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Wegbeschreibung von Onkel ÖmerRücken an Rücken mit Atatürk

Onkel Ömer ist umgezogen. Kurz vor unserer Reise in die Türkei erklärt er mir seine neue Adresse. Jetzt kann nichts mehr schief gehen.

Hilft bei der Orientierung: Statue von Mustafa Kemal Atatürk, hier 2019 in Istanbul Foto: dpa/AP | Lefteris Pitarakis

M ein lieber Onkel Ömer ist mal wieder umgezogen. Kurz vor unserer Reise in die Türkei erklärt er mir am Telefon seine neue Adresse.

„Osman, mein lieber Neffe, du kennst doch diese große Atatürk-Statue bei uns auf dem Dorfplatz, nicht wahr?“

„Ist sie denn noch da? Ich denke, alle Atatürk-Statuen wurden abgebaut?“

„Das stimmt. Aber wir konnten unsere erst mal retten. Bitte frag nicht wie. Sonst musst du mich retten. Also, du kommst erst mal zum Dorfplatz und stellst dich Rücken an Rücken mit Atatürk.“

„Hört sich sehr gut an: Rücken an Rücken mit Atatürk. Und wie geht’s weiter?“

„Dann gehst du ganz gerade aus. Nach 50 Metern siehst du einen Mann, der seinen roten Wagen wäscht. Dort biegst du rechts ab.“

„50 Meter weiter bei dem roten Autowäscher nach rechts“, notiere ich mir.

„Aber den Mann, der einen weißen Wagen wäscht, den lässt du links liegen. 20 Schritte später siehst du einen Jungen, der auf einem Holztablett Simit verkauft.“

„Super, ich liebe Sesamkringel.“

„Aber bloß nichts kaufen. Der ist Wucherer“, warnt mich mein Onkel streng.

„Gut, notiert. Simit sehen, aber nicht kaufen, nicht essen. Das wird hart.“

„15 Meter nach den Simits biegst du links ab.“

„Aber wenn der Simit-Verkäufer nicht mehr da ist. Was mache ich dann?“, frage ich leicht unsicher.

„Er ist da. Der Wucherer wird seine Simits doch nie los. Also, wenn du 15 Meter nach den Simits links abbiegst, siehst du 30 Schritte später neun verschwitzte Kinder, die Fußball spielen. Den mit dem Messi-Trikot fragst du nach dem Gemüseladen von Mesut.“

„Warte, Onkel, ich notiere: Messi nach Özil fragen.“

„Wieso Özil. Der Mann heißt Mesut.“

„Ich baue mir Eselsbrücken. So kann ich mir alles leichter merken. Also, Messi nach Mesut … nach Özil fragen. Und dann?“

„Aber vergewissere dich erst mal, ob seine Mannschaft führt. Sonst bekommst du von dem Jungen falsche Auskunft. Und bei Mesuts Gemüseladen stellst du dich vor dem Stand mit den Wassermelonen und drehst dich nach links.“

„Warte, Onkel. Bei Özils Wassermelonen nach links. Hab ich.“

„Aber bei Wassermelonen, Osman. Merk dir das. Falls du dich aus Versehen bei Honigmelonen anstellst, landest du auf dem Friedhof.“

„Wie bitte? Wenn ich die Honigmelonen anfasse, bringt Özil mich um, oder was?“

„Nicht doch. Diese Richtung führt halt zum Friedhof. Also, den Wassermelonen-Weg 150 Meter gehen, ohne nach rechts oder links zu schauen, bis du zwei freche Kinder siehst, die einer braunen Katze eine leere Konservendose an den Schwanz binden. Dort musst du sofort nach rechts …“

„Warte, bitte. Nach 150 Metern KKK.“

„Was für KKK denn?

„Du hast es so gesagt. Kinder, Katze, Konservendose.“

„Stimmt genau. Dann läufst du schnell der braunen Katze mit der Konservendose am Schwanz hinterher. Irgendwann siehst du mich auf dem Balkon Tee trinken und auf dich warten.“

„Danke, Onkel Ömer, super Wegbeschreibung. Ich hoffe nur, dass Atatürk seinen letzten Kampf gewinnt und weiterhin über die Türkei wachen kann. Sonst bin ich verloren.“

„Das stimmt. Ohne Atatürk sind wir alle verloren.“

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2 Kommentare

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  • Seltsam, auch wenn das als Satire gemeint ist (und recht gut gelungen!), es kommt mir wahnsinnig bekannt vor aus Wegbeschreibungen meiner afrikanisch-stämmigen Freundin...

    • @Achim Schäfer:

      Für ne Satire hat das zu viel Tiefgang.

      Stilistisch ist das ein shaggy dog joke - aber für Gebildete, und das Lachen bleibt einem am Ende im Hals stecken. Große Kunst. Erinnert an die Schtetlgeschichten von Isaak Babel.