CDU schlägt parteilosen Kandidaten vor: Sprüchemacher will OB werden
Er prägte den Slogan "Wir können alles. Außer Hochdeutsch". Nun kandidiert Sebastian Turner, Mitbegründer einer Werbeagentur, als Oberbürgermeister von Stuttgart.
Mit "Wir können alles. Außer Hochdeutsch" hat Sebastian Turner vor nunmehr 13 Jahren im Ländle einen Coup gelandet. Über den preisgekrönten Slogan freuten sich Schwaben und Badener gleichermaßen.
Für den Slogan "Das neue Herz Europas" für das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21 hat er selbst in der Werbebranche eher Spott auf sich gezogen. Die Deutsche Bahn hat diesen Text auf ihren Informationsbroschüren der Deutschen Bahn inzwischen gar ersetzt.
Der einstige Mitbegründer der renommierten Berliner Werbeagentur Scholz & Friends will dennoch Oberbürgermeister der baden-württembergischen Landeshauptstadt werden.
Stuttgarts CDU-Kreisvorsitzender Stefan Kaufmann hat bei der parteiinternen Findungskommission am Samstag den einstigen Top-Werber als Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl im Oktober vorgeschlagen. Zwar entscheidet erst der Kreisparteitag am 17. März entgültig über den Spitzenkandidaten.
Die Vorschläge der CDU-internen Findungskommission gelten jedoch als richtungsweisend. Die wegen Stuttgart 21 tief gespaltene Stadt benötige einen Kandidaten mit Strahlkraft über die CDU und das bürgerliche Lager hinaus, begründete Kaufmann seinen Vorschlag. Turner ist zwar parteilos, gilt jedoch als CDU-nah.
Obwohl der 45-Jährige bereits seit vielen Jahren in Berlin wohnt, hat er durchaus Stuttgarter Wurzeln. Sein Vater war 16 Jahre lang Präsident der Universität Hohenheim. Die Schulzeit verbrachte Turner junior in Stuttgart, und trotz seines Wegzugs war er immer wieder für Imagekampagnen in der Landeshauptstadt zuständig, unter anderem für die Aktion "Kinderfreundliches Stuttgart". Seit seinem Rückzug von Scholz & Friends leitet er in Berlin die Einstein-Stiftung und hält für sie alljährlich zum Tag des Mauerfalls ein pompöses Wissenschaftssymposium ab.
Mit seiner möglichen Kandidatur für ein politisches Amt ist Turner nicht der erste aus seiner einstigen Agentur. Sein ehemaliger Partner und ebenfalls Mitbegründer von Scholz & Friends, Thomas Heilmann, hat seit Anfang Januar das Amt des Justizsenators in Berlin inne.
Leser*innenkommentare
chrischi
Gast
ich bin mir fast sicher, das obiges Bild im mittleren Schloßgarten gemacht wurde, als er noch zu bewundern war....
Und dann so oiner im Bild, i glaub i spinn.
;)
a. Mayer
Gast
"Wir bauchen alles, außer diesen OB"
"Der neue Scherz Europas"
Doktor D
Gast
Kleine Richtigstellung: Herr Turner kandidiert bisher nur dafür, dass ihn die CDU Stuttgart als OB-Kandidaten nominiert. Auf diesem Parteitag werden, so sieht es jedenfalls momentan aus, noch andere Menschen kandidieren. Es ist mitnichten ausgemacht, dass es Turner wird. Die Stuttgarter CDU hat, nach allem was so an die Öffentlichkeit dringt, das par ordre du mufti-Gehabe ihrer Vorsitzenden ziemlich satt. Das kann also für alle Beteiligten noch sehr lustig werden.
HP Remmler
Gast
Das Wahlrecht für die OB-Wahl in Stuttgart sieht meines Wissens immer noch vor, dass, sofern im 1. Wahlgang niemand mehr als 50% der Stimmen erreicht, in einer "Stichwahl" (seltsamer Begriff in diesem Fall) nicht nur alle Bewerber des 1. Wahlgangs erneut antreten dürfen, sondern sogar neue Kandidaten, die am 1. Wahlgang gar nicht zur Wahl gestanden hatten. Bei Schusters erster Wahl 1996 ist das tatsächlich geschehen: Im zweiten Wahlgang hat sich tatsächlich ein publicitygeiler, aber völlig chancenloser zweiter SPD-Kandidat selbst aufgestellt, um auch wirklich ganz sicher zu gehen, dass der CDU-Kandidat Schuster, der im 1. Wahlgang eine recht magere einfache Mehrheit hinter sich hatte, auf jeden Fall gewinnt. Mit anderen Worten: Die können alles außer Wahlrecht.
Abgesehen davon: Der berüchtigte Hochdeutsch-Slogan wirkt spätestens seit Herrn Oettingers kläglichem Versuch, Englisch zu sprechen - und das ist dann doch schon ein paar Jährchen her - nur noch lächerlich und vor allem peinlich für jeden, der ihn in den Mund nimmt.
Sagt Ihnen ein Baden-Württemberger, der wo Hochdeutsch kann.
Falmine
Gast
Mit Einführung der Direktwahl von Bürgermeistern und Landräten - in Baden-Württemberg ja schon viel länger als in Schleswig-Holstein - nahm die Banalisierung der Qualifikationskriterien rasant zu. Statt Eignung, Befähigung und Sachkunde der passende Werbeslogan. Dagegen wird kaum protestiert - selbst wenn es so vordergründig und beliebig ist wie heute im Hamburger Abendblatt über die Segeberger Landrätin nachzulesen. Die politische Kontrolle wurde flügellahm. Die kritische Bürgergesellschaft spaltet sich in Fraktionen ...
Marianne
Gast
Glaube kaum, dass Herr Turner die Stadt befrieden wird, hat er doch in allen Belangen eindeutig die Position der CDU eingenommen, Papa war ja schließlich auch schon Gefolgsmann der CDU!
Der Slogan "Wir können alles außer Hochdeutsch" ist an Schwachsinnigkeit nicht zu überbieten und hat das Land zum Gespött gemacht.
Und diesen hohlen Sprücheklopfer als OB in Stuttgart?
Mappus in klein? Rössler in CDU?
Da wollen selbst die Gegner noch lieber den alten OB!
Bei dem wusste man wenigstens woran man war.
Philipp
Gast
Interessant dass nirgendwo zu lesen ist dass sein Vater lange Zeit Schulsenator in Berlin war, mit politischer Karriere in der CDU bevor er nach Hohenheim ging. Ist das nur schlecht recherchiert ? Ich glaube jeder der damals in Berlin lebte erinnert sich an Turner Senior.
Helmut
Gast
Der grösste Sprüchemacher ist ja wohl der Möchtegern-OB von Stuttgart Boris Palmer. Grosses maul und nix dahinter.
Bitbändiger
Gast
Dass die Personaldecke der CDU nicht nur in Baden-Württemberg dünn ist bis zur Grenze der Wahrnehmbarkeit, ist bekannt; von daher kann die Suche nach einem externen Kandidaten ja sinnvoll sein. Dass man dabei allerdings nur einen Werbefuzzy, also einen aus der Reihe der Totengräber abendländischer Kultur, findet, vergrößert die Peinlichkeit noch beträchtlich.
Ich finde, der CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl sollte sich opfern. Als OB in Stuttgart kann er nicht viel mehr Schaden anrichten, als ohnehin schon irreversibel geschehen, und für "höhere" Ämter kommt er eh nicht in Betracht.
bauesel
Gast
Ein Slogan soll den Dissens, den Geissler als Krieg bezeichnet hat, beenden.
Selten so einen weltfremden und realitätsfernen Satz gelesen.
Zur Demokratie gehört übrigens die Tolerierung einer Minderheit, und zur Spaltung ist nur Folgendes zu sagen:
Würde die Bahn sorgfältig planen und kalkulieren, dann gäbe es weit weniger Spaltung, allerdings auch das Eingeständnis, wie schon mehrfach zu bemerken war, nicht zum vorgesehen Preis liefern zu können: Das wird auch noch der letzte Realitätsverweigerer im Laufe der Zeit leicht feststellen können.
Im Übrigen: entgültig gibts nur in der taz
Scherz Europas
Gast
Schöne Überschrift
Genau das brauchen wir in Stuttgart - Sprüchemacher !
Da kann er in die Fußstapfen von Schuster treten.
Liebe Grüße aus der kinderfreundlichsten Stadt im Herzen Europas (Werbung).
Neben hochdeutsch verstehen wir nur Bahnhof !
an Stefan
Gast
In einer Demokratie, werter Stefan, darf auch eine Minderheit weiterhin für Ihre Meinung eintreten, auch mit Demonstrationen und - laut Brockdorf-Urteil des Bundesverfassungsgerichts - in begrenztem Rahmen sogar mit Sitzblockaden etc. ! Es ist zulässig und sogar sehr notwendig, auf Fehlententwicklungen aufmerksam zu machen, und zwar deutlich und nachdrücklich, - davon lebt unser Gemeinwesen - so der Tenor des Brockdorf-Urteils. Denn die Minderheiten von heute sind oft die Mehrheiten von morgen. - Zur Erinnerung: das wichtigste Argument der Befürworter von Stuttgart21 bei der Volksabstimmung waren die Ausstiegskosten von angeblich 1,5 Mrd. (!) Euro, also nicht die Vorzüge ihres Tiefbahnhofs, sondern die von ihnen selbst geschaffenen Fakten (Vertragsstrafen !). Trotzdem und gegen den Willen von CDU, SPD und FDP votierten mehr als 40 Prozent für den Ausstieg. - Also Stefan: wie steht es denn mit Ihrem Demokratie-Verständnis ? Kann es sein, dass Sie daran noch ein wenig arbeiten müssen ?
karle näpfle
Gast
in vergessenheit geraten ist dass die agentur den slogan anscheinend zuerst eigentlich dem freistaat sachsen angeboten hatte, doch die sachsen hatten wohl nicht den mumm, sich ihrer heimatsprache zu rühmen.
Stefan
Gast
Mit dem Slogan hat er den Nagel auf den Kopf getroffen und den Spötten, die sich mangels Angriffsfläche am Dialekt abgearbeitet haben, jeglichen Wind aus den Segeln genommen. War doch eine schlaue Lösung.
Vielleicht findet er ja noch einen Slogan, der beschreibt, wie die Mehrheitsentscheidung zu Stuttgart21 auch von einer undemokratischen Minderheit angenommen werden soll. Das würde doch die Spaltung aufheben können.