Weiterbau Stuttgart 21: Gewaltfrei geräumt
Die Stuttgarter Polizei macht den Weg frei für den Weiterbau des neuen Bahnhofs. Die zuvor befürchteten Auseinandersetzungen blieben aus.
STUTTGART taz | Machtlos würden sie sich fühlen, traurig und fassungslos. "Wir stehen uns friedlich gegenüber und wir können nichts tun", sagt ein älterer Mann, der bestickt mit seinen Stuttgart-21-Buttons am frühen Freitagmorgen am Bahnhof steht und den Polizisten auf der anderen Seite der Absperrgitter in die Gesichter schaut. "Die, die uns das eingebrockt haben, sitzen jetzt in der warmen Amtsstube."
Die Verärgerung über Politik und Bahn bringen die Gegner des Mammutprojekts auch an diesem Morgen zum Ausdruck. Nur über die Polizei verlieren sie kaum ein schlechtes Wort. Diese war in der Nacht zuvor mit insgesamt 2.200 Einsatzkräften in vier Konvois aus allen Himmelsrichtungen angerückt, um die Straße vorm abrissgefährdeten Südflügel abzusperren. Zur gleichen Zeit harrten mehrere hundert Demonstranten in der Kälte aus, um sich der Polizei in den Weg zu stellen. Nach Angaben der Parkschützer waren es rund 1.000 Demonstranten, die Polizei sprach von etwa 600.
"Die Polizisten standen zunächst weit von den Demonstranten entfernt und spielten auf Zeit: Sie warteten und warteten", beschreibt der Sprecher der Parkschützer, Matthias von Herrmann, die Situation. Auf beiden Seiten sei es ruhig zugegangen. Zunächst habe die Polizei über Lautsprecherdurchsagen nur erklärt, dass die Demonstranten jederzeit das Gelände verlassen könnten.
Erst nach einigen Stunden und mehrmaligem Auffordern trug die Polizei schließlich diejenigen weg, die nicht freiwillig gegangen waren. Zuvor hatten Polizisten sogar ein Banner aufgehängt und zwei aufblasbare Säulen aufgestellt, die von innen beleuchtet die Aufschrift "Ausgang" hatten, ähnlich wie bei Großveranstaltungen.
Zufrieden mit der Polizei
"Die können das gerne wieder so machen: Erstmal läuft es friedlich ab und zweitens dauert es länger. Und das hat auch eine Botschaft: Der Widerstand ist nicht einfach so wegzufegen", sagte von Herrmann. Insgesamt wertete er die Nacht als Erfolg. In einer kalten Januarwoche mehrere hundert Leute zu mobilisieren sei "ein klares Zeichen, dass sich der Widerstand weiterhin als legitim erachtet".
Auch das Aktionsbündnis und die grüne Landtagsfraktion lobten das Vorgehen der Polizei. "Der Polizeieinsatz war sehr besonnen. Die neue Strategie der Deeskalation und Transparenz hat ihre erste Bewährungsprobe bestanden. Das trägt erkennbar zur Entspannung bei", sagte der innenpolitische Sprecher Uli Sckerl.
Landesregierung und Polizei wollten eine Eskalation wie bei den Baumfällarbeiten am 30. September 2010 unbedingt vermeiden. Damals hatte die Polizei Wasserwerfer und Pfefferspray eingesetzt; mehr als 100 Menschen wurden verletzt. Besonders erleichtert zeigte sich Stuttgarts Polizeipräsident Thomas Züfle am Freitagmorgen.
In 8 Wochen wird das Gebäude abgetragen
"Ich mache aus meinem Herzen keine Mördergrube", sagte er. "Wir können froh sein, dass der Einsatz so verlaufen ist. Unsere Strategie ist damit aufgegangen." Sobald ein stabiler Bauzaun aufgestellt ist, rechne er damit, dass sich die Polizei weitgehend zurückziehen kann.
Das S-21-Kommunikationsbüro teilte am Freitag mit, dass in den nächsten zwei Wochen der Südflügel entkernt werden soll, um das Gebäude dann geschossweise abtragen zu können. Dies würde etwa acht Wochen dauern.
Bezweifelt wird von Seiten der S-21-Gegner jedoch, warum der Südflügel zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt abgerissen werden muss. Schließlich fehlt der Bahn derzeit die Genehmigung für die Baumfällungen. Und auch die Arbeiten am Grundwassermanagement ruhen, womit sich der Gesamtplan um etliche Monate verzögern könnte. "Die Bahn ist weiterhin gut beraten, ihre Maßnahmen nur dann fortzusetzen, wenn klare rechtliche Voraussetzungen dafür bestehen", sagte Grünen-Politiker Sckerl.
Das S-21-Kommunikationsbüro versuchte am Freitag, diese Kritik auszuräumen. "Durch das ganze letzte Jahr haben wir sehr viel Zeit verloren", sagte eine Sprecherin zur taz. Es gebe aber keinen Grund, die Maßnahmen nicht durchzuführen. Schließlich komme es bei einer Großbaustelle an der einen oder anderen Stelle immer wieder mal zu Verzögerungen.
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