlich privilegiert sind. Und wenn wir darauf zurückblicken, wie groß die Hilfsbereitschaft nach dem Zweiten Weltkrieg war, anderen Ländern beim Wiederaufbau zu helfen, dann muss man konstatieren: In schwierigeren Lagen waren die Leute wesentlich großzügiger als heute.
Was würden Sie Leuten mitgeben, die engagiert sind, aber auch skeptisch auf die Zukunft blicken?
Vor über 60 Jahren schrieb der Nobelpreisträger Gunnar Myrdal ein Buch unter dem Titel „Asian Drama“. Darin attestierte er dem ganzen asiatischen Kontinent, dass er unmöglich zu entwickeln sei. Schauen Sie, wo wir heute sind. Es ist auch in Afrika möglich. Aber wir müssen investieren.
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