Wassernot in China: Dürre bedroht Energieversorgung
Die Volksrepublik setzt auf Wasserkraft und kämpft nun mit ausgetrockneten Flüssen. Vermehrt erreicht der Klimawandel den chinesischen Alltag.
Denn China hat zur Reduktion seines Kohleverbrauchs zuletzt massiv auf Wasserkraft gesetzt. Im Zuge der extremen Hitze sinken nun jedoch die Wasserpegel der Flüsse und Stauseen. Viele Wasserkraftwerke stehen deshalb still und es zeigt sich, dass die Folgen der globalen Erwärmung in der Volksrepublik längst kein Luxusproblem mehr sind, sondern den wirtschaftlichen Aufstieg des Landes gefährden.
Besonders der sonst mächtige Jangtse-Fluss gibt derzeit ein klägliches Bild ab: Durch den ausbleibenden Regen ist er auf ein Bruchteil seiner Größe geschrumpft, beide Uferenden haben Sandbänke von der Breite mehrerer Fußballfelder freigelegt.
In der südwestlichen Provinz Sichuan, deren 81 Millionen Einwohner besonders stark von Wasserkraft entlang des Jangtse und seiner Nebenflüsse abhängen, sind die Auswirkungen riesig. Etliche Fabriken mussten aufgrund der Stromrationierungen bereits ihre Produktion drosseln, darunter Werke von Volkswagen und dem Apple-Zulieferer Foxconn.
Ebenfalls betroffen ist ein Standort von „Contemporary Amperex Technology Limited“ (CATL), dessen Betrieb derzeit vollständig suspendiert ist. Da das Unternehmen nahezu ein Drittel aller weltweit produzierten Lithium-Ionen-Batterien für Elektrofahrzeuge herstellt, wird die Schließung mit etwas Verzögerung auch Auswirkungen auf die globalen Lieferketten haben. Bereits jetzt sind die Preise für Polysilizium und Lithium gestiegen.
Für Chinas heimische Wirtschaft hat die Hitzewelle einen Domino-Effekt ausgelöst, der sich über Monate hinziehen wird. Die angeschlagene Stahlproduktion wird den Bausektor lähmen, und auch die zurückgehende Herstellung von Düngemitteln verschärft die Lage für die Landwirtschaft bis mindestens zur nächsten Erntesaison.
Wie groß der gesamtwirtschaftliche Schaden sein wird, lässt sich bereits vage abschätzen. Ein Richtwert ist der Vergleich zum letzten Jahr, als ebenfalls eine durch Hitze induzierte Stromknappheit laut Ökonomen mindestens einen halben Prozentpunkt vom Jahreswachstum geschröpft hat.
Laut jetzigem Wissensstand geht die Hongkonger Hang Seng Bank davon aus, dass die Folgen diesmal rund dreifach so drastisch ausfallen werden – vorausgesetzt, dass die hohen Temperaturen nicht länger als erwartet anhalten werden. Schon jetzt haben die Behörden haben dieses Jahr rund doppelt so viele Hitzewarnungen ausgegeben wie sonst üblich. Es handelt sich um die schlimmste Hitzewelle seit 60 Jahren.
In Chinas sozialen Medien wird zunehmend intensiv über die Folgen des globalen Klimawandels diskutiert. „Im Norden nehmen die Niederschläge zu und im Süden die Dürre. Beginnt der große Klimawandel?“, fragt etwa ein Nutzer auf der Online-Plattform Weibo. Doch seine Sorge wird erst allmählich vom Mainstream der Gesellschaft geteilt. Bis vor wenigen Jahren nämlich porträtierten die offiziellen Staatsmedien den Klimawandel als höchst abstraktes, in der Ferne liegendes Problem, das nicht den Alltag der Chinesen direkt betrifft – offenbar aus Angst vor Protestbewegungen á la „Fridays for Future“, die vom Zensurapparat vollständig verschwiegen werden.
Dennoch hat sich innerhalb des Staatsapparats in den letzten Jahren ein Paradigmenwechsel vollzogen. Spätestens seit den historischen Rekordfluten von 2021, als auf die zentralchinesische Provinz Henan innerhalb weniger Stunden die Regenmassen eines durchschnittlichen Halbjahres einprasselten, spricht die Regierung ganz offen davon, dass China überproportional von den Folgen des Klimawandels betroffen ist. Seit Jahren arbeiten heimische Stadtplaner an Konzepten, wie sie die Metropolen des Landes an die immer extremere Wetterlagen anpassen können.
Doch die langfristigen Bemühungen wirken dieser Tage wie ein verzweifelter Wettlauf gegen die Zeit. Die Hitzewellen werden im Zuge der globalen Erwärmung immer häufiger auftreten und länger andauern, sagte erst kürzlich Chen Lijuan, Chefprognostiker der nationalen Wetterbehörde, der Staatszeitung China Youth Daily“.
Doch es ist nicht nur eine Hitzewelle, die das Land plagt, sondern mehrere, simultane Extremwetterlagen: Während etwa die Lokalregierung der nördlichen Provinz Hebei mit Hilfe von Flugzeugen Silberiodid in den Himmel sprühen lässt, um künstlich Regen auf die ausgetrockneten Felder zu provozieren, sind im Landkreis Datong am Mittwochabend mindestens 17 Menschen von blitzartigen Sturzfluten ums Leben gekommen.
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