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Weiterer Aufschub im NSU-Prozess„Sie wollen uns ärgern“

Die Plädoyers der Nebenklage verzögern sich erneut wegen der Verteidigung eines Angeklagten. Die Tochter eines NSU-Opfers fühlt sich brüskiert.

Angeklagter Andre E. (links) neben seinem Anwalt Michael Kaiser im März 2017 Foto: dpa

MÜNCHEN taz | Drei Wochen war der NSU-Prozess wegen Befangenheitsanträgen zuletzt unterbrochen. Am Dienstag, dem 384. Prozesstag, nun sollte es soweit sein: Die Plädoyers der Nebenklage sollten beginnen, die Schlussworte der Opfer des NSU-Terrors und ihrer Angehörigen. Es kam anders. Schon wieder.

Bereits Mitte September hatte die Bundesanwaltschaft im Prozess ihr Plädoyer beendet – und hohe Strafen für die Angeklagten gefordert. Für Beate Zschäpe lebenslange Haft mit Sicherungsverwahrung, für die vier Mitbeschuldigten Haftstrafen bis zu zwölf Jahren. Der Angeklagte André E., der bisher hoffte, glimpflich davonzukommen, wurde wegen Fluchtgefahr noch im Gerichtssaal festgenommen. Seitdem überzog sein Anwalt Michael Kaiser die Richter mit Befangenheitsanträgen, teilweise schlossen sich andere Verteidiger an.

Einen einzigen Prozesstag bekam das Gericht dadurch in den vergangenen sechs Wochen zustande. Am Dienstagmorgen nun waren alle Befangenheitsanträge abgeräumt. Aber Verteidiger Kaiser intervenierte erneut. Erst wollte er nicht weiterverhandeln, bis er die Ablehnungsschreiben der letzten Befangenheitsanträge persönlich gelesen habe. Dann protestierte er, zusammen mit anderen Verteidigern, als Richter Manfred Götzl ein Polizeiprotokoll zu einer Razzia gegen André E. verlesen wollte.

Später beantragte er, das Verfahren bis zum nächsten Tag ganz zu unterbrechen – weil André E. die Ablehnungsschriftsätze zu den Befangenheitsanträge, insgesamt 20 Seiten lang, nicht mehr durchblicken könne. Sein Mandant leide an Konzentrationsschwäche und brauche zur Lektüre seine Zelle. Dort gebe es eine „etwas angenehmere Umgebung“ und frische Luft.

Am späten Nachmittag schließlich gab Götzl nach und unterbrach den Prozess bis Mittwoch. Ob die Nebenklage-Plädoyers dann starten? Sie könnten – wenn die Verteidigerriege nicht erneut dazwischengeht. Gamze Kubasik, Tochter des Dortmunder NSU-Opfers Mehmet Kubasik, die eigens angereist war, kritisierte die Verteidiger. „Ich habe das Gefühl, dass sie das machen, um uns Nebenkläger zu ärgern. Das ist enttäuschend.“

Der rechtsterroristische „Nationalsozialistische Untergrund“ hatte von 2000 bis 2007 zehn Morde verübt, dazu auch drei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle.

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3 Kommentare

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  • Hoffentlich hebt sich der Richter seinen Unmut für die Urteile auf und verquatscht sich nicht vorher.

  • Werter Herr Litschko, Sie schreiben, daß Böhnhardt und Mundlos „von 2000 bis 2007 zehn Morde verübt(en), dazu auch drei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle.“ Es wurde bis heute kein einziger Beweis für diese (und Ihre) Behauptung vorgelegt! 27 Tatorte ohne die geringste Spur des Trios aber über 4000 unbekannte DNA-Spuren an selbigen. Ein „Bekennervideo“ ohne Bekenntnis, ohne Täterwissen, geschweige denn daß einer dieses Trios darin vorkommt oder Spuren an den DVDs hinterlassen hat. Paulchen steht vor einer Karte der BRD wo „Deutschlandtour“ und „9. Türke erschossen“ drauf steht. Seit wann erkennen Neonazis die heutigen Grenzen an? Und es wurden nicht 9 Türken, sondern 3 Türken, 5 Kurden und ein Grieche (hatte ca. 2 Wochen vorher den Laden von einem Kurden übernommen) ermordet. Wenn die offensichtlich bestens vorbereiteten Täter (wer auch immer) dieses Video gemacht hätten, warum ist dann im Video etwas Falsches zu sehen? Wer es nicht glaubt => selber bei youtube anschauen! Und wie bitteschön kam das APABIZ in Besitz dieses Videos, welches die dann an den Spiegel verkauften? Radeln Sie doch mal rüber und fragen nach, ist doch gleich um die Ecke!

  • Übrigens:

    alle wissen wie Andre Eminger aussieht.