Wasserfenchel muss klein bleiben: Kein Garten Eden
Umweltverbände kritisieren die Ausgleichsfläche für den Schierlings-Wasserfenchel als Zuchtanstalt. Außerdem ist die Fläche deutlich kleiner als gedacht
So richtig auf Zinne ist der Hamburger Förderkreis „Rettet die Elbe“. Der Senat plane eine „Zuchtanstalt“ für den Schierlings-Wasserfenchel, diese von der Elbvertiefung in ihrem Bestand bedrohte Pflanze aus den Tidegebieten an der Unterelbe. Der neue Vorschlag der federführenden Wirtschaftsbehörde, auf der Billwerder Insel „einen Garten“ für diesen endemischen Doldenblüter zu schaffen, sei fragwürdig.
Mit Skepsis reagieren Hamburgs Umweltverbände, die gegen die Elbvertiefung geklagt hatten, auf die mögliche ökologische Ausgleichsfläche, welche der Senat am vorigen Freitag präsentiert hatte. Sie wurden zu Wochenbeginn per Brief über den Vorschlag informiert und zu einem Informationsgespräch Ende Juli eingeladen. Dem BUND reicht das noch nicht: „Wir brauchen exakte Unterlagen“, sagt dessen Hamburger Geschäftsführer Manfred Braasch. „Dann werden wir intern unser Vorgehen beraten.“
Das Gelände einer 1990 stillgelegten Trinkwassergewinnungsanlage auf der Billwerder Insel an der Norderelbe solle dafür hergerichtet werden. Dafür müssten die alten Betonbecken aus dem 19. Jahrhundert aufgebrochen und das gesamte Gelände umgestaltet werden: Priele, Wattflächen und Gehölzinseln sollten dem Tideeinfluss der Norderelbe geöffnet werden. Das ungenutze und verwilderte Areal steht bereits teilweise unter Naturschutz, ist aber nicht nach der EU-Richtlinie Flora-Fauna-Habitat und als Natura-2000-Gebiet anerkannt. „Das wollen wir aufwerten“, sagt Susanne Meinecke, Sprecherin der Wirtschaftsbehörde.
Dafür würde ein Graben zum benachbarten Holzhafen in der Billwerder Bucht genutzt. Dieses rund 80 Hektar große Naturschutzgebiet war als Ausgleich für die teilweise Zuschüttung der Elbebucht Mühlenberger Loch für das Airbus-Werk Finkenwerder geschaffen worden. Mit der Erweiterung der Tideflächen auf die Billwerder Insel könne „dem Schierlings-Wasserfenchel eine stabile und weitgehend ungestörte Entwicklung“ ermöglicht werden, hofft die Wirtschaftsbehörde.
Am 9. Februar entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass der Planfeststellungsbeschluss zur Elbvertiefung in seiner jetzigen Form rechtswidrig und nicht vollziehbar sei. Allerdings könnten die Mängel nachträglich behoben werden und das Projekt damit grundsätzlich zulässig sein.
Dazu müssten mit Gutachten und ökologischen Ausgleichsmaßnahmen befürchtete Schäden an Fauna und Flora des Ökosystems Unterelbe ausgeschlossen oder ausgeglichen werde. Dabei geht es vor allem um Lebensraum für den Schierlings-Wasserfenchel – eine nur an der Tideelbe existierende Pflanze.
Die Unterelbe soll zwischen der Nordsee und dem Hamburger Hafen auf rund 120 Kilometer Länge vertieft und verbreitert werden. Dafür müssen etwa 40 Millionen Kubikmeter Schlick vom Grund geholt und zum größten Teil in der Nordsee verklappt werden. Das entspricht rund 2,5 Millionen Lkw-Ladungen.
Allerdings ist ihr dabei ein gravierender Fehler unterlaufen. In einer Anlage zur Pressemitteilung wird ein 14 Hektar großes Areal auf der Billwerder Insel als Ausleichsfläche beschrieben. In der Anlage zum Brief an die Umweltverbände ist die Fläche nur noch halb so groß: sieben Hektar. Letzteres sei korrekt, räumt Behördensprecherin Meinecke auf Nachfrage ein, die Angabe 14 Hektar sei „ein Versehen“.
„Der Senat soll erst mal präzise sagen, worum es geht“, fordert Alexander Porschke, Vorsitzender des Natuschutzbundes Nabu. Es sei vielleicht dessen letzte Option auf die Elbvertiefung, da erwarte er seriöse Angaben, sagt Porschke: „Jetzt mit falschen Angaben zu kommen, lässt Böses ahnen.“
„Rettet die Elbe“ erinnert daran, dass die vom Bundesverwaltungsgericht nicht akzeptierte Ausgleichsfläche Kreetsand 42 Hektar groß sei. Jetzt würden 14 oder gar nur sieben Hektar angeboten. Da könnte die Wirtschaftsbehörde, so der Naturschutzverein, „auch ein Tidebiotop in einem Gewächshaus in Planten un Blomen“ anlegen.
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