piwik no script img

Weiblicher Zyklus und SportMit dem Zyklus trainieren

Training im Gleichklang mit der Periode und dem hormonellen Zyklus liegt im Trend. Viele Fragen zum Zusammenhang sind noch offen.

Viele Sport­le­r:in­nen nehmen innerhalb eines Monats große Unterschiede in ihrer Kraft, Leistung und Erholungsbedürftigkeit wahr Illustration: taz (M)

Weibliche Sport­le­r:in­nen verletzen sich häufiger und anders als Männer. Zu diesem Ergebnis kommen zahlreiche Studien. Das Verletzungsrisiko des vorderen Kreuzbands etwa ist zwei- bis dreimal höher als bei Männern, auch weisen sie ein höheres Risiko für Verletzungen wie Knöchelverstauchungen, Stressfrakturen und Schulterprobleme auf. Woran das liegt, kann niemand so genau beantworten. Denn Verletzungsmuster im Sport werden häufig nicht geschlechtsspezifisch untersucht. Empfehlungen zu Prävention, Diagnostik und Therapie basieren größtenteils auf Daten männlicher Athleten.

Üblicherweise werden Unterschiede in der Anatomie, Muskelmasse und Biomechanik als Gründe für die ungleichen Verletzungsmuster aufgeführt. Damit bedienen sie eine Klischee. Frauen seien von Natur aus schwächer und anfälliger und könnten deshalb nicht so hart trainieren wie männliche Sportler. Wis­sen­schaft­le­r:in­nen wie Saba Shakalio widersprechen: „Frauen sollten nicht zwingend weniger oder weniger hart trainieren, sondern anders.“ Seit fast zehn Jahren forscht sie zur Leistungsfähigkeit von Sportlerinnen und kommt zum Schluss: Wie viel eine Athletin leisten kann, unterscheidet sich je nach Tag oder Phase des Monats. Eine entscheidende Rolle könnte der Menstrua­tions­zyklus spielen.

Das hormonelle Profil

Ein Menstruationszyklus hat unterschiedliche Phasen, mit jeweils anderen hormonellen Profilen. Vereinfacht kann der Zyklus in die Phase vor und nach dem Eisprung aufgeteilt werden. In der Follikelphase, der Phase zwischen dem Eintritt der Menstruation und dem nächsten Eisprung, reift die Eizelle heran. Darauf folgt die Lutealphase, sie umfasst den Eisprung selbst und endet, wenn die Menstruation wieder einsetzt.

Da viele Sport­le­r:in­nen innerhalb eines Monats große Unterschiede in ihrer Kraft, Leistung und Erholungsbedürftigkeit wahrnehmen, trainieren immer mehr Frauen zyklusbasiert. Viele fangen damit an, sobald sie merken, dass etwas mit ihrem Körper nicht stimmt. So berichtete die Triathletin und mehrfache Ironman-Siegerin Laura Philipp vor einigen Jahren davon, durch die hohen Belastungen einen sehr unregelmäßigen Zyklus zu haben. Bei anderen Ath­le­t:in­nen fällt die Periode über Jahre hinweg ganz aus.

Zyklusbasiertes Training bedeutet, sich an den Bedürfnissen, Beschwerden und Chancen zu orientieren, die mit dem Zyklus einhergehen. Auch wenn seitens der Wissenschaft noch viele Fragen unbeantwortet sind, ist davon auszugehen, dass sich verschiedene Menstruationsphasen unterschiedlich auf den weiblichen Körper auswirken. Das könnte an Schwankungen der weiblichen Sexualhormone Östrogen und Progesteron liegen.

„Der Menstruationszyklus beginnt eigentlich im Kopf“, erklärt Ausdauertrainerin Laura-Sophie Usinger. Denn die Produktion von Östrogen und Progesteron wird von Hormonen gesteuert, die im Gehirn angesiedelt sind. Sie geben Signale an die Eierstöcke ab und sorgen dafür, dass die Konzentrationen von Östrogen und Progesteron, ähnlich einer Wellenbewegung, in einem monatlichen Rhythmus zu- und abnehmen. So wird in der Follikelphase immer mehr Östrogen produziert, kurz vor dem Eisprung erlebt das Hormon seinen Höhepunkt. Über den Eisprung wird dann das Hormon Progesteron ausgeschüttet, welches die Lutealphase dominiert. Kommt es nicht zu einer Befruchtung der Eizelle, sinkt der Progesteronspiegel wieder.

Alles Vermutungen

Ergebnisse aus Tierversuchen zeigen, ähnlich wie Testosteron wirkt das Hormon Östrogen anabol. Es verstärkt den Muskelaufbau und vereinfacht die Aufnahme von Kohlenhydraten. Zudem geht man davon aus, dass beide Hormone für ein erhöhtes Selbstbewusstsein und Wohlbefinden sorgen. Da Östrogen und in geringen Mengen auch Testosteron rund um den Eisprung ausgeschüttet werden, gilt die Follikelphase nach den Sportwissenschaftler.innen als besonders leistungsfähige Phase. In dieser Zeit raten sie zu intensiven Trainingseinheiten. Progesteron hingegen wirkt nachweislich katabol und fördert den Proteinabbau. Es wird vermutet, dass in der Lutealphase der Energiebedarf geringer und der Bedarf nach Regeneration größer ist.

Bislang sind das jedoch alles nur Vermutungen. Welchen Einfluss die Hormone Östrogen und Progesteron tatsächlich auf die Leistungsfähigkeit von Sport­le­r:in­nen haben, kann wissenschaftlich nicht belegt werden. Sicher ist, dass das Progesteron die Körpertemperatur um 0,3 bis 0,5 Grad erhöht und Sport in heißer Umgebung in der Lutealphase schneller zur Ermüdung führt als sonst. „Das ist aber wirklich das Einzige, was wir in der Wissenschaft definitiv über den Einfluss des Zyklus auf die Leistungsfähigkeit wissen“, so Usinger.

Auch Laura-Sophie Usinger und Saba Shakalio haben verschiedene Studien zu zyklusbasiertem Training durchgeführt, konnten jeweils aber nur leichte Tendenzen in der Leistungsfähigkeit feststellen. Zusammen mit der Sporthochschule Köln untersuchte Shakalio etwa die Leistungsfähigkeit einer Bundesliga-Wasserballmannschaft und fand heraus, dass die Probandinnen vor dem Eisprung besser beschleunigen konnten als nach dem Eisprung.

Dass es noch immer keine wissenschaftlich fundierten Grundlagen gibt, um die Effizienz von zyklusbasiertem Training zu beweisen, hat mehrere Gründe. Saba Shakalio berichtet von einem „Doppelstandard“ vieler männlicher Kollegen aus der Sportwissenschaft. „Die sind der Meinung, dass die Daten, die man über Männer hat, genauso gut auf Frauen übertragen werden können. Gleichzeitig schließen sie Frauen systematisch aus ihren Studien aus, weil sie ihren Zyklus als Störfaktor sehen“, erklärt die 31-Jährige.

Schwierige Messungen

Laura-Sophie Usinger verweist auf einen hohen Einfluss von psychologischen Faktoren, die allerdings schwer zu messen seien. Studien, die Ath­le­t:in­nen nach ihrem Wohlergehen fragen, ohne ihnen Blut abzunehmen oder ihre Körpertemperatur zu messen, kommen zu klaren Ergebnissen. Die große Mehrheit der Befragten nimmt deutliche Unterschiede wahr, berichtet von Stimmungsschwankungen und fehlender Motivation während der Lutealphase. Als bevorzugtes Zeitfenster für Wettkämpfe geben mehr als die Hälfte der Befragten die Zeit nach der Periode an.

Trotzdem lassen sich Angaben über den Menstruationszyklus nur schwer verallgemeinern. „Jede Frau hat eine andere Zykluskurve. Tag zwölf ist bei keiner Frau exakt gleich“, erklärt Shakalio. Deshalb sei es wichtig, bei Ath­le­t:in­nen zuallererst ein Zyklus-Screening durchzuführen, um zu beurteilen, wie lange welche Phase dauert und ob eine Leistungsschwankung innerhalb des Zyklus festzustellen ist. Das helfe zwar nicht zwingend dabei, Rekordzeiten zu optimieren. Aber vielleicht geht es beim zyklusbasierten Training auch um eine ganz simple Erkenntnis: Ich muss nicht an jedem Tag meine beste Leistung erbringen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!