Weihnachtsamnestie für Strafgefangene: Gnadenlose Weihnacht
Hamburg hat die Weihnachtsamnestie für Strafgefangene neu geregelt. Für einige Gefangene bedeutet das vermutlich, dass sie über die Feiertage in Haft bleiben müssen.
Gefangene, die zwischen dem 24. November und 6. Januar aus der Haft entlassen werden sollten, konnten in Hamburg bisher ein Gnadengesuch bei der Justizbehörde stellen und auf eine frühere Entlassung hoffen. 50 Menschen stellten im letzten Jahr einen solchen Antrag, 28 durften dank der Amnestie Weihnachten in Freiheit statt in Haft verbringen.
In diesem Jahr wurden aber laut CDU-Anfrage erst zwölf Anträge gestellt; sechs davon wurden bewilligt. „Es ist durchaus denkbar, dass diese Anzahl noch weiter steigt“, sagt ein Sprecher der Justizbehörde. Doch dass ähnlich viele Gefangene amnestiert werden wie in den letzten Jahren, ist eher unwahrscheinlich.
Denn im August hat die Bürgerschaft eine Änderung des Hamburger Strafvollzugsgesetzes beschlossen. Ziel der Änderungen war eine „Entbürokratisierung des Verfahrens“, so steht es in der Begründung zur Gesetzesänderung. „Gnadenerweis und Weihnachtsamnestie klingt sehr nett und menschlich, ist aber im Vergleich zum Verwaltungsakt, den wir jetzt haben, weniger präzise“, sagte die Sprecherin der Justizbehörde, Marion Klabunde.
Unter Weihnachtsamnestie wird die frühzeitige Entlassung von Strafgefangenen in der Weihnachtszeit verstanden.
Über die Regelungen zur Amnestie entscheiden die Bundesländer eigenständig. Nur in Bayern und Sachsen gibt es sie nicht.
Es gelten bestimmte Voraussetzungen für eine Amnestie, beispielsweise dass sich die Gefangenen während der Haftzeit nichts haben zu Schulden kommen lassen.
In Hamburg gibt es seit 1985 Weihnachtsamnestien, die Bedingungen wurden nun verschärft.
Statt der Gnadenstelle der Justizbehörde entscheiden nun die Anstaltsleiter*innen anhand eines Kriterienkatalogs über eine mögliche frühzeitige Entlassung der Gefangenen. Die Voraussetzungen dafür wurden dabei deutlich verschärft. Hatten beispielsweise zuvor noch Gefangene mit einem Strafmaß von bis zu zwei Jahren die Chance auf Weihnachtsamnestie, so können jetzt nur noch Gefangene mit einer Haftstrafe von bis zu einem Jahr auf eine vorzeitige Entlassung zur Weihnachtszeit hoffen. Die Gefangenen in Fuhlsbüttel sind damit komplett von der Neuregelung ausgeschlossen.
Bernd Maelicke, Kriminologe und Professor an der Leuphana Universität Lüneburg, findet jedoch, dass das dem Grundgedanken der Amnestie widerspricht. „Weihnachtsamnestien haben in vielen christlich geprägten Ländern eine lange Tradition“, sagt er.
Die Amnestie als Gnadenerweis sei ein Zeichen christlicher Versöhnung. „Wenn nun rechtliche Regelungen Vorrang bekommen sollen, darf dies nicht dazu führen, dass ganze Anstalten davon ausgeschlossen werden und dass ein dramatischer Rückgang der Anträge und Entlassungen stattfindet“, findet Maelicke. Amnestie sei ein gesamtgesellschaftliches Thema und solch grundlegende Änderungen sollten nicht ohne parlamentarische Diskussion realisiert werden, sagt er.
Tatsächlich wurde die Gesetzesnovelle gemeinsam mit dem Resozialisierungs- und Opferhilfegesetz beschlossen. Die Neuregelung der Weihnachtsamnestie war in der dazugehörigen Plenardebatte offenbar jedoch kein Thema.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen