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Weiterbildung und ArbeitsrealitätUngenutzte Bildungszeit

Gastkommentar von Lara Körber

Die von Hubertus Heil vorgeschlagene Bildungszeit ist ein schöner Ansatz. Nur häufig steht die Unternehmenskultur der Weiterbildung im Weg.

Wenn Weiterbildungsangebote angenommen werden sollen, muss Entfaltungsspielraum geboten werden Foto: Panthemedia/imago

D ie von Arbeitsminister Hubertus Heil geplante Bildungszeit wäre – wenn das Finanzministerium nicht zuvorgekommen wäre – spätestens in den meisten Unternehmen selbst gescheitert. Konkret an den dort vorherrschenden Unternehmenskulturen. Denn Weiterbildung ist viel zu oft keine Sprosse der Karriereleiter, sondern sie verkommt zur Posse im Angesicht der firmenintern bestimmenden Strukturen. Ein Realitäts-Check zeigt, warum das so ist.

Per Gesetz – und das ist weitgehend viel zu wenig bekannt – haben 27 Millionen Arbeitnehmende in Deutschland Anspruch auf Bildungsurlaub. Dahinter verbergen sich fünf bis zehn Tage bezahlte Freistellung für als Bildungsurlaub anerkannte Weiterbildungen – von Führungskräftetraining über Sprachkurse bis Burn-out-Prävention. Kurz: zertifizierte Auszeiten, die Arbeitnehmende ganz individuell fachlich, persönlich und gesundheitlich fördern.

Trotzdem nehmen nur rund 2 Prozent der Anspruchsberechtigten ihr Recht auf Bildungsurlaub aktuell in Anspruch – und das, obwohl es das Gesetz zum Beispiel in Hamburg bereits seit 1974 gibt. Warum ist das so? Als Mitgründerin des mittlerweile größten Aufklärungs- und Buchungsportals für gesetzlichen Bildungsurlaub in Deutschland bin ich täglich mit weiterbildungsinteressierten Ar­beit­neh­me­r:in­nen im Austausch, die sich nicht trauen, ihr Recht auf „Bildungsurlaub“ in Anspruch zu nehmen.

Ein entscheidender Grund dafür ist der oftmals große Unterschied zwischen extern groß gelobter und intern klein gelebter Unternehmenskultur. Zwar wird in der Arbeitswelt oft das Märchen vom lebenslangen Lernen erzählt, doch das fristet eher einen Dornröschenschlaf – während die Prinzessin oder der Prinz zum Wachküssen sich ganz schön vergaloppiert hat.

Lara Körber

ist Mitgründerin von Bildungs­urlauber.de. Das Start-up hilft bei der Beantragung und Buchung von Bildungs­urlaub sowie bei Fragen zum Bildungsurlaubsgesetz. Sie setzt sich ein für eine neue, gesunde Arbeitskultur, die personalisierte Weiter­bildung fördert.

Angst vor den Che­f:in­nen

In der Hel­d:in­nen­ge­schich­te von Unternehmen heißt es nämlich leicht: „Wir sind offen gegenüber Weiterbildung!“ Die externe Unternehmenskultur steht damit gut da. Allerdings zeigt sich hinter geschlossenen Bürotüren oft ein ganz anderes Bild. Die Forderung nach Förderung kommt dort oft gar nicht gut an, und die auf diese Weisen geprägte interne Unternehmenskultur reguliert somit den Weiterbildungsmarkt.

Es gibt also firmenkulturelle Hindernisse, die es erschweren, für das eigene Recht auf Weiterbildung einzustehen. Fehlendes Vertrauen und mangelhafte Kommunikation sind hier zentral zu nennen. Um Weiterbildungen wahrzunehmen, braucht es die Zustimmung des Unternehmens. Wir beobachten allerdings sehr stark, dass viele Beschäftigte sich schon gar nicht erst trauen, den Dialog mit ihren Che­f:in­nen aufzunehmen, um über ihre individuellen (Weiterbildungs)Bedürfnisse zu sprechen.

Lara Körber

ist Mitgründerin von Bildungs­urlauber.de. Das Start-up hilft bei der Beantragung und Buchung von Bildungs­urlaub sowie bei Fragen zum Bildungsurlaubsgesetz. Sie setzt sich ein für eine neue, gesunde Arbeitskultur, die personalisierte Weiter­bildung fördert.

Wer aber nichts anspricht, dem kann man auch nichts absprechen. Was beim Ansprechen hemmt, ist, dass zu viele Arbeitgebende in Weiterbildungen immer noch viel zu oft Fehlzeit statt Förderung sehen. Damit begünstigen sie eine Fehlinterpretation von Leistung als Präsenz statt Produktivität. Ein weiterer Grund, der Mitarbeitende zögern lässt, eine Fortbildung in Erwägung zu ziehen, ist die generelle Überlastung.

Zu viele Arbeitnehmende sind oft am Limit und möchten in dieser Ausnahmesituation ihr Team nicht allein lassen beziehungsweise diesem noch mehr Arbeit zumuten. Das ist verständlich. Leider ist der Ausnahmefall zu oft die Regel. Wer als Unternehmen wirklich will, dass Weiterbildungsangebote angenommen werden, muss ein Arbeitsumfeld schaffen, das Entfaltungsspielraum bietet.

Sozialer Druck und Neid

Nicht selten wirkt auch der Mangel an Gönnungskultur als Hindernis auf dem Weg zur Weiterbildung. Leider ist es so, dass viele Kol­le­g:in­nen einander Weiterbildungen nicht gönnen oder sich schnell benachteiligt oder abgehängt fühlen. Dieser soziale Druck erhöht die Hürde, nach Weiterbildung zu fragen – und ist eine „Red Flag“ im Hinblick auf eine gesunde Arbeitskultur in einem Unternehmen.

Statt Misstrauen brauchen wir ein Team-Miteinander, eine „Gönnungskultur“ – in der je­de:r Einzelne weiß, dass sie oder er nicht zu kurz kommen wird. Wichtigster Schlüssel dafür auch hier wieder: transparente Kommunikation von oben. Die Message der Unternehmen sollte dabei sein: „Wir wollen deine Weiterentwicklung. Und die der anderen.“

Nun reicht es nicht, Weiterbildung am Reißbrett zu planen. Oftmals sind Intention und Illusion nämlich leider dasselbe. Unternehmen müssen verinnerlichen, dass lebenslanges Lernen Vorteile für die betriebsinterne Kultur, die Personalgewinnung und -bindung und den zukünftigen Erfolg hat. Denn ohne einen Kulturwandel in vielen Unternehmen wird Weiterbildung leider oftmals weiter eine theoretische Option bleiben.

Wir müssen aktiv „Zeit machen für Bildung“

Um die Weiterbildungsfreundlichkeit der Unternehmen zu steigern, braucht es eine Kommunikationspflicht über das „Recht auf Weiterbildung“. Denn nur wenn Unternehmen betriebsintern offen über Weiterbildung kommunizieren – zum Beispiel in Feedbackgesprächen, Intranet oder sogar schon in Stellenanzeigen –, wird eine weiterbildungsfreundliche Unternehmenskultur geschaffen.

Zum anderen sollten sich Unternehmen auf messbare Weiterbildungs-KPIs öffentlich festlegen. Der Key Performance Indicator bezeichnet in der Betriebswirtschaftslehre Kennzahlen, anhand derer die Leistung von Aktivitäten in Unternehmen ermittelt wird. Weiterbildungs-KPIs festzulegen bedeutet nun, Weiterbildungsziele konkret zu definieren und daran Erfolg und Misserfolg tatsächlich messbar zu machen.

Nur so bekommt das Thema die notwendige Relevanz. Denn es ist nicht einfach nur „Zeit für Bildung“, sondern wir müssen aktiv „Zeit machen für Bildung“ in den Unternehmenskulturen – erst dann kann eine neue Bildungszeit anbrechen. Sonst bleibt es Einbildung. Ein Märchen ohne Happy End.

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3 Kommentare

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  • Liggers. Nur würde ich das nicht „Kultur“ - sondern ex&hoppMaxime nennen!



    Mir noch erinnerlich: 50Tsd Arbeitslose Ingenieure - 50Tsd freie Ingenieursstellen!



    Heute? But. Mehr braucht es nicht! Woll.

  • Bildungsurlaub geht noch so bei uns. Aber mit betriebsinterner Weiterbildung, die dann jemanden wirklich in seinem Metier weiterbringen würde, sieht es mehr als mau aus. Das beschränkt sich inzwischen auf Zusagen wie "darfst Du, wir geben was dazu, aber es ist natürlich Deine Freizeit (sprich: Du musst Urlaub dafür nehmen)".

  • Das Problem ist doch nicht nur die Firmenkultur, sondern dass man irgendeinen anerkannten Abschluss machen muss, um im Berufsleben davon profitieren zu können.

    Mag sein, dass man am untersten Ende der Bildungsleiter in 10 Tagen eine Geringstqualifizierung erwerben kann. Aber selbst eine kurze Berufsausbildung dauert aber zwei Jahre Vollzeit. Damit ist der Bildungsurlaub für bereits qualifizierte Menschen nicht wirklich interessant und für die Firmen auch nicht.

    Um den Bildungsurlaub interessant zu machen, müsste es im deutschen Ausbildungssystem auch sinnvolle Qualifizierungen geben, die in dieses Raster passen.

    Ich halte den Bildungsurlaub daher für eine der in Mode gekommenen wohlklingenden politischen Nebelkerzen.